Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Eine schnelle Kontaktverfolgung ist das A und O
Leutkirchs Bürgermeisterin hält eine „sinnvolle“Verfolgung auch bei noch steigenden Fallzahlen für möglich
LEUTKIRCH/REGION - Mit steigenden Corona-Fallzahlen wird auch eine zügige Kontaktverfolgung und eine konsequente Quarantäne der Infizierten sowie der Kontaktpersonen immer wichtiger, um eine völlig hemmungslose Ausbreitung von Sars-CoV-2 möglichst zu verhindern. Daher arbeitet das Ravensburger Gesundheitsamt zusammen mit den Städten und Gemeinden im Landkreis derzeit wieder unter Hochdruck, auch fünf Bundeswehrsoldaten helfen seit Montag dabei mit.
Bei der Leutkircher Stadtverwaltung sind derzeit 15 Personen für die Kontaktpersonenermittlung geschult und auch dafür im Einsatz, bei Bedarf können auch noch weitere Mitarbeiter aktiviert werden, erklärt deren Sprecher Thomas Stupka. „Drei dieser Mitarbeiter sind augenblicklich fast nur noch mit der Kontaktpersonenermittlung beschäftigt. Die weiteren Mitarbeiter erledigen dies neben ihrem normalen Tagesgeschäft“, so Stupka weiter.
Die jeweiligen Fälle selbst würden sich im Ermittlungs-Umfang teilweise deutlich unterscheiden, abhängig von der Anzahl der relevanten Kontakte, die eine Indexperson hatte. „Viel hängt aber auch davon ab, wie gut sich die Betroffenen an ihre Kontakte erinnern können und wie genau sie sich an die Art des Kontaktes erinnern können“, erklärt Stupka. Fachlich werde man dabei sehr gut durch das Gesundheitsamt unterstützt.
Leutkirchs Bürgermeisterin Christina Schnitzler geht davon aus, „dass wir auch bei noch steigenden Fallzahlen
eine sinnvolle Kontaktpersonenermittlung bewerkstelligen können. Grundsätzlich befürworte ich das Ravensburger System, bei dem die Gemeinden das Gesundheitsamt unterstützen. Der Kreis Ravensburg hat als letzter den Indexwert von 50 in Baden-Württemberg überschritten. Das ist nicht allein auf die Unterstützung durch die Gemeinden zurückzuführen, aber auch.“
Welche Kategorien es gibt, wie lange die Quarantäne je nach Kategorie sein muss und ob sich Betroffene mit einem negativen Text freikaufen dürfen – das erläutert Michael Föll, Leiter des Gesundheitsamts am Ravensburger Landratsamt.
Kontaktperson Kategorie (höheres Infektionsrisiko):
Hier gilt eine 14-tägige Quarantänepflicht. Wie lange die häusliche Isolation konkret sein muss (genaues Datum), ist der schriftlichen Quarantäneverfügung zu entnehmen. Start und Ende der Quarantäne richten sich nach dem Zeitpunkt des Kontakts mit einer infizierten Person (und nicht beispielsweise daran, wann die Person oder ein Amt über den Kontakt informiert hat). Die Anordnung erfolgt durch die Ortspolizeibehörde der Stadt/Gemeinde oder vom Gesundheitsamt.
Häusliche Quarantäne bedeutet: Im Haus beziehungsweise der Wohnung bleiben, kein Einkaufen, keine Spaziergänge, kein Ausführen des Hundes, keinen Besuch empfangen. Zudem wird empfohlen, Abstand zu Familienmitgliedern einzuhalten. Das Haus verlassen ist erlaubt für Arztbesuche. Eine Pflicht, sich auf das Coronavirus testen zu lassen, gibt es nicht. Wichtig: Im Unterschied
zu Reiserückkehrern aus Risikogebieten verkürzt ein negativer Test „unter keinen Umständen“die 14-tägige Quarantänezeit, erläutert der oberste Amtsarzt im Kreis Ravensburg.
Um in diese Kategorie eingestuft zu werden, muss eine von zwei Bedingungen erfüllt sein:
Direkter Kontakt mit einer corona-positiven Person. Direkt getroffen bedeutet: Ab zwei Tagen vor Symptombeginn (ohne Symptome zählt das Abstrichdatum) der infizierten Person mindestens 15 Minuten „face-to-face“-Kontakt (weniger als 1,5 Meter Abstand). Meist treffe dies laut Föll auf Hausmitbewohner oder Arbeitskollegen zu (Stichwort Besprechungen ohne ausreichende Schutzmaßnahmen).
