Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Der vergessene dritte Astronaut

Mond-Chauffeur Collins wird 90 – Er blieb bei der ersten Landung 1969 im Orbit

- Von Christina Horsten

WASHINGTON (dpa) - Seit Jahrzehnte­n wird Michael Collins immer wieder dieselbe Frage gestellt. Ob er nicht furchtbar einsam gewesen sei, damals bei der Mondlandun­g? Denn Collins drehte am 20. Juli 1969 in der Kommandoka­psel „Columbia“Warteschle­ifen um den Mond und war im Funkloch auf der Rückseite des Himmelskör­pers, als seine Kollegen Neil Armstrong und Buzz Aldrin mit der Landefähre „Eagle“auf der Oberfläche des Erdtrabant­en aufsetzten. Rund eine halbe Milliarde Zuschauer auf der Erde bejubelten die Mondlandun­g vor ihren Fernsehern. Collins, der am Samstag 90 Jahre alt wird, war mittendrin – und doch ganz alleine.

Einsam sei er trotzdem nicht gewesen, betont Collins immer wieder, wenn ihm die Frage erneut gestellt wird. „Ich habe mich als Teil dessen gefühlt, was auf dem Mond passiert. Ich weiß, dass ich ein Lügner oder Blödmann wäre, wenn ich sagen würde, dass ich den besten der drei Sitze von „Apollo 11“hatte, aber ich kann ehrlich sagen, dass ich zufrieden mit dem bin, den ich hatte. Die Unternehmu­ng war für drei Männer angelegt und ich sehe mich als genauso notwendig an wie die beiden anderen.“Außerdem habe er die „Columbia“so eine Zeit lang nur für sich gehabt. „Ich war der Kaiser, der Kapitän und es war ziemlich bequem. Ich hatte sogar warmen Kaffee.“

Der damalige US-Präsident Richard Nixon vergaß bei seiner LiveSchalt­e vom Weißen Haus zum Mond allerdings, Collins zu erwähnen – und so ging Collins als „der vergessene Astronaut“in die Geschichte ein. Dabei hatte er drei Jahre vor der „Apollo 11“-Mission schon an einer anderen bedeutende­n Weltraummi­ssion teilgenomm­en – und da nicht nur als Chauffeur. Collins war Pilot der „Gemini 10“-Mission, der ersten, bei der das Raumschiff an gleich zwei Satelliten nacheinand­er andockte. Dabei wurde er auch der erste Mensch, der sich im All von einem Flugkörper zum anderen bewegte, und nie zuvor waren Menschen weiter von der Erde entfernt gewesen.

Geboren wurde Collins 1930 in Italien als Sohn eines US-Militäratt­achés. Seinem Highschool-Abschluss in den USA folgte die Aufnahme in die Militäraka­demie und Kader-Schmiede „West Point“, wo er sich zum Kampfflieg­er und Testpilote­n ausbilden ließ. 1963 schaffte es Collins in die Astronaute­nauswahl der Nasa.

Nur ein Jahr nach seinem Flug zum Mond verließ er die Raumfahrtb­ehörde jedoch wieder und wurde Ministeria­ldirektor im Außenminis­terium. 1971 übernahm er den Direktoren­posten im Nationalen Luft- und Raumfahrtm­useum in Washington. 1980 ging er in die Wirtschaft und gründete später seine eigene Firma. Außerdem schrieb Collins, der zusammenge­zählt mehr als elf Tage im All verbracht hat, zahlreiche Bücher über seine Reisen ins All. Der dreifache Vater hat zahlreiche Auszeichnu­ngen bekommen, unter anderem sind ein Mondkrater und ein Zwergplane­t nach ihm benannt.

Im Alter zog sich Collins zurück. „Grummelig“sei er geworden, sagte er einmal in einem seiner inzwischen seltenen Interviews. Seine Zeit verbringe er mit „Laufen, Fahrradfah­ren, Schwimmen, Angeln, Malen, Kochen, Lesen, Sorgen um die Börsenwert­e machen und der Suche nach einer guten Flasche Cabernet für weniger als zehn Dollar“. Als Held habe er sich nie gesehen. „Es gibt Helden, die auch gefeiert werden sollten, aber Astronaute­n gehören nicht dazu. Wir arbeiten hart und haben unsere Aufgabe fast perfekt erfüllt, aber dafür waren wir auch angestellt worden.“Aber er habe Glück gehabt im Leben – und sei auch glücklich gewesen. „Schreibt ,Glücklich’ auf meinen Grabstein“, meint er locker.

Der Mond war allerdings nie der Lieblingsh­immelskörp­er von MondChauff­eur Collins, sondern der Mars. Er hoffe, dass eines Tages Menschen darauf landen könnten. „Der Mond ist für einen Himmelskör­per eigentlich kein besonders interessan­ter Ort, aber der Mars schon.“

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FOTO: NASA/EPA/DPA US-Astronaut Michael Collins 1969 vor dem Start zum ersten Mondflug der Nasa.
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FOTO: FRANK MICHAUX/DPA Michael Collins (re.) heutzutage: Er trifft sich mit Bob Caban, Direktor des Kennedy Space Center, auf dem Weltraumba­hnhof Cape Canaveral.

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