Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Impressionen aus der Westallgäuer Vielfalt
Auch wenn heuer eher ruhige Farben vorherrschen, ist die Kunstausstellung in Lindenberg wieder eine bunte
LINDENBERG - Eines ist der Jury der Westallgäuer Kunstausstellung in diesem Jahr aufgefallen: Die Farben der gezeigten Werke seien im Durchschnitt weniger kräftig. „Die meisten Künstler haben ruhige Farben gewählt“, stellt Ausstellungsleiter Helmut Caprano fest. Was Qualitäten, Motive und Techniken anbelangt, bleibt die seit heute geöffnete Lindenberger Schau freilich auch in ihrer 54. Auflage bunt. Besucher finden unter den 127 präsentierten Arbeiten, geschaffen von 64 Künstlerinnen und Künstlern, viel Ansprechendes. Wer den Westallgäuer Kunstpreis erhält, geben die Volksbank als Stifterin und die Jury in der kommenden Woche bekannt.
Um nach dem Rundgang durch die Westallgäuer Vielfalt einen Eindruck zu beschreiben, seien im Folgenden einige Schwerpunkte und Themen genannt:
Fotografie: Eine ganze Reihe von Künstlerinnen und Künstlern nutzen eine Kamera als Werkzeug. Die reine Abbildung spielt dabei kaum eine Rolle. Um Stimmung geht es etwa Michael Weinmann aus Leutkirch mit einer Aufnahme aus dem Treppenhaus des Kunsthauses Bregenz („KUBan walkway“). Atmosphäre vermittelt auch Manfred Ortmann aus Lindenberg mit zwei Porträts, denen er die doppeldeutigen Titel „Child in time“und „SchwarzMaler“gegeben hat. Eine mystische Szenerie unter dem Titel „Winter“gestaltet Eva Caroline Dornach aus Kempten, während Dietlind Castor aus Lindau und Kurt Buchelt aus Blaichach noch freier mit Technik und Material umgehen und Fotografien durch raffinierte Bearbeitung ins Abstrakte, Ornamenthafte überführen.
Stillleben: Dieser klassischen Aufgabe stellen sich einige Ausstellende – und erzielen mal mehr, mal weniger wirkungsvolle Ergebnisse. Monika Gauss aus Lindenberg steuert eine Fotografie aus Cuba zu diesem Kapitel bei, Carin E. Stoller ihre bekannt farbstarken Acryl-Bilder – für die sie jüngst in Kempten mit dem Dachser-Gedächtnispreis ausgezeichnet wurde. Zurückhaltender sind die Aquarelle von Ingeborg Mair aus Lindau.
Landschaft/Natur: Hierzu finden sich recht gefällige Bilder im Löwensaal, etwa die Hafenszenen von Antje Lindel aus Sigmaringen. Zwei dekorative Blumenporträts – eine Amaryllis, eine Protea – stammen von Marlene Müller aus Wangen. Eine frappierende Arbeit steuert erneut Ulrike Küppeler bei, die im vergangenen Jahr den Westallgäuer Kunstpreis erhielt. „Wanderer“heißt ihr Ölbild. So exakt gemalt sind die vielfarbigen, von Linien durchzogenen Flusskiesel, so naturnah der Schattenwurf, dass die Arbeit auf den ersten Blick eine Fotografie zu sein scheint.
Tiere: Sie tauchen in verschiedenster Ausgestaltung auf. Ein „Fellesel“der Isnyerin Ute Drescher gesellt sich zu den „Schwänen“von Teresa Bertling aus Kempten (beides Acrylbilder); Ilka Kupfer lässt eine kleine Eselherde aus Ton aufmarschieren. Als schwarze Silhouetten gegen den strahlend türkisfarbenen Himmel zeigt die Malerin Veronika Wucher aus Heimenkirch eine kleine Rinderherde auf einem Bergrücken – und titelt passend: „Dem Himmel so nah“.
Menschliche Figuren: Bei den insgesamt 26 Plastiken dieser Westallgäuer Kunstausstellung spielen häufig menschliche Figuren eine Rolle: Sie sind aus Bronze, Ton, Stoff oder anderen Materialien, drücken innere Haltungen oder Bewegungsabläufe aus, wirken durch schrille Überzeichnung oder Reduktion.
Corona: Das alles beherrschende Thema dieser Tage schlägt bei der Westallgäuer Kunstausstellung zunächst organisatorisch durch: Es herrscht Maskenpflicht, und auf die Ausstellungseröffnung wurde verzichtet. Auf die gezeigte Kunst wirkt sich die Pandemie dagegen (noch) nicht aus. Selbst die Fotoarbeit „Atemlos“, für das die Heimenkircherin Ragela Bertoldo eine junge Frau mit Pelzmantel und Gasmaske wie eine Ikone inszeniert, sei nicht in Kontext zu Corona entstanden, beteuert die Künstlerin. Und doch drängen sich das Virus und seine Auswirkungen beim Betrachten der Werke immer wieder in den Vordergrund. Wie eigenartig, fast traurig mutet das eigentlich lebensfrohe Bild „Berührung“von Jenny FässlerObermeyer aus Oberstaufen doch an: Es zeigt eine Tanzszene in einem engen Raum – ein intimer Moment voller Nähe, Ausgelassenheit, Selbstvergessenheit, Ekstase.