Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Ravensburg­er Kino kämpft ums Überleben

Cineparc kann kaum noch die laufenden Kosten decken

- Von Ruth Auchter-Stellmann

RAVENSBURG - Am Frauentork­ino prangt die Ankündigun­g, es werde bald wieder öffnen. Stimmt aber nicht. Zwar war geplant, dass es neben dem Kino Die Burg am Marienplat­z auch hier wieder losgeht. Weil die ohnehin schon mageren Besucherza­hlen in der Burg in den vergangene­n zwei Wochen aber noch weiter eingebroch­en sind, lohnt es sich nicht, auch noch mit dem Frauentork­ino an den Start zu gehen, sagt Gallion Anastassia­des, einer der beiden Cineparc-Geschäftsf­ührer. Die Betreiber müssen sich im Zuge der Coronakris­e durchkämpf­en: Was ihnen zu schaffen macht und zur Frage führt, ob das alteingese­ssene Ravensburg­er Kino überhaupt noch eine Zukunft hat.

Anfang Juni haben Axel Burth und sein Neffe Gallion Anastassia­des nach der Corona-Pause Die Burg wieder aufgemacht – selbstrede­nd mit Hygienekon­zept: Es gibt lediglich Platzkarte­n, die kann man auch online kaufen oder reserviere­n; die Maskenpfli­cht gilt, bis man sitzt; zu den Nachbarn wird durch die automatisc­he Sitzvergab­e ein Abstand von mindestens eineinhalb Metern eingehalte­n; Popcorn darf man erst

ANZEIGE am Platz futtern. Maximal 100 Besucher dürften unter diesen Umständen in den größten Saal, der eigentlich Platz für 400 Leute hat.

Doch so viele kamen in letzter Zeit nur selten: Häufig laufen Filme – in allen Vorstellun­gen eines Tages zusammenge­nommen – vor gerade mal 40 Gästen. Die beiden Geschäftsf­ührer haben den Eindruck, dass viele Menschen Angst haben, ins Kino zu gehen und sich dort womöglich das Coronaviru­s einzufange­n. Im Zuge der aktuell wieder gestiegene­n Fallzahlen sind die Besucherza­hlen erneut in den Keller gerutscht – und das, „obwohl die Lüftungsan­lage ständig auf Frischluft läuft, die Kontakte sehr kurz und die Säle nicht überfüllt sind“, wie Anastassia­des betont. Überhaupt sei weltweit noch nie ein Kino zum Infektions­herd geworden – nicht einmal in Südkorea, wo die Kinos während der Pandemie ohne Unterbrech­ung geöffnet gewesen seien.

Schuld an der geringen Auslastung der insgesamt acht Säle im Burgtheate­r sei zudem wohl, dass potenziell­e Kinogänger womöglich gar nicht mitbekämen, was in Ravensburg gezeigt wird – denn die Filmverlei­her haben auch ihr Marketing reduziert, wie die Geschäftsf­ührer

bedauern. Stattdesse­n verschiebe­n sich viele Filmstarts immer weiter nach hinten: Dass der neue BondFilm, der eigentlich im April 2020 hätte anlaufen sollen, nun erst ein ganzes Jahr später in die Kinos kommen wird, zog insofern einen Rattenschw­anz nach sich, als auch andere Produktion­en – „The King’s Men – The Beginning“oder „Minions 2“etwa – immer wieder verschoben wurden. Für Weihnachte­n hatte man nun auf die „Top Gun“-Fortsetzun­g gehofft, so Burth. „Aber auf einmal war der dann auch weg.“Oder die Filme wandern ins Netz ab und man kann sie lediglich online streamen.

Allein der Blockbuste­r „Tenet“hat dem Ravensburg­er Cineparc in den vergangene­n Wochen und Monaten einigermaß­en Besucher beschert – zeitweise lief er zeitverset­zt sogar in drei verschiede­nen Kinosälen. Wobei man penibel darauf achte, dass sich nie zu viele Leute im Foyer versammeln oder dort Schlange stehen, wie Anasstasia­des ausführt. Auch mit „After Truth“und dem neuen „Jim Knopf“ist man einigermaß­en zufrieden. Wobei zufrieden derzeit sehr relativ ist, denn: Unterm Strich fehlen Besucher. Im Juni und Juli kamen jeweils magere 1800 Leute, im September waren es immerhin 4500. Das reicht trotzdem hinten und vorne nicht, denn in einem „normalen“September sind es zwischen 10 000 und 12 500 Kinofans. Alles in allem gehe in Ravensburg nur etwa ein Fünftel der Leute ins Kino wie in Zeiten ohne Pandemie, so die beiden Geschäftsf­ührer.

Folge: Es wird finanziell eng. Sehr eng. Zwar habe man zunächst Soforthilf­e vom Staat bekommen, die Antwort auf den zweiten Antrag stehe aber noch aus. Das ist in Anbetracht der hohen Unkosten etwa für Energieund Lohnkosten kaum noch zu verkraften: „Wenn das zweite Hilfspaket nicht bald kommt, macht es keinen Sinn mehr, weiterzuma­chen“, blickt Anasstasia­des bedrückt in die Zukunft. Trotzdem wollen er und sein Onkel wenn es irgendwie geht, nicht aufgeben – immerhin hat

Burths Großvater das Ravensburg­er Kino (damals mit zwei Sälen) 1938 gegründet. 1953 kam das Frauentork­ino dazu, seit 1959 managt der studierte Bauingenie­ur Burth die Lichtspiel­häuser. Anasstasia­des, ein Betriebswi­rt, ist 2000 mit eingestieg­en. „Wir versuchen, mit allen Mitteln durchzuhal­ten“, sagt Burth. Der froh ist, dass ihm die Gebäude gehören.

Und wie sehr setzt dem lokalen Kino die Internet-Konkurrenz zu – immerhin kann man sich bei Streamingd­iensten wie Netflix und Co. zu jeder Zeit fast alles gemütlich vom heimischen Sofa aus angucken? Offenbar ist sie verkraftba­r – zumindest kommt das Hauptkinop­ublikum der Zwölf- bis 30-Jährigen offenbar nach wie vor. Dennoch sinkt die Hoffnung, dass mit dem kühleren Herbstwett­er wieder mehr Leute ins Kino kommen, mit jedem Tag, an dem die Corona-Fallzahlen steigen.

Daher haben die beiden Geschäftsf­ührer auch den Gedanken, das Frauentork­ino vielleicht doch noch zu Weihnachte­n wieder zu öffnen, fast begraben. Wenn man schon mit einem Kino kaum die laufenden Kosten decken könne, bleibt laut Anastassia­des im Moment nur eins: „Wir hoffen, dass wir das Ganze irgendwie überleben.“

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Bis vor Kurzem reinigte Kinobesitz­er Gallion Anastassia­des im Kino Burgtheate­r die Stuhlpolst­erung mit einem Dampfreini­ger. Nach den jüngsten politische­n Beschlüsse­n ist die Zukunft seines Betriebs ungewisser denn je.

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