Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Menschen brauchen das Tanzen und den Austausch“

Betreiber aus Leutkirch und Isny berichten, welche Auswirkung­en Corona auf die Clubszene in der Region hat

- Von Patrick Müller

LEUTKIRCH/ISNY - Tanzverans­taltungen in Clubs und Bars sind seit dem Frühjahr verboten – und das aktuelle Infektions­geschehen und die verschärft­en Coronamaßn­ahmen bieten keinen Anlass zu größerem Optimismus. Patrick Thalau von der Musikbar Eberz und Raphael Notz, Mitorganis­ator der Jenseits-vonEden-Partys, erklären im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“, wie es momentan in der lokalen Clubszene aussieht.

„Es tut unglaublic­h weh“, sagt Raphael Notz. Nachdem im März erst einmal Schluss mit den monatliche­n Szene-Partys war, wird es nun auch die nächsten Wochen keinen Neustart geben. Dabei haben sie sich auf einen solchen durchaus vorbereite­t, berichtet er. Unter anderem habe man an einer App-Lösung gearbeitet, über die sich die Gäste für die Partys unter Angabe ihrer Kontaktadr­esse anmelden können. „Sobald es erlaubt ist, starten wir wieder“, betont Notz daher auch. Wobei er selbst trotz aller Zuversicht damit rechne, dass das für den Veranstalt­ungsbereic­h wohl erst dann der Fall sein wird, wenn es einen Impfstoff gibt.

Mit Blick auf die geschlosse­nen Clubs und Bars sowie die Kontaktbes­chränkunge­n allgemein, macht sich Notz vor allem Sorgen um die Menschen, egal ob jung oder alt, die alleine leben. „Wir leben in einer SingleGese­llschaft“, sagt er. Auch unter den Jungen gebe es viele, die nicht in einer Beziehung seien. „Die Menschen brauchen das Tanzen und den Austausch, das Einfach-mal-loslassen“, bekräftigt er.

Dass seinen Gästen das Tanzen fehlt, berichtet auch Patrick Thalau, Geschäftsf­ührer der Musikbar Eberz in Isny. Nach der Wiedereröf­fnung im Juni mussten sie diesen erst vermitteln, dass die Tanzfläche geschlosse­n ist und der Betrieb nur funktionie­rt, wenn sich alle konsequent an die neuen Regeln halten. Der „Weggeh-Charakter“, der für Abwechslun­g sorgt, sei dabei natürlich verloren gegangen, so Thalau.

Um im Sommer überhaupt öffnen zu können, hat das Eberz – das davor vor allem als Location für LiveEvents mit DJs oder Bands bekannt war – sein Konzept umgestellt: Die Tanzfläche wurde geschlosse­n und die Bestuhlung verändert. Große Umsätze haben sie zwischen Juni und Oktober so zwar nicht generiert, aber zumindest konnte sich die Musikbar in dieser Zeit selbst tragen, erklärt Thalau. Auch, weil sie von den

Isnyern sehr unterstütz­t worden seien.

Die Schließung im Frühjahr haben sie durch die Corona-Soforthilf­en und das Entgegenko­mmen ihres Verpächter­s überstande­n. Auf dessen Kulanz seien sie nun erneut angewiesen, so Thalau. Ob sie auch wieder von den angekündig­ten finanziell­en Hilfen etwas abbekommen, weiß Thalau noch nicht. Denn diese sehen als Bemessungs­grundlage den Umsatz im November des Vorjahres vor, sie als Betreiber sind aber erst diesen Januar gestartet.

Im Vergleich zu anderen hätten sie noch den Vorteil, dass er und seine Mitorganis­atoren nicht zu 100 Prozent auf die Einnahmen durch die Jenseits-von-Eden-Partys angewiesen seien, erklärt Notz. Wahnsinnig leid tun ihm die Club-Betreiber, die komplett von den Einnahmen ihres Ladens abhängig sind. Notz rechnet damit, dass nicht alle, die seit dem Frühjahr schließen mussten, wieder aufmachen werden.

Denn irgendwann, so Notz, hört in so einer Situation jeder Gastronom auf zu kämpfen. Wenn alles, was man sich über die Jahre zur Seite geschafft hat, durch die Corona-Pandemie aufgezehrt ist, fällt es schwer, wieder von vorne anzufangen, versetzt sich Notz in die Lage der gebeutelte­n Clubbetrei­ber.

Dass es vor allem für die Gastronome­n, die aufgrund ihres Konzeptes – wie eben etwa Clubs oder Bars mit einem Schwerpunk­t auf den Abend – auch im Sommer nicht wirklich Geld verdienen konnten und nun eventuell mit dem anstehende­n Winter ein komplettes Jahr zulassen mussten oder kaum Einnahmen verbuchen konnten „sehr schwierig“wird, erklärte vergangene Woche bereits Gottfried Härle, Geschäftsf­ührer der gleichnami­gen Leutkirche­r Brauerei.

Härle betonte, dass die Politik gefordert sei, die Gastronomi­e mit finanziell­en Direkthilf­en zu unterstütz­en (SZ berichtete). Was nun zusammen mit der Ankündigun­g der verschärft­en Coronamaßn­ahmen ja auch in Aussicht gestellt worden ist. Allerdings, so Härle vergangene Woche, müsse diese Hilfe auch zügig ausbezahlt werden. Während das im Frühjahr bei der ersten Tranche noch gut funktionie­rt habe, sei es bei der zweiten Tranche schon komplizier­ter geworden. Einzelne Gastronome­n würden teilweise noch immer auf die Auszahlung warten.

Aber nicht nur die Club- und Barbetreib­er leiden unter der aktuellen Situation, betont Thalau. Auch für Bands und DJs, die in normalen Zeiten in Betrieben wie dem Eberz auftreten, sei die Lage für viele katastroph­al. Vor allem, wenn die Künstler hauptberuf­lich als Musiker oder DJs aktiv sind. Das könnte dann auch für die Region zwischen Leutkirch und Wangen selbst, wo es schon vor der Pandemie nur eine Handvoll Clubs und Bars mit einer größeren Tanzfläche gab, fatal sein, so Thalau.

Mit Blick auf das Eberz selbst ist Thalau hoffnungsv­oll, im Dezember wieder öffnen zu können. Auch wenn die Umstände dann noch immer alles andere als gewohnt sein werden, hofft er, dass die Leute die Clubs, Kneipen, und Bars, die aufhaben, so gut wie möglich unterstütz­en. Damit die Branche nach der Pandemie nicht komplett zerstört ist.

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ARCHIVFOTO: CARMEN NOTZ Ein Bild wie aus einer anderen Zeit: Eine der vergangene­n Jenseits-von-Eden-Partys.

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