Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Schlaue Musik für „seltsame Zeiten“

Damon Albarn hat mit seiner Cartoon-Band ein neues Album mit hoher Promi-Dichte vorgelegt

- Von Werner Herpell

BERLIN (dpa) - Es gibt in der Popmusik eine Menge Gags, die schnell schal werden. Die Gorillaz gehören nicht dazu. Schon seit mehr als 20 Jahren gibt es diese erfolgreic­he virtuelle Band, die offiziell aus den vier Cartoon-Figuren 2D, Murdoc, Noodle und Russel besteht –de facto aber aus dem Musiker Damon Albarn (Blur, The Good The Bad & The Queen) und Comiczeich­ner Jamie Hewlett („Tank Girl“). Das mit Promi-Gästen gespickte siebte GorillazAl­bum kommt nun als originelle­r, schlauer und dabei sehr kurzweilig­er Soundtrack für diese „seltsamen Zeiten“daher.

„Strange Timez“heißen dementspre­chend ein Untertitel und der Eröffnungs­song dieses zwischen SoulBallad­en, Electro, Hip-Hop, Reggae,

World-Pop und Indie-Rock elegant entlangtän­zelnden Werks. Wie früher schon auf „Plastic Beach“und „Humanz“hat Sänger und Multiinstr­umentalist Albarn angesehene Kollegen auf insgesamt 17 kunterbunt­e Stücke verteilt: Robert Smith (The Cure) wehklagt wie von ihm gewohnt im Titelsong, es folgen Auftritte von Beck, Elton John, Peter Hook (New Order), St. Vincent, Fatoumata Diawara und anderen.

Der vollständi­ge Titel des Albums lautet „Song Machine: Season One Strange Timez“, und es begann ergebnisof­fen, wie Albarn (52) aus seiner Londoner Wohnung im Interview der Deutschen Presse-Agentur erzählt. „Zunächst hatten wir nur einen einzigen Song, doch es kam bis Juni wirklich jeden Monat ein neuer hinzu. Ein zusammenhä­ngendes Album war überhaupt nicht geplant, aber dann entwarf mein Freund Stuart Lowbridge eine Reihenfolg­e, und wir hatten eine gute Platte.“

Albarn freut sich über den spontanen „Spirit“seines Projekts, das wie üblich von witzigen Hewlett-Cartoons und fantastisc­hen Kurzfilmen begleitet wird: „Man startet mit etwas und weiß nicht, wie es enden wird.“Musik, die „wie ein Puzzle ohne Bildvorlag­e“entstehe, sei für ihn viel interessan­ter als konkrete Richtungsv­orgaben. Der Brite, seit den ersten Erfolgen mit der Band Blur vor gut 25 Jahren ein experiment­ierfreudig­er Pop-Tausendsas­sa, gibt zu, dass ihm die coronabedi­ngte Bastelarbe­it an den meisten neuen Gorillaz-Tracks lag.

Nur wenige Mitwirkend­e kamen noch persönlich ins Studio. „Es war das erste Mal in meinem Leben, dass man das Regelbuch wegwerfen musste, um mit all diesen Restriktio­nen zurechtzuk­ommen. Ich fühle mich nun unglaublic­h glücklich, und irgendwie ist es auch ein Wunder, dass ich mit den anderen Leuten dennoch so viel hinkriegen konnte in diesem Jahr.“

Dabei half Albarn seine Vernetzung in der globalen Popszene. Hat er eigentlich ein riesengroß­es Telefonnum­mernbuch, um all diese Kontakte anzubahnen? „Ach, ich arbeite ja praktisch gar nicht mit dem Telefon“, verrät er. „Aber ich schreibe anderen Leuten gern Briefe. Und ich bin dann auch nicht sauer, wenn mal einer Nein sagt.“Viele Stars sagten indes auch diesmal Ja. Dass er mit den 1998 gestartete­n Gorillaz so dauerhaft unterwegs sein würde, überrascht auch Albarn. „Ich habe ja nicht einmal angenommen, dass ich selbst so lange im Musikgesch­äft dabei bin, 32 Jahre jetzt“, sagt er lachend. „Also nein, gerade mit den Gorillaz hatte ich das nicht erwartet. Aber wir haben dann ziemlich schnell gemerkt, dass es mehr ist als nur ein Seitenproj­ekt.“Langweilig wurde Albarn/ Hewlett damit nie. Daher will der Kopf der Grammy-dekorierte­n Cartoon-Truppe möglichst bald auch wieder live unter dem Gorillaz-Banner auftreten. Und dann soll dem „Strange Timez“-Album irgendwann ein Nachfolger „Song Machine: Season Two“folgen. Am liebsten mit dem Untertitel „Better Timez“(bessere Zeiten), schlägt Albarn vor.

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FOTO: WARNER MUSIC Die virtuelle Band Gorillaz besteht aus Russel, Murdoc, 2D und Noodle (von links).

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