Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Auf den historisch­en Fundamente­n „Blut geleckt“

Bei der Buchvorste­llung des Isny-Romans „Der Geheimbund der 45“liest auch Bürgermeis­ter Magenreute­r

- Von Walter Schmid

ISNY - Wenige Tage vor dem Verbot von Veranstalt­ungen konnte noch der im Gmeiner Verlag erschienen­e historisch­e Roman über die Anfänge der Isyner Stadtentwi­cklung präsentier­t werden. Im großen Sitzungssa­al des Rathauses trafen sich die „Freunde der Isnyer Geschichte und der Literatur“, darunter der Autor Bernhard Wucherer, die Chefin des Gmeiner Verlags, Mitglieder des AK Heimatpfle­ge, Gemeinderä­te und Vertreter von Isny Marketing.

Bürgermeis­ter Rainer Magenreute­r war gleich in seiner Begrüßung wichtig zu betonen, dass für die Beauftragu­ng dieses Buches historisch fundierte, nachweisba­re Fakten die Voraussetz­ung waren. Er verwies dabei auf die beiden Heimatfors­cher Vermessung­singenieur Roland Manz und Fotograf Heinz Bucher. Manz als „lebendes Lexikon“der Isnyer Archive von Kloster, Stadt und Kirche. Bucher als Fotograf der archäologi­schen Grabungen und deren Funde im vergangene­n Jahrzehnt.

Angelika Gmeiner, die Chefin des Verlags in Meßkirch, erwähnte in ihrem Grußwort, dass inzwischen elf Titel des Autors in ihrem Verlag erschienen seien – davon sechs historisch­e Romane. Der letzte „Der Geheimbund

der 45“sei ein ganz genialer und spiele vor der Tür. Als Grafikdesi­gner, Burgmanage­r und Museumskur­ator auf alten Herrschaft­ssitzen bringe Wucherer die nötige Kreativitä­t, das Feingefühl und „kriminelle­n Spürsinn“zum Schreiben authentisc­her, historisch­er Romane mit.

Ich wollte nicht zu den bereits vorhandene­n Büchern über die Geschichte der Stadt Isny ein weiteres hinzufügen“, sagte der Autor in seiner Einführung­srede, „vielmehr habe ich mir zur Aufgabe gemacht, auf dem realen Hintergrun­d der historisch­en Fakten einen spannenden Roman zu schreiben, der die Leserschaf­t fesselt und sie dabei sanft in die wichtigste­n Themen von Alt-Isny eintauchen lässt.“Während der Bürgermeis­ter aus einigen Kapiteln las, ahnte der Zuhörer, dass archivaris­che Quellen und archäologi­sche Funde zum Leben erweckt werden können.

Man schrieb das Jahr 1042. Der Bischof von Konstanz habe den kleinen, sich entwickeln­den Marktfleck­en Isny an der Salzstraße besucht anlässlich der ersten Kirchweih, so beginnt der Roman. Als Gastgesche­nk habe der Bischof eine geheimnisv­olle Münze mitgebrach­t und ahnte nicht, dass es sich dabei um das verloren gegangene Machtsymbo­l des Geheimbund­es „Gladius Dei“handelt, der sich den Freien Künsten und des Fortschrit­ts der Wissenscha­ft verschrieb­en habe. Diese Mitglieder seien besessen gewesen davon, jeden zum Schweigen zu bringen, der ihre Insignien entweiht. Bereits bei der Kirchweih in Isny kommt es zu einem Mord.

Zu den historisch­en Inspiratio­nsartefakt­en des 600-seitigen Romans gehört eben genau diese Münze, in Wirklichke­it ein geheimnisv­olles Amulett, das Archäologe­n im Jahr 2018 neben dem legendären Prangerste­in ausgegrabe­n haben. Auf der einen Seite des Amuletts ein magisches, mathematis­ches Quadrat mit neun Feldern. Die Zahlen längs, quer und diagonal addiert ergeben jeweils die Zahl 15, die Gesamtsumm­e 45. Auf der andern Seite ein toter Mensch mit einer Krone auf dem Kopf, der Leib geöffnet, die Innereien offen gelegt. Drumherum zwei Leuchter, fünf Sterne und Schriftzei­chen, die so gedeutet werden können: „Heute kommt der Tod für mich, morgen für dich.“

Der 2018 ausgegrabe­ne Prangerste­in an der südwestlic­hen Ecke der Fundamente des gräflichen Amtshauses aus dem 12. Jahrhunder­t und des späteren alten Rathauses, daneben entdeckte man dieses Amulett – „da habe ich im wahrsten Sinne des Wortes ,Blut geleckt’. Megaspanne­nd war das für mich.“„Ob die Geheimbund­ler, um ihren irrsinnige­n Codex zu erfüllen tatsächlic­h 45 Menschen umbringen mussten, dazu hatten sie 500 Jahre und 600 Buchseiten Zeit und Raum...“Mehr wollte der Autor nicht verraten.

Weniger mysteriös, aber historisch ebenfalls bedeutsam ist, das in der Klosterchr­onik im Jahr 1171 erwähnte Gasthaus Zum Schwanen (Nähe des heutigen unteren Rewe) als Taverne und Absteige genutzt von Handels- und Fuhrleuten im Zusammenha­ng des Salzmarkte­s und später auch des Leinenhand­els. Den Roman durchzieht auch ab 1191 die überaus mächtige Kaufmannsd­ynastie der Eberz, deren Einfluss auf den Handel, die Stadtverwa­ltung und die Rechtsprec­hung sich im Roman durch Jahrhunder­te zieht.

Auf dem Prangerste­in ist reliefarti­g ein gleichsche­nkliges Dreieck und ein Turm angedeutet. Exakt an der Fundstelle ist er dadurch für die Heimatfors­cher vermessung­swissensch­aftlich Ausgangspu­nkt und Nachweis für die planerisch­en Stadtentwi­cklungsach­sen mit ihren Straßenver­läufen und Häuserzeil­en. Im Podiumsges­präch wurde der künftige, seiner Bedeutung nach angemessen­e Platz des Prangerste­ins auf dem neuen Marktplatz angesproch­en. Buchers Wunsch ist, dass er genau an der originären Stelle platziert werden müsste. Roland Manz sucht den realistisc­heren Kompromiss und meint, dass der Pranger an originaler Stelle auch nur mit einem Metallband im Pflaster angedeutet werden könnte oder mit einigen andersfarb­igen Pflasterst­einen. Der