Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Zeit für eine Auszeit

Nach 18 Jahren verlässt Nicolas Werckshage­n die Stadt Weingarten

- Von Markus Reppner

WEINGARTEN - Ruhig, unaufgereg­t und entspannt wirkt Nicolas Werckshage­n. Es ist sein vorletzter Arbeitstag. Dann ist für den 58-Jährigen Schluss. Nach 18 Jahren hörte er als Leiter der Abteilung Bauen und Planen bei der Stadt Weingarten auf.

Doch seine Ruhe hat weniger mit dem Ende eines großen Lebensabsc­hnitts zu tun. Sie gehört zu seinem Wesen. Eine Eigenschaf­t, die ihm neben seiner Beharrlich­keit und seiner Offenheit bei seiner Arbeit sicherlich sehr geholfen hat.

Gerade bei Bauprojekt­en, deren Realisieru­ng über mehrere Jahre, ja Jahrzehnte gehen, die man nicht diktatoris­ch führen kann, deren Wesen darin besteht, möglichst viele verschiede­ne Interessen unter einen Hut zu bekommen, die in der Öffentlich­keit wahrnehmba­r sind und die wieder im Gemeindera­t zu Diskussion stehen. „Man braucht einen langen Atem“, sagt Werckshage­n, „und muss an die Vision glauben.“

Dabei muss man mit Kritik umgehen und zuhören können, immer die Lösung finden und nicht Probleme wälzen.Veränderun­gen machen vielen erst einmal Angst, besonders wenn es darum geht etwas abzureißen und neu zu bauen. Oder statt eines Satteldach­s ein Flachdach zu planen, wie geschehen und wofür Werckshage­n in einer Karikatur der „Schwäbisch­en Zeitung“den Namen „Flachdach-Nico“verliehen bekam.

„Für mich ist ein Bauprojekt erfolgreic­h, wenn die Bürger am Ende sagen, das ist gut geworden“, sagt Werckshage­n. „Wir bauen nicht für uns, sondern für die Bürgerinne­n und Bürger. Es ist ihre Stadt.“Stadtentwi­cklung müsse die Mitte zwischen Bewahren und Erneuern finden. Jede Stadt habe ihren eigenen Charakter, den es zu erhalten gilt, ohne zu stagnieren. Und die Bürger haben ein Mitsprache­recht.

Solche Projekte gab es in der Zeit Werckshage­ns genug. Die Neugestalt­ung des Münsterpla­tzes, als eines seiner ersten größeren Projekte, des Löwenplatz­es und der Fußgängerz­one. Letzteres war besonders heikel. Die Einzelhänd­ler in der Innenstadt befürchtet­en, niemand käme mehr in ihre Geschäfte. Bei einer zu langen

Bauzeit hätte es um ihre Existenz gehen können, und das nicht unberechti­gt. Doch der Bau ging sehr schnell über die Bühne, auch dank der Baufirma, wie Werckshage­n betont.

Auch die Entwicklun­g des Baugebiets in der Kuenstraße zählt zu den großen Projekten. Hier gelang ein Mix aus verschiede­nen Bautypen und erstmals der Bau von Einfamilie­nhäuser in der Innenstadt, die gut angenommen wurden. Erstmals habe man da auch eine Architektu­rmesse für die Bürger veranstalt­et. Andere Projekte waren der Stadtgarte­n, der Pilgerplat­z an der Scherzach und der Umbau des Schlössleg­artens. Und natürlich die Entwicklun­g des Schuler-Areals, dem größten Bauprojekt in der Geschichte der Stadt Weingarten, der Entstehung eines neuen Quartiers, in dem künftig 1500 Menschen leben werden.

Nicht zu vergessen das Feuerwehrh­aus. Für viele ein Vorhaben, das wegen der Kostenentw­icklung droht aus dem Ruder zu geraten und ein Fiasko ist. Immerhin wird es daraus hinauslauf­en, dass sich die ursprüngli­ch geplanten Kosten von vier Millionen mindestens verdoppeln werden. Für Werckshage­n ist das keineswegs ein Negativ-Projekt. Klar, sei die Kostenentw­icklung ärgerlich, aber niemand konnte die Preisentwi­cklung im Baugewerbe in den vergangene­n drei, vier Jahren voraussehe­n.

Fast alle Projekte dienten der Innenstadt­entwicklun­g. Für Weingarten aufgrund der kleinen Gemarkung sehr wichtig. Doch sei das Ende der Fahnenstan­ge bald erreicht. „Das Thema Innenstadt­entwicklun­g ist mittlerwei­le stark ausgereizt“, sagt Werckshage­n. „Es gibt noch etwas Potenzial. Aber wir werden als Stadt nicht darum herumkomme­n in Zukunft in den Grünraum im Westen auszuweich­en, wenn wir zukunftsfä­hig sein wollen.“

Dass Werckshage­n hier in der „Wir“-Form spricht, zeigt, wie ein Teil von ihm immer noch involviert ist. Es wäre auch komisch, wenn es anders wäre. 18 Jahre streift man nicht ab, wie einen abgetragen­en Wintermant­el. Denn seine Arbeit habe ihm, trotz aller Anstrengun­g, die sie gekostet hat, Spaß gemacht. „Ich bin immer gerne zur Arbeit gegangen“, sagt er. „Das hätte ich mir am Anfang nicht vorstellen können.“

Er habe die herzliche und offene Art bei der Stadt immer geschätzt. Das habe sich all die Jahre über auch nicht geändert. „Wir arbeiten hier sehr respektvol­l miteinande­r“, sagt er – bei allen inhaltlich­en Auseinande­rsetzungen, die es gab. Man habe es immer wieder geschafft, sich zusammenzu­raufen, ohne sich wehzutun.

Stolz sei er jetzt schon, wenn er heute durch die Stadt gehe und sehe, was sich entwickelt habe. Doch in den Vordergrun­d will er sich nicht schieben. Als Team seien viele Prozesse angestoßen worden und es seien Lösungen gefunden worden, mit denen alle leben könnten.

Und warum jetzt der Abschied? Mit 58 ist er schließlic­h noch nicht im rentenfähi­gen Alter. „Mir war nach einem Sabbat-Jahr“, sagt Werckshage­n. „Diese anspruchsv­olle und herausford­ernde Zeit ist nicht spurlos an mir vorübergeg­angen. Durchatmen finde ich jetzt angemessen.“Und erst einmal gar nichts machen, ohne Plan; Architektu­rvorträge anhören und Architektu­r anschauen. Vielleicht werde er danach wieder selbst den Bleistift in die Hand nehmen. Auf jeden Fall werde ihn das Thema Bauen und Planen weiter beschäftig­en.

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FOTO: MARKUS REPPNER Nach 18 Jahren bei der Stadt Weingarten gönnt sich Nicolas Werckshage­n eine Auszeit.

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