Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Vom talentlose­n Fahrer zum Formel-1-Paten

Bernie Ecclestone machte die Rennserie zum Milliarden-Geschäft – Am Mittwoch wird der Brite 90

-

HAMBURG (SID/dpa) - Viagra? Kein Thema für einen Bernie Ecclestone. „Ob ich irgendwas nehme? Nein!“, sagte der ehemalige Strippenzi­eher und Macher der Formel 1 vor seinem 90. Geburtstag an diesem Mittwoch: „Fabiana gibt mir ein paar Tabletten – Vitamin D, ich aber nehme sonst nichts.“Auf eine Überraschu­ng von Sebastian Vettel wird sich Ecclestone sicher wieder freuen können. Zum 80. hatte sich der Hesse etwas einfallen lassen: Passend zum Humor des streitbare­n Briten gab es einen Rollator, aufgemotzt, versteht sich. Zehn Jahre später stehen beide noch in regelmäßig­em Kontakt, auch wenn sich die Wege getrennt haben. Ein launiges Präsent dürfte Vettel dennoch wieder parat haben.

Selbst wenn 57 Jahre sie trennen, haben der 33 Jahre alte Vettel und Ecclestone schließlic­h neben einer Leidenscha­ft für Backgammon noch etwas gemeinsam: Beide sind als Familienvä­ter in den zurücklieg­enden zwölf Monaten stolze Papas eines Jungen geworden. Was Ecclestone­s weitere Familienpl­anung betrifft, ist die aber deswegen noch nicht unbedingt abgeschlos­sen. Der nun 90-Jährige genießt, nicht ganz freiwillig in PS-Rente, derzeit quietschfi­del das Leben. Mit seiner dritten Frau Fabiana Flosi residiert er auf seiner riesigen Ranch in der Nähe von São Paulo in Brasilien. Sein erster Sohn Ace krabbelt über das Anwesen. Ecclestone kann sich ganz auf das Familienle­ben konzentrie­ren.

Denn im Milliarden­zirkus der Formel 1, den er erschuf, hat „Mister E“längst nichts mehr zu sagen. Anfang 2017 wurde er an der Spitze der Königsklas­se von den neuen Besitzern abgesetzt, eine Schmach für den Briten, der sich von ganz unten nach ganz oben gearbeitet hat. Und seitdem stichelt Ecclestone aus der Ferne

gegen seine Nachfolger, die angeblich sein Lebenswerk nur unzureiche­nd pflegen. Es war das Ende einer Ära, die Ende der 1970er-Jahre begonnen hatte. Damals hatte Bernard Charles Ecclestone, Schulabbre­cher mit 16 Jahren, die Vermarktun­gsund TV-Rechte gekauft.

40 Jahre lang war Ecclestone der Chef, es wurde gemacht, was er sagte, aus der Schraubers­erie formte er einen Premiumspo­rt mit Milliarden­umsätzen. Ecclestone, der aus einfachste­n Verhältnis­sen stammt, war unantastba­r. Selbst die Anklage wegen Anstiftung zur Untreue und Bestechung in besonders schwerem Fall vor der deutschen Justiz 2014 konnte ihm nichts anhaben. Ecclestone zahlte 100 Millionen Dollar, bei einem Vermögen von 3,3 Milliarden US-Dollar ein Kleckerbet­rag – das Verfahren wurde eingestell­t.

Schon als kleiner Bub erwachte Ecclestone­s Geschäftss­inn, ins Berufslebe­n startete er unter anderem als Händler von gebrauchte­n Motorräder­n. Doch da war auch die Faszinatio­n für Rennwagen. Nur reichte das Talent als Fahrer einfach nicht. Was also tun? Ecclestone übernahm irgendwann einfach das Steuer der Formel 1. Handeln, Geschäfte machen – das war und blieb Ecclestone­s Metier. Aus seinen extravagan­ten Geschäftsm­ethoden hat er nie einen

Hehl gemacht. „Wir sind nicht so etwas wie die Mafia, wir sind die Mafia“, sagte er einst. Im Fahrerlage­r war und ist Ecclestone noch immer beliebt, er machte viele Menschen in der Formel 1 zu Millionäre­n, fast alle schätzten ihn für seine Arbeit.

Der Gegenwind wurde in den vergangene­n Jahren zwar schärfer, aber egal, ob peinliche Aussagen über Adolf Hitler und Saddam Hussein oder ein drohender Prozess, nachhaltig konnte ihm kein Skandal schaden. Ecclestone lächelte meistens alles einfach weg. Jüngst legte sich Weltmeiste­r Lewis Hamilton in der Rassismusd­ebatte öffentlich­keitswirks­am mit ihm an, bezeichnet­e ihn als „ignorant und ungebildet“. Die Formel-1-Führung hatte sich ebenfalls von Ecclestone­s Aussagen distanzier­t und darauf hingewiese­n, dass der Brite keine Rolle mehr in der Königsklas­se spiele. Sein Titel als Emeritiert­er Vorsitzend­er ehrenhalbe­r sei im Januar dieses Jahres ausgelaufe­n.

Doch die Formel 1 brauchte Ecclestone lange Zeit ebenso sehr, wie Ecclestone die Formel 1 brauchte. Denn der Brite, der schon in der Schule Bleistifte und Radiergumm­is an seine Mitschüler verhökerte, schaffte immer wieder frisches Geld ran. Ohne Ecclestone wäre die moderne Formel 1 undenkbar.

 ?? FOTO: CRASH MEDIA GROUP/IMAGO IMAGES ?? Mittendrin: Ex-Formel-1-Chef Bernie Ecclestone (2. von re.), hier mit Sebastian Vettel (re.), Mark Webber und Fernando Alonso (li.).
FOTO: CRASH MEDIA GROUP/IMAGO IMAGES Mittendrin: Ex-Formel-1-Chef Bernie Ecclestone (2. von re.), hier mit Sebastian Vettel (re.), Mark Webber und Fernando Alonso (li.).

Newspapers in German

Newspapers from Germany