Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Urteil mit Skandalpotenzial
Internationaler Sportgerichtshof verhandelt über russischen Olympia-Ausschluss
LAUSANNE (dpa/SID) - Das Berufungsverfahren vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS könnte das Schlusskapitel des unendlichen Skandals um das russische Staatsdoping werden. Von Montag an wird der Einspruch Russlands gegen den von der Welt-Anti-Doping-Agentur verhängten vierjährigen Olympia-Bann in Lausanne verhandelt.
„Eine Aufhebung der Sperre wäre ein Schlag ins Gesicht der sauberen Athleten und unmöglich vermittelbar“, sagte Maximilian Klein von der Vereinigung Athleten Deutschland. „Das würde nicht nur ein Totalversagen des Welt-Anti-Doping-Systems, sondern einen irreparablen Vertrauensverlust in die Sportschiedsgerichtsbarkeit bedeuten.“Nicht nur für ihn wäre eine Aufhebung der Sperre selbst auch ein Skandal. „Wir erwarten ein klares und hartes Urteil als sichtbares Signal für den weltweiten Kampf gegen das Doping“, betonte auch Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. „Alles andere wäre nach dem, was in Russland offenkundig an Verwerflichem passiert ist, eine bittere Enttäuschung.“
Für die Sportausschussvorsitzende im Bundestag, Dagmar Freitag, wäre es „ein herber Schlag“, wenn sich Russland durchsetzen sollte. „Ein Einmarsch eines Olympiateams unter russischer Flagge in Tokio wäre ein fatales Signal in Richtung der sauberen Athleten“, sagte sie.
Die WADA hatte im November 2015 die russische Anti-Doping-Agentur RUSADA nach Aufdeckung des Staatsdopings suspendiert. Trotz jahrelangen Leugnens des gigantischen Betrugs und der Verweigerung von geforderten Reformen hob die WADA die Sperre im September 2018 auf. Mit zwei Auflagen: Russland müsse den McLaren-Report mit den Beweisen für die Machenschaften anerkennen sowie Dopingdaten und -proben von 2012 bis 2015 aus dem Moskauer Labor an die WADA aushändigen.
Russland lieferte manipulierte Daten und stritt eine Fälschung ab. Am 9. Dezember 2019 hatte die WADA daher die RUSADA ausgeschlossen und das Land mit einer Vierjahressperre belegt. Insgesamt, so die Ermittler, sollen mehr als 15 000 Dateien gelöscht und damit mindestens 145 Sportler geschützt worden sein.
Die WADA zweifelte nicht am Ergebnis der forensischen Untersuchungen, zumal Experten noch einen Vergleich mit einer Kopie der Daten eines Whistleblowers machen konnten. Daraufhin sperrte die WADA Russland für vier Jahre und somit für die Tokio-Spiele 2021 sowie die im Winter 2022 in Peking. Athleten des Landes dürfen seitdem nur als „neutrale Athleten“unter bestimmten Umständen bei Großereignissen starten. Russland legte gegen die Sanktionen Einspruch beim CAS ein.
Dass die Verhandlungen nun so spät beginnen, hängt auch mit der Corona-Pandemie
zusammen. Zudem findet die Anhörung unter strengen Maßnahmen statt: Die Öffentlichkeit ist ausgeschlossen, der Verhandlungsort in Lausanne geheim. An der Anhörung beteiligte Personen können teilweise auch per Videoschalte dem Verfahren beiwohnen. Es ist bis zum 5. November angesetzt. Ein Urteil, das hat der CAS bereits vorab mitgeteilt, werde es in der kommenden Woche noch nicht geben. Es soll zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht werden.
Die RUSADA glaubt an ihre Chance. „Wir haben unsere Argumente“, sagte der Generalsekretär Michail Buchanow bei „insidethegames“. Sein Vorgänger Juri Ganus, der im August nach fragwürdigen Vorwürfen entlassen worden war, hatte nach der WADA-Entscheidung erklärt, es gebe „keine Möglichkeit“, diesen Fall zu gewinnen. Und was sagt das Internationale Olympische Komitee? Das IOC verwies auf eine Antwort des Präsidenten Thomas Bach aus dem Januar. Dieser forderte vor allem ein Urteil, das „keine Interpretationsmöglichkeit“lasse.
„Das unsägliche Taktieren Russlands lässt uns nur noch mit Kopfschütteln und Fassungslosigkeit zurück“, sagte Klein. „Hier muss der russische Staat ganz klar und entschieden in die Schranken gewiesen werden.“Alles andere wäre ein Zeichen an Russland und alle Nachahmer, „dass im Sport Staatsdoping weitestgehend ungeahndet bliebe“.