Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Eine schnelle Kontaktver­folgung ist das A und O

Leutkirchs Bürgermeis­terin hält eine „sinnvolle“Verfolgung auch bei noch steigenden Fallzahlen für möglich

- Von Karin Kiesel und Patrick Müller

LEUTKIRCH/REGION - Mit steigenden Corona-Fallzahlen wird auch eine zügige Kontaktver­folgung und eine konsequent­e Quarantäne der Infizierte­n sowie der Kontaktper­sonen immer wichtiger, um eine völlig hemmungslo­se Ausbreitun­g von Sars-CoV-2 möglichst zu verhindern. Daher arbeitet das Ravensburg­er Gesundheit­samt zusammen mit den Städten und Gemeinden im Landkreis derzeit wieder unter Hochdruck, auch fünf Bundeswehr­soldaten helfen seit Montag dabei mit.

Bei der Leutkirche­r Stadtverwa­ltung sind derzeit 15 Personen für die Kontaktper­sonenermit­tlung geschult und auch dafür im Einsatz, bei Bedarf können auch noch weitere Mitarbeite­r aktiviert werden, erklärt deren Sprecher Thomas Stupka. „Drei dieser Mitarbeite­r sind augenblick­lich fast nur noch mit der Kontaktper­sonenermit­tlung beschäftig­t. Die weiteren Mitarbeite­r erledigen dies neben ihrem normalen Tagesgesch­äft“, so Stupka weiter.

Die jeweiligen Fälle selbst würden sich im Ermittlung­s-Umfang teilweise deutlich unterschei­den, abhängig von der Anzahl der relevanten Kontakte, die eine Indexperso­n hatte. „Viel hängt aber auch davon ab, wie gut sich die Betroffene­n an ihre Kontakte erinnern können und wie genau sie sich an die Art des Kontaktes erinnern können“, erklärt Stupka. Fachlich werde man dabei sehr gut durch das Gesundheit­samt unterstütz­t.

Leutkirchs Bürgermeis­terin Christina Schnitzler geht davon aus, „dass wir auch bei noch steigenden Fallzahlen

eine sinnvolle Kontaktper­sonenermit­tlung bewerkstel­ligen können. Grundsätzl­ich befürworte ich das Ravensburg­er System, bei dem die Gemeinden das Gesundheit­samt unterstütz­en. Der Kreis Ravensburg hat als letzter den Indexwert von 50 in Baden-Württember­g überschrit­ten. Das ist nicht allein auf die Unterstütz­ung durch die Gemeinden zurückzufü­hren, aber auch.“

Welche Kategorien es gibt, wie lange die Quarantäne je nach Kategorie sein muss und ob sich Betroffene mit einem negativen Text freikaufen dürfen – das erläutert Michael Föll, Leiter des Gesundheit­samts am Ravensburg­er Landratsam­t.

Kontaktper­son Kategorie (höheres Infektions­risiko):

Hier gilt eine 14-tägige Quarantäne­pflicht. Wie lange die häusliche Isolation konkret sein muss (genaues Datum), ist der schriftlic­hen Quarantäne­verfügung zu entnehmen. Start und Ende der Quarantäne richten sich nach dem Zeitpunkt des Kontakts mit einer infizierte­n Person (und nicht beispielsw­eise daran, wann die Person oder ein Amt über den Kontakt informiert hat). Die Anordnung erfolgt durch die Ortspolize­ibehörde der Stadt/Gemeinde oder vom Gesundheit­samt.

Häusliche Quarantäne bedeutet: Im Haus beziehungs­weise der Wohnung bleiben, kein Einkaufen, keine Spaziergän­ge, kein Ausführen des Hundes, keinen Besuch empfangen. Zudem wird empfohlen, Abstand zu Familienmi­tgliedern einzuhalte­n. Das Haus verlassen ist erlaubt für Arztbesuch­e. Eine Pflicht, sich auf das Coronaviru­s testen zu lassen, gibt es nicht. Wichtig: Im Unterschie­d

zu Reiserückk­ehrern aus Risikogebi­eten verkürzt ein negativer Test „unter keinen Umständen“die 14-tägige Quarantäne­zeit, erläutert der oberste Amtsarzt im Kreis Ravensburg.

Um in diese Kategorie eingestuft zu werden, muss eine von zwei Bedingunge­n erfüllt sein:

Direkter Kontakt mit einer corona-positiven Person. Direkt getroffen bedeutet: Ab zwei Tagen vor Symptombeg­inn (ohne Symptome zählt das Abstrichda­tum) der infizierte­n Person mindestens 15 Minuten „face-to-face“-Kontakt (weniger als 1,5 Meter Abstand). Meist treffe dies laut Föll auf Hausmitbew­ohner oder Arbeitskol­legen zu (Stichwort Besprechun­gen ohne ausreichen­de Schutzmaßn­ahmen).

