Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Nächstes Vergabe-Desaster
Bundeswehr könnte noch Jahre auf neues Gewehr warten
RAVENSBURG/BERLIN - Nach einer Sondersitzung des Verteidigungsausschusses des Bundestags zu den Problemen um die Auftragsvergabe für das neue Sturmgewehr der Bundeswehr fordert Obmann Tobias Lindner (Grüne) einen Stopp des Vergabeverfahrens. „Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sollte das Vergabeverfahren nun stoppen und neu überlegen, wie es mit der Thematik Sturmgewehr für die Bundeswehr weitergeht“, sagt Linder im Anschluss an das Treffen am Freitag der „Schwäbischen Zeitung“. „Besser ein Ende mit Schrecken.“
Das Verteidigungsministerium hatte die Vergabe des neuen Sturmgewehrs an den Thüringer Hersteller C. G. Haenel zunächst zurückgezogen. Es begründete die Entscheidung mit möglichen Patentrechtsverletzungen zulasten des unterlegenen Bieters Heckler & Koch. Dieser beklagt auch, dass es Verstöße im Vergabeverfahren gegeben habe. Bei der Sitzung anwesend waren neben Bundesverteidigungsministerin Annegret KrampKarrenbauer (CDU) und ihrem Staatssekretär Benedikt Zimmer auch die Präsidentin des Beschaffungsamtes der Bundeswehr, Gabriele Korb.
Der Obmann des Verteidigungsausschuss Lindner hat Zweifel daran, dass Kramp-Karrenbauer die Vergabe nur wegen der möglichen Patentrechtsverletzungen gestoppt hat. Es bestehe vielmehr der Verdacht, dass das Beschaffungsamt dem thüringischen Bieter C. G. Haenel die Möglichkeit von unzulässigen Nachverhandlungen eingeräumt hat. „Wir haben verlässliche Hinweise, dass die möglichen Patentrechtsverletzungen
nur die halbe Wahrheit und als Grund vorgeschoben sind.“
Im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“bedauert Lindner, dass die Ministerin bei der Sondersitzung keine Aufklärung leisten wollte. „Wir haben heute über eineinhalb Stunden hinweg mit der Ministerin in vertraulicher Sitzung versucht, Licht in das Dunkel dieses Vergabeverfahrens zu bringen. Die Anzahl möglicher rechtlicher Risiken ist immens“, sagt Lindner. „Wir müssen damit rechnen, dass ein unterlegener Bieter am Ende klagen wird und vermutlich erst nach neun bis zwölf Monate eine Entscheidung rechtskräftig ist.“Am Ende werde nicht das beste Gewehr für die Truppe stehen, sondern das Produkt gewinnen, dessen Hersteller die besten Anwälte habe. Die Folge könnte sein, dass die Bundeswehr noch Jahre auf ein Sturmgewehr warten muss.
Weder die Ministerin noch ihr Haus wollten sich im Anschluss an die Sitzung zu Details äußern.