Mehr als 30 Minuten im selben Raum mit einer infizierten Person, sofern dieser schlecht belüftet wurde. Dies gilt nach Angaben von Föll auch dann, wenn der Abstand eingehalten wurde und alle im Raum eine Mund- und Nasenbedeckung trugen.
Kontaktperson Kategorie 2 (geringeres Infektionsrisiko):
Empfohlen wird ebenfalls eine 14tägige Quarantäne, die jedoch nicht verpflichtend ist. Kontakte sollten minimiert werden und bei Symptomen zügig ein Arzt aufgesucht werden.
Um in diese Kategorie eingestuft zu werden, muss eine von zwei Bedingungen erfüllt sein:
Weniger als 15 Minuten Kontakt zu einer infizierten Person mit weniger als 1,5 Metern Abstand
Weniger als 30 Minuten im selben Raum mit einer infizierten Person
Kontaktperson Kategorie 3 (nur bei medizinischem Personal):
Die Einstufung erfolgt durch spezielle Kriterien wie beispielsweise das Vorhandensein eines relevanten Risikos, jedoch bei ausreichender Schutzkleidung.
Wer positiv auf das Coronavirus getestet wurde oder eine Kontaktperson ist, bekommt einen Anruf vom Gesundheitsamt oder von einem Mitarbeiter der Ortspolizeibehörden der 39 Städte und Gemeinden im Landkreis Ravensburg. Auch die Corona-Warn-App informiert darüber, wenn ein Infektionsrisiko besteht. Vor allem, wenn der Hinweis „hohes Risiko“angezeigt wird, sollte man laut Föll nicht lange warten und zum Arzt gehen. „Es geht bei der Eindämmung der Pandemie und der Kontaktverfolgung um Schnelligkeit“, macht der Epidemiologe deutlich. Daher sei es zudem auch wichtig, dass die auf das Coronavirus positiv getesteten Menschen auch selbst zügig ihre Kontakte informieren. Im Idealfall laufe dies parallel.
Der Mediziner betont angesichts rasch steigender Fallzahlen, dass das regelmäßige Lüften immer wichtiger werde. Daher wurde die AHA-Formel (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske) um die Buchstaben L für Lüften sowie um ein weitere A für die Corona-Warn-App erweitert (AHALA).
„Die Alltagsmaske ist ein sinnvolles Instrument, um die Gesamtzahl der Fälle zu reduzieren. Im Zusammenspiel mit Abstand und regelmäßigem Lüften wirken die Mund- und Nasenbedeckungen am besten.“Positivbeispiel seien Schulen, da in den Klassenzimmern alle 20 Minuten für mindestens drei Minuten quergelüftet werde (Fenster und Türen auf ).
Um weitere Infektionen komplett zu vermeiden, wäre aus rein epidemiologischer Sicht laut Föll ein Lockdown (also eine richtige Ausgangssperre für alle Menschen) für vier Wochen notwendig. Wenn kein Mensch mehr das Haus verlasse, gebe es keine Infektionen mehr. Dies ist aber aus menschlicher, wirtschaftlicher und gesamtgesellschaftlicher Sicht schwierig, wie der Mediziner unumwunden sagt. „Man muss ja auch noch das Leben aufrechterhalten.“So müsse sorgfältig entschieden werden, was sinnvoll und zumutbar sei und was eben nicht. Die weitere Entwicklung der Pandemie im Landkreis hänge auch sehr vom Einzelnen ab und ob sich jeder an die Regeln halte und vernünftige Entscheidungen treffe, was Kontakte mit anderen Menschen betrifft.
Fest steht nach Angaben des obersten Amtsarztes im Kreis: „Haupttreiber der Pandemie sind private Treffen.“Daher findet Föll die seit Montag in Kraft getretenen Maßnahmen im Grundsatz richtig, obgleich auch andere Maßnahmen hätten getroffen werden können. Dies sei eine Möglichkeit, es hätten auch andere Varianten gewählt werden können, wie beispielsweise Restaurants geöffnet zu lassen, dafür Schulen zu schließen. Dies sei aber eine politische Entscheidung, die Föll nicht bewerten will. Fakt ist: Die aktuellen Beschränkungen seien der „notwendige Versuch der Quadratur des Kreises“, um mit ausreichend Kontaktbeschränkungen die „Welle zu brechen und gleichzeitig noch gesellschaftliche Belange zu berücksichtigen“.