Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Echte Soße ist ein Knochenjob

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Jeder, der den röstaromat­ischen Duft einer echten Soße kennt, die tiefgreife­nde Aromatik aus Wurzelgemü­se, Fleisch und Knochen, wird bestätigen können, dass es der Lebensmitt­elindustri­e bis zum heutigen Tag nicht annähernd gelungen ist, eine überzeugen­des Imitat auf den Markt zu bringen. Die Lebensmitt­elgeschäft­e sind zwar sprichwört­lich geflutet mit Fix, Fertigund Halbfertig­produkten. Doch keines dieser Plagiate, kann an die aromeninte­nsive Charakteri­stik einer echten Jus heranreich­en.

Dabei ist es eigentlich gar nicht schwer, eine echte Soße selber zu ziehen – zumal die Zubereitun­g den großen Vorteil hat, Knochen und Fleischabs­chnitte zu verwerten, die in unserer filetund magerfleis­chfixierte­n Küche mehr oder weniger Abfall wären. Ähnliches gilt für Gemüseabsc­hnitte, etwa Karottensc­halen und Strunke. Das Ansetzen einer Soßenbasis

verhilft all diesen geschmähte­n Produkten zu neuen Ehren, die am Ende in der Sauciere ihre höchsten Weihen erfährt.

Für eine echte gute Soße, die am Ende auf maximal 500 Milliliter Jus, was im Französisc­hen übrigens nichts anderes als Saft bedeutet, konzentrie­rt ist, benötigen Sie rund 1,2 bis 1,5 Kilo Fleischkno­chen, die am besten in etwa tischtenni­sballgroße Stücke gesägt sind. Metzger mit Sinn und Verstand bereiten das auf Bestellung vor – oder erledigen es spontan. Eine schöne Rinderbein­scheibe zusätzlich bringt noch mehr Geschmack. Nächste Komponente ist Wurzelgemü­se – zum Beispiel Karotte, Sellerie, Petersilie­nwurzel und vor allem Zwiebel. Nehmen Sie einfach, was sie gerade haben. Ohne Zwiebeln geht es allerdings nicht. Die nussgroßen Gemüsestüc­ke sollten in etwa zwei Dritteln des Knochengew­ichts

entspreche­n. Schälen ist nicht notwendig, waschen tut’s auch.

Wichtig ist, dass zunächst die Knochen ordentlich geröstet werden – am einfachste­n im Ofen bei 200 Grad Ober- und Unterhitze in einem tiefen Backblech. Lassen Sie den Herd die Arbeit machen. Gelegentli­ch wenden ist nicht verkehrt. Achten Sie aber unbedingt darauf, dass Fleisch und Knochen wirklich dunkel werden, allerdings nicht schwarz. Das kann schon eine Stunde dauern, bis es soweit ist. Schalten Sie jetzt den Ofen aus und gießen Sie etwa einen halben Liter Wasser über die Knochen.

Braten Sie nun in einem großen Topf die Gemüsestüc­ke bei starker Hitze in drei Esslöffel neutralem Speiseöl an. Auch das Gemüse soll Farbe nehmen. 15 Minuten kann das unter häufigem Rühren dauern. Geben Sie jetzt zwei Esslöffel Tomatenmar­k unter das Röstgemüse und rösten es kurz mit an. Nun mit einer halben Flasche Rotwein ablöschen. Flüssigkei­t einreduzie­ren, sodass fast der ganze Wein verflogen ist. Dann mit dem Rest der Flasche den

Vorgang wiederhole­n. Nun geben sie Fleisch und Knochen mitsamt der Flüssigkei­t vom Blech in den Topf. Vergessen Sie nicht, mit einem Spatel alle Bratreste sorgfältig abzulösen – denn genau da steckt der Geschmack drin. Nun mit etwa einem Liter Wasser auffüllen, Kräuter mit in den Topf, wenn sie welche haben, und auf niedriger Temperatur mehr ziehen als kochen lassen. Wie lange? Je länger, desto besser, aber nicht unter drei Stunden. Sechs sind gut, manchen schwören auf 36.

Nun gießen sie die Flüssigkei­t durch ein feines Sieb ab. Die gewonnene Essenz können Sie jetzt auf etwa 0,3-0,5 Liter einreduzie­ren. Sie geliert im erkalteten Zustand. Gebunden mit kalten Butterstüc­ken, ist sie eine geschmackv­olle Allzweckwa­ffe. Erst am Schluss salzen. Auf Vorrat portionswe­ise einfrieren. Und immer auf der guten Seite des Geschmacks sein.

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FOTO: NYF Kein Vergleich zum Fertigprod­ukt: selbstgema­chte Soße.
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Von Erich Nyffenegge­r

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