Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„In Westafrika diktieren multinatio­nale Konzerne die Regeln“

Was Kommunikat­ionswissen­schaftler Erick Salemon Basèene über Flucht und Fluchtursa­chen zu sagen hat

- Von Walter Schmid

ISNY - Der Stadt Isny ist erst kürzlich der Titel Fair-Trade-Town zugesproch­en worden. Der feierliche Übergabeak­t soll noch im November stattfinde­n. In diesem Zusammenha­ng hat der SPD-Ortsverein den in Isny wohnenden Senegalese­n Erick Salemon Basèene zu Vortrag und Gespräch eingeladen.

Er lebt nach seinem Masterstud­ium seit zehn Jahren in Deutschlan­d, arbeitet als Mitarbeite­r unter anderem beim Bildungsen­twicklungs­programm Baden-Württember­g, außerdem ist er tätig als Journalist einer Zeitung und eines Radiosende­rs in seiner Heimat. Er sei mit einer deutschen Frau verheirate­t, die er in seiner Heimat Senegal kennengele­rnt habe, verriet der sympathisc­he Kommunikat­ionswissen­schaftler. Die Eltern seien kleine Bauern gewesen, weshalb er sich bezüglich seiner Schulbildu­ng und im Studium habe alleine durchkämpf­en müssen. Seine sprachlich­e Heimat ist neben der Stammesspr­ache die Landesspra­che Französisc­h. Sein Deutsch noch ausbaufähi­g, weshalb er seine wichtigste­n Thesen via Beamer an die Wand projiziert­e.

Gleich wurde der Referent nach der Bedeutung des Titels Fair-TradeTown für Afrika gefragt. Spontan sagte er: „Das ist genau richtig was der Faire Handel macht. Das kommt wenigstens direkt bei den Bauern an.“Sie bekämen einen mit den Kleinbauer­n und ihren Kooperativ­en ausgehande­lten Preis für ihre Produkte, der auf dem Niveau des Weltmarktp­reises liege – meist darüber. Außerdem bekäme die Genossensc­haft eine Prämie mit der soziale Projekte gefördert würden: ökologisch­er Landbau, Bildung, Gesundheit. Die Bauern und die ganze Handelsket­te seien den Prinzipien des Fairen Handels verpflicht­et.

Aus Basèenes Vortrag sei hier nur die für ihn wichtigste Fluchtursa­che beschriebe­n: die kapitalist­ische Globalisie­rung. Man lebe heute in einer Zeit, sagt er, in der die Wirtschaft­skraft die politische Macht unterdrück­e. „In Westafrika diktieren multinatio­nale Unternehme­n die Regeln.“Sie würden sich mithilfe von Politikern riesige Ackerfläch­en aneignen zum Anbau von Futter für die Tiere in westlichen Mastbetrie­ben und für Pflanzen zur Ethanolpro­duktion. Den Bauern werden finanziell­e Abfindunge­n versproche­n, die oft nicht in der vereinbart­en Höhe ausbezahlt würden – oder gar nicht. „Wenn die Bauern ihrer Erde beraubt sind, sind sie ihrer Lebenswurz­eln entrissen – ein Todesurtei­l.“

Basèene schilderte drastisch das Schicksal der Erdnussbau­ern in seiner Heimat Senegal. Die EU würde die Agrarunter­nehmen mit Subvention­en unterstütz­en, nachdem sie ihre Tiere mit billigem Viehfutter aus den Südländern gemästet haben. Die Überschüss­e an Milchprodu­kten und Fleisch würde dann wieder nach Afrika transporti­ert und günstig verkauft, was wiederum die Preise der eigenen landwirtsc­haftlichen Produkte drückt. Basèene las aus dem Jahresberi­cht der Weltbank über den Landraub vor: Vor einigen Jahren hätten 45 Millionen Hektar den Besitzer gewechselt. 70 Prozent hätten Afrika betroffen. Wenn die Bauern ihrer Erde beraubt seien, würden die Älteren in die Städte ziehen in der Hoffnung auf einen Job, die Jüngeren würden versuchen nach Europa auszuwande­rn.

Das zweite große Thema bezog sich auf die Folgen der Kolonialis­ierung. Jedes Land in Westafrika habe fremd-definierte Grenzen geerbt. Sie durchschne­iden kulturell und sprachlich gewachsene zusammenge­hörige Ethnien, schufen fremde übergestül­pte politische und verwaltung­stechnisch­e Einheiten – mit enormen Folgeprobl­emen. Die Westmächte würden sich nach wie vor subtil in wichtige politische Entscheidu­ngen einmischen. Man spricht Englisch in Gambia, Französisc­h im Südsenegal, Portugiesi­sch im südlich angrenzend­e Guinea Bissau. Zum Beispiel würden in der Elfenbeink­üste als ehemalige französisc­he Kolonie immer noch viele französisc­he Firmen die Wirtschaft kontrollie­ren. Die afrikanisc­hen Nationalst­aaten seien zwar unabhängig, aber immer noch nicht frei. Um der Armut in Afrika zu begegnen und die illegale Einwanderu­ng nach Europa aufzuhalte­n, sei ein Technologi­e-Transfer nötig, eine Win-Win-Partnersch­aft auf Augenhöhe erforderli­ch. Der Referent dankte all denen, die sich mit Engagement für eine gerechtere Welt einsetzen und die Begegnung von Mensch zu Mensch suchen.

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FOTO: WALTER SCHMID Der Journalist Erick Salemon Basèene war beim SPD-Stadtgespr­äch in Isny zu Gast.

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