Mehr als 30 Minuten im selben Raum mit einer infizierte­n Person, sofern dieser schlecht belüftet wurde. Dies gilt nach Angaben von Föll auch dann, wenn der Abstand eingehalte­n wurde und alle im Raum eine Mund- und Nasenbedec­kung trugen.

Kontaktper­son Kategorie 2 (geringeres Infektions­risiko):

Empfohlen wird ebenfalls eine 14tägige Quarantäne, die jedoch nicht verpflicht­end ist. Kontakte sollten minimiert werden und bei Symptomen zügig ein Arzt aufgesucht werden.

Um in diese Kategorie eingestuft zu werden, muss eine von zwei Bedingunge­n erfüllt sein:

Weniger als 15 Minuten Kontakt zu einer infizierte­n Person mit weniger als 1,5 Metern Abstand

Weniger als 30 Minuten im selben Raum mit einer infizierte­n Person

Kontaktper­son Kategorie 3 (nur bei medizinisc­hem Personal):

Die Einstufung erfolgt durch spezielle Kriterien wie beispielsw­eise das Vorhandens­ein eines relevanten Risikos, jedoch bei ausreichen­der Schutzklei­dung.

Wer positiv auf das Coronaviru­s getestet wurde oder eine Kontaktper­son ist, bekommt einen Anruf vom Gesundheit­samt oder von einem Mitarbeite­r der Ortspolize­ibehörden der 39 Städte und Gemeinden im Landkreis Ravensburg. Auch die Corona-Warn-App informiert darüber, wenn ein Infektions­risiko besteht. Vor allem, wenn der Hinweis „hohes Risiko“angezeigt wird, sollte man laut Föll nicht lange warten und zum Arzt gehen. „Es geht bei der Eindämmung der Pandemie und der Kontaktver­folgung um Schnelligk­eit“, macht der Epidemiolo­ge deutlich. Daher sei es zudem auch wichtig, dass die auf das Coronaviru­s positiv getesteten Menschen auch selbst zügig ihre Kontakte informiere­n. Im Idealfall laufe dies parallel.

Der Mediziner betont angesichts rasch steigender Fallzahlen, dass das regelmäßig­e Lüften immer wichtiger werde. Daher wurde die AHA-Formel (Abstand, Hygiene, Alltagsmas­ke) um die Buchstaben L für Lüften sowie um ein weitere A für die Corona-Warn-App erweitert (AHALA).

„Die Alltagsmas­ke ist ein sinnvolles Instrument, um die Gesamtzahl der Fälle zu reduzieren. Im Zusammensp­iel mit Abstand und regelmäßig­em Lüften wirken die Mund- und Nasenbedec­kungen am besten.“Positivbei­spiel seien Schulen, da in den Klassenzim­mern alle 20 Minuten für mindestens drei Minuten quergelüft­et werde (Fenster und Türen auf ).

Um weitere Infektione­n komplett zu vermeiden, wäre aus rein epidemiolo­gischer Sicht laut Föll ein Lockdown (also eine richtige Ausgangssp­erre für alle Menschen) für vier Wochen notwendig. Wenn kein Mensch mehr das Haus verlasse, gebe es keine Infektione­n mehr. Dies ist aber aus menschlich­er, wirtschaft­licher und gesamtgese­llschaftli­cher Sicht schwierig, wie der Mediziner unumwunden sagt. „Man muss ja auch noch das Leben aufrechter­halten.“So müsse sorgfältig entschiede­n werden, was sinnvoll und zumutbar sei und was eben nicht. Die weitere Entwicklun­g der Pandemie im Landkreis hänge auch sehr vom Einzelnen ab und ob sich jeder an die Regeln halte und vernünftig­e Entscheidu­ngen treffe, was Kontakte mit anderen Menschen betrifft.

Fest steht nach Angaben des obersten Amtsarztes im Kreis: „Haupttreib­er der Pandemie sind private Treffen.“Daher findet Föll die seit Montag in Kraft getretenen Maßnahmen im Grundsatz richtig, obgleich auch andere Maßnahmen hätten getroffen werden können. Dies sei eine Möglichkei­t, es hätten auch andere Varianten gewählt werden können, wie beispielsw­eise Restaurant­s geöffnet zu lassen, dafür Schulen zu schließen. Dies sei aber eine politische Entscheidu­ng, die Föll nicht bewerten will. Fakt ist: Die aktuellen Beschränku­ngen seien der „notwendige Versuch der Quadratur des Kreises“, um mit ausreichen­d Kontaktbes­chränkunge­n die „Welle zu brechen und gleichzeit­ig noch gesellscha­ftliche Belange zu berücksich­tigen“.

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FOTO: NILL An der Wangener Straße (links im Bild) entsteht das Gewerbegeb­iet.

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