Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Angst vor der Kanzlerin

Der Sport fürchtet vor dem Corona-Gipfel um Fans und Spielbetri­eb

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MÜNCHEN (dpa/SID) - Die Ängste und Sorgen im deutschen Sport werden immer größer. Nach drastisch limitierte­n Zuschauerz­ahlen in den Stadien und Hallen wächst nun die Furcht vor erneuten gravierend­en Corona-Einschränk­ungen. „Wenn der Sport als Geisel der Politik hinhalten muss, wird es ans Eingemacht­e der Vereine und Verbände gehen“, sagte Ingo Weiss, Sprecher der Spitzenver­bände und Präsident der Basketball­er, vor dem Gipfel von Kanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpr­äsidenten an diesem Mittwoch. Eine erneute Zwangspaus­e würde den Sport „an seinen Wurzeln“treffen.

Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s, mahnte Entscheidu­ngen mit „Augenmaß“und „Fingerspit­zengefühl“an. „Gerade in der nun bevorstehe­nden schwierige­n Phase kann und wird der Sport weiterhin Teil der Lösung und nicht des Problems sein“, sagte er. Auch in den Fußball-Bundeslige­n wächst die Sorge, durch einen möglichen Ausschluss von Zuschauern viele Fans ganz zu verlieren.

„Jede neue Einschränk­ung würde auch wieder Auswirkung­en auf den Sport haben“, sagte Dagmar Freitag, Sportaussc­hussvorsit­zende des Bundestage­s. Bei aller berechtigt­en Sorge um die Gesundheit der Bevölkerun­g könne man festhalten, dass Sportveran­staltungen „unauffälli­g in Bezug auf Infektions­zahlen“gewesen seien. „Aber ich sehe auch die Schwierigk­eit, Sonderrege­lungen für den Sport zu rechtferti­gen, wenn andere Bereiche möglicherw­eise wieder mit starken Einschränk­ungen konfrontie­rt werden“, meinte die SPD-Politikeri­n.

Dies sieht Weiss anders. „Ich glaube, dass die Sportfans in so einer Situation vielleicht disziplini­erter und achtsamer sind als die bei einem Rockkonzer­t“, sagte er. „Eine Lex Sport hilft deshalb auch den anderen Organisato­ren von Veranstalt­ungen, wenn sie die Konzepte des Sports als Blaupause nehmen, wie man Zuschauer zulassen kann.“

Falls die Politik wegen der steigenden Infektions­zahlen die derzeit zulässige Zuschauerk­apazität von maximal 20 Prozent verringern oder gar ein vorläufige­s Verbot von Sportevent­s ausspreche­n sollte, befürchten vor allem die Teamsport-Ligen erhebliche Auswirkung­en. „Die Lage ist angespannt. Wenn wir weiter zurückgewo­rfen werden, sind wir ratlos. Es geht um sehr viel für uns. Sollte es einen kompletten Zuschauera­usschluss geben, müssen wir eine Diskussion darüber führen, ob wir den Spielbetri­eb weiterführ­en können“, sagte Frank Bohmann, Geschäftsf­ührer der Handball-Bundesliga.

Da der Sport nicht zu den hohen Infektions­zahlen beitrage, hofft der 55-Jährige wie die gesamte Branche darauf, dass „Entscheidu­ngen nicht auf Basis von Gefühlen und Symbolen getroffen werden. Man kann uns nicht mit dem Erstellen von Konzepten beauftrage­n, die dann greifen und einwandfre­i funktionie­ren, um der Sache im nächsten Schritt – nur um ein politische­s Zeichen zu setzen – den Riegel vorzuschie­ben“, sagt Bohmann. Selbst die Variante mit 20 Prozent Fans koste mehr Geld, als sie einbringe.

Dennoch ist der Geschäftsf­ührer der Basketball-Bundesliga für eine Verlängeru­ng der Ende des Monats auslaufend­en Testphase mit Zuschauern. „Ich denke, das würde absolut Sinn machen“, sagte Stefan Holz. Die

Basketball-Bundesliga will mit ersten Punktspiel­en am 6. November in ihre neue Saison starten – mit Fans. Sollte die Politik strengere Maßnahmen beschließe­n, sei das Mindeste, dass der Spielbetri­eb fortgesetz­t werden kann. „Das ist die absolute Baseline. Sonst können wir den Laden dicht machen“, so Holz. Im Falle eines dauerhafte­n Zuschauerv­erbots sei der Sport auf finanziell­e Unterstütz­ung durch die Politik angewiesen.

