Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„In Westafrika diktieren multinationale Konzerne die Regeln“
Was Kommunikationswissenschaftler Erick Salemon Basèene über Flucht und Fluchtursachen zu sagen hat
ISNY - Der Stadt Isny ist erst kürzlich der Titel Fair-Trade-Town zugesprochen worden. Der feierliche Übergabeakt soll noch im November stattfinden. In diesem Zusammenhang hat der SPD-Ortsverein den in Isny wohnenden Senegalesen Erick Salemon Basèene zu Vortrag und Gespräch eingeladen.
Er lebt nach seinem Masterstudium seit zehn Jahren in Deutschland, arbeitet als Mitarbeiter unter anderem beim Bildungsentwicklungsprogramm Baden-Württemberg, außerdem ist er tätig als Journalist einer Zeitung und eines Radiosenders in seiner Heimat. Er sei mit einer deutschen Frau verheiratet, die er in seiner Heimat Senegal kennengelernt habe, verriet der sympathische Kommunikationswissenschaftler. Die Eltern seien kleine Bauern gewesen, weshalb er sich bezüglich seiner Schulbildung und im Studium habe alleine durchkämpfen müssen. Seine sprachliche Heimat ist neben der Stammessprache die Landessprache Französisch. Sein Deutsch noch ausbaufähig, weshalb er seine wichtigsten Thesen via Beamer an die Wand projizierte.
Gleich wurde der Referent nach der Bedeutung des Titels Fair-TradeTown für Afrika gefragt. Spontan sagte er: „Das ist genau richtig was der Faire Handel macht. Das kommt wenigstens direkt bei den Bauern an.“Sie bekämen einen mit den Kleinbauern und ihren Kooperativen ausgehandelten Preis für ihre Produkte, der auf dem Niveau des Weltmarktpreises liege – meist darüber. Außerdem bekäme die Genossenschaft eine Prämie mit der soziale Projekte gefördert würden: ökologischer Landbau, Bildung, Gesundheit. Die Bauern und die ganze Handelskette seien den Prinzipien des Fairen Handels verpflichtet.
Aus Basèenes Vortrag sei hier nur die für ihn wichtigste Fluchtursache beschrieben: die kapitalistische Globalisierung. Man lebe heute in einer Zeit, sagt er, in der die Wirtschaftskraft die politische Macht unterdrücke. „In Westafrika diktieren multinationale Unternehmen die Regeln.“Sie würden sich mithilfe von Politikern riesige Ackerflächen aneignen zum Anbau von Futter für die Tiere in westlichen Mastbetrieben und für Pflanzen zur Ethanolproduktion. Den Bauern werden finanzielle Abfindungen versprochen, die oft nicht in der vereinbarten Höhe ausbezahlt würden – oder gar nicht. „Wenn die Bauern ihrer Erde beraubt sind, sind sie ihrer Lebenswurzeln entrissen – ein Todesurteil.“
Basèene schilderte drastisch das Schicksal der Erdnussbauern in seiner Heimat Senegal. Die EU würde die Agrarunternehmen mit Subventionen unterstützen, nachdem sie ihre Tiere mit billigem Viehfutter aus den Südländern gemästet haben. Die Überschüsse an Milchprodukten und Fleisch würde dann wieder nach Afrika transportiert und günstig verkauft, was wiederum die Preise der eigenen landwirtschaftlichen Produkte drückt. Basèene las aus dem Jahresbericht der Weltbank über den Landraub vor: Vor einigen Jahren hätten 45 Millionen Hektar den Besitzer gewechselt. 70 Prozent hätten Afrika betroffen. Wenn die Bauern ihrer Erde beraubt seien, würden die Älteren in die Städte ziehen in der Hoffnung auf einen Job, die Jüngeren würden versuchen nach Europa auszuwandern.
Das zweite große Thema bezog sich auf die Folgen der Kolonialisierung. Jedes Land in Westafrika habe fremd-definierte Grenzen geerbt. Sie durchschneiden kulturell und sprachlich gewachsene zusammengehörige Ethnien, schufen fremde übergestülpte politische und verwaltungstechnische Einheiten – mit enormen Folgeproblemen. Die Westmächte würden sich nach wie vor subtil in wichtige politische Entscheidungen einmischen. Man spricht Englisch in Gambia, Französisch im Südsenegal, Portugiesisch im südlich angrenzende Guinea Bissau. Zum Beispiel würden in der Elfenbeinküste als ehemalige französische Kolonie immer noch viele französische Firmen die Wirtschaft kontrollieren. Die afrikanischen Nationalstaaten seien zwar unabhängig, aber immer noch nicht frei. Um der Armut in Afrika zu begegnen und die illegale Einwanderung nach Europa aufzuhalten, sei ein Technologie-Transfer nötig, eine Win-Win-Partnerschaft auf Augenhöhe erforderlich. Der Referent dankte all denen, die sich mit Engagement für eine gerechtere Welt einsetzen und die Begegnung von Mensch zu Mensch suchen.