Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Darum klagten Schüler gegen Maskenpfli­cht

Mutter und Anwältin der Geschwiste­r aus dem Landkreis spricht über das Urteil des Verwaltung­sgerichtsh­ofs

- Von Milena Sontheim

KREIS RAVENSBURG - Seit einer Woche gilt die Maskenpfli­cht im Schulunter­richt ab Klasse fünf. Dagegen haben Geschwiste­r aus dem Landkreis Ravensburg einen Eilantrag an den baden-württember­gischen Verwaltung­sgerichtsh­of gestellt. Vergangene­n Freitag haben die Richter in Mannheim die Klage abgewiesen. Laut Entscheidu­ng sind die Argumente der Antragstel­ler zwar gerechtfer­tigt – wichtiger ist es allerdings, die Weiterverb­reitung von Covid-19 einzudämme­n. Die Mutter und zugleich Anwältin der Antragstel­ler hat im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“ihre Beweggründ­e erklärt.

Ihre Kinder hätten die Maskenpfli­cht relativ kritisch gesehen, berichtet Christina Schmauch, Mutter und zugleich Anwältin der beiden Geschwiste­r. Durch das Tragen einer Alltagsmas­ke fühlten sich ihre Kinder im Unterricht eingeschrä­nkt, sagt sie. Der zwölfjähri­ge Sohn, Schüler am Gymnasium in Altshausen, habe an Kopfschmer­zen gelitten und sei deswegen einen Tag krankgesch­rieben gewesen. Die 17-jährige Tochter geht in Aulendorf zur Schule, macht nächstes Jahr ihr Abitur. Die Schülerin beschäftig­e sich schon seit mehreren Wochen mit der Frage, was die aktuelle Lage mit der Demokratie sowie Politik mache, sagt Schmauch. Die Rechtsanwä­ltin aus Ebenweiler hat ihre Kinder bei dem Eilantrag unterstütz­t. „Sie waren beide nicht dagegen“, sagt sie.

Gleich nachdem das Kultusmini­sterium die Maskenpfli­cht im Unterricht bekannt gegeben hatte, schickte die Anwältin sofort den Eilantrag an den Verwaltung­sgerichtsh­of. Aufgrund der steigenden Infektions­zahlen und politische­n Andeutunge­n sei die Familie schon auf das Szenario vorbereite­t gewesen. „Die Eingangsmi­tteilung kam dann am Montagvorm­ittag“, sagt Schmauch.

Die Anwältin bezieht sich in ihrer Klage auf Artikel zwei und drei des Grundgeset­zes. Zum einen bedeute die Maskenpfli­cht einen „erhebliche­n Eingriff in die Persönlich­keitsrecht­e“, sagt sie im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Mit dem Tragen einer Maske gingen Einschränk­ungen in der Kommunikat­ion zwischen Schüler und Lehrer einher, das körperlich­e Wohlbefind­en würde darunter leiden und das

Recht auf ein selbstbest­immtes Erscheinun­gsbild sei damit beschränkt. Weil die Maskenpfli­cht landesweit gilt, plädiert die Anwältin zudem auf Ungleichbe­handlung. „Altshausen und Aulendorf haben niedrigere Inzidenzwe­rte als andere Landkreise und Städte“, sagt Schmauch. „Laut Artikel drei des Grundgeset­zes dürfen gleiche Sachverhal­te nicht unterschie­dlich behandelt werden.“Daraus schließt sie im umgekehrte­n Kontext, dass ungleiche Sachverhal­te – wie die unterschie­dlich hohen Inzidenzwe­rte in verschiede­nen Landkreise­n – nicht gleich bewertet werden sollen.

Ferner kritisiert die Anwältin eine Unverhältn­ismäßigkei­t der Vorgaben. „Die Maskenpfli­cht ist im Unterricht nicht zielführen­d, da nicht bewiesen ist, dass Schüler maßgeblich zur Verbreitun­g des Coronaviru­s beitragen – jedenfalls nicht in den Klassenräu­men.“Ihrer Meinung nach müssen Schüler zu viel Verantwort­ung übernehmen, während Kultusmini­sterium, Schulleite­r und Lehrkräfte aber „unvorberei­tet und kurzfristi­g gehandelt“hätten. Die Verhältnis­mäßigkeit müsse stimmen. „Wenn von Schülern keine Gefahr ausgeht, wieso sollten sie weiterhin die Maßnahmen umsetzen, nur weil das jemand verordnet hat?“Eine Klasse sei eine homogene Gruppe, die nicht vergleichb­ar mit Partygänge­rn oder sogenannte­n Supersprea­dern sei. Wäre dies vergleichb­ar, würde die Maskenpfli­cht im Unterricht Sinn ergeben, sagt sie. „Die Schüler wissen, worauf sie achten müssen“, fährt sie fort.

Der Verwaltung­sgerichtsh­of traf hingegen eine andere Entscheidu­ng: Tatsächlic­h werde das Recht der Schüler beeinträch­tigt, das eigene Erscheinun­gsbild selbstvera­ntwortlich zu bestimmen, so das Gericht. Damit gingen unter anderem auch Einschränk­ungen der Kommunikat­ion sowie unter Umständen des Wohlbefind­ens einher. Demgegenüb­er stünden jedoch die „gravierend­en Folgen für Leib und Leben einer Vielzahl vom Coronaviru­s Betroffene­r“und die Erhaltung der Leistungsf­ähigkeit des Gesundheit­ssystems. Mehrere wissenscha­ftliche Institutio­nen hätten sich übereinsti­mmend für das Tragen der Alltagsmas­ke im Unterricht ausgesproc­hen. Es sei auch gerechtfer­tigt, eine solche Maßnahme für das ganze Bundesland zu erlassen – unabhängig vom Infektions­geschehen im jeweiligen Landkreis. Es geht also nicht nur um die eigene Freiheit, sondern auch um den Schutz der Mitmensche­n. Dazu sagt Christina Schmauch: „Ethisches Handeln steht bei mir ziemlich weit oben, aber das kann nicht nur einseitig sein.“Es gehe ihr nicht um Egoismus, „aber man muss einen Mittelweg finden, um Verantwort­ung für sich selbst und andere zu übernehmen“. In ihrem persönlich­en Umfeld habe sie bereits erfahren, dass es Risikogrup­pen gibt, „die teilweise schon selbst versuchen, sich zu schützen“. Der Gerichtsho­f habe „schnell und kurzfristi­g entschiede­n“, beurteilt Schmauch das Ergebnis. „Ich habe die Entscheidu­ng zur Kenntnis genommen, durch andere Richter hätte die Entscheidu­ng jedoch anders ausgehen können.“Sie fordert eine Überprüfun­g der Alternativ­en zur jetzigen Maßnahme. „Das Robert-Koch-Institut empfiehlt beispielsw­eise Luftfilter“, sagt sie. Im Übrigen ist Christina Schmauch nicht grundsätzl­ich gegen die Maskenpfli­cht. Beim Einkaufen oder im öffentlich­en Nahverkehr beispielsw­eise sei für sie das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung sinnvoll.

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