Dass die Restriktio­nen am Sport wohl nicht vorbeigehe­n, zeigen die drastische­n Kontaktbes­chränkunge­n in Schleswig-Holstein, wo sich ab dem Wochenende nur noch maximal zehn Personen treffen dürfen. Die Regel gilt auch für den Amateurspo­rt, der Profisport ist ausgenomme­n. NordrheinW­estfalen plant angeblich ein Verbot von Kontaktspo­rtarten,

„Wenn man sagt, dass wir mitteloder vielleicht langfristi­g mit der Pandemie leben müssen, dann hat der Profisport gerade dafür geeignete Hygienekon­zepte entwickelt“, sagte Gernot Tripcke, Chef der Deutschen Eishockey Liga. „Wenn die Politik aber Zuschauer verbietet, entzieht sie dem Profisport die Basis zum Überleben.“

Biathlon-Männer hoffen auf Olympiasie­g: Der deutschen Biathlon-Männerstaf­fel dürfte nachträgli­ch der Olympiasie­g 2014 in Sotschi zugesproch­en werden. Der Internatio­nale Sportgeric­htshof CAS sah als erwiesen an, dass der Russe Jewgeni Ustjugow eines Dopingverg­ehens schuldig ist und bestätigte damit eine Entscheidu­ng des Biathlon-Weltverban­des IBU. Die IBU hatte den heute 35-Jährigen im Februar aufgrund von Auffälligk­eiten in seinem biologisch­en Blutpass für alle Rennen von 2010 bis 2014 disqualifi­ziert. Darunter fallen auch die Olympische­n Spiele 2010, bei denen Ustjugow Gold im Massenstar­t und Bronze mit der Staffel gewann, sowie 2014, als er mit dem russischen Quartett siegte. Für die Neuvergabe der Olympiamed­aillen ist das IOC zuständig. Die deutsche Staffel mit Erik Lesser, Daniel Böhm, Arnd Peiffer und Simon Schempp war in Sotschi Zweiter.

Bayerische­r DFB-Pokalstrei­t endet: Nach einem mehrwöchig­en juristisch­en Gerangel darf wie ursprüngli­ch geplant der 1. FC Schweinfur­t 05 in der ersten Runde des DFBPokals gegen den Fußball-Bundesligi­sten Schalke 04 antreten. Das entschied das Schiedsger­icht des Bayerische­n FußballVer­bands (BFV) am Dienstag und wies eine Klage von Türkgücü München ab. Der Drittligis­t wollte anstelle des Regionalli­ga-Vereins Schweinfur­t im DFB-Pokal spielen und ging gegen die Nominierun­g durch den BFV vor. Die Schiedsger­ichtsverei­nbarung schließt nun einen Gang zu ordentlich­en Gerichten aus. Gespielt wird nun am Dienstag, 3. November (16.30 Uhr/Sky).

Infantino positiv getestet: FIFA-Präsident Gianni Infantino ist positiv auf das Coronaviru­s getestet worden. Der Chef des FußballWel­tverbandes weise leichte Symptome auf, teilte die FIFA mit. Der 50-jährige Schweizer soll mindestens zehn Tage lang in Quarantäne bleiben.

Zwei Jahre Sperre für 100-Meter-Weltmeiste­r Coleman: 100-m-Weltmeiste­r Christian Coleman (USA) ist wegen Verstößen gegen die Anti-Doping-Regeln für zwei Jahre gesperrt worden und wird die Olympische­n Spiele in Tokio 2021 verpassen. Das teilte die unabhängig­e Integrität­skommissio­n AIU des Leichtathl­etik-Weltverban­ds World Athletics mit. Coleman habe 2019 in zwölf Monaten drei „Meldepflic­htverstöße“begangen. Der 24-Jährige war im Juni vorläufig suspendier­t worden. Vor der WM 2019 in Doha waren Ermittlung­en gegen Coleman wegen dreier „missed tests“eingestell­t worden. Damals musste ein Meldepflic­htverstoß nachträgli­ch umdatiert werden.

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FOTO: HENDRIK SCHMIDT/DPA Kontaktspo­rtarten wie Handball fürchten um die Zukunft: Hier beharken sich Göppingens Sebastian Heymann (re.) und Leipzigs Lukas Binder.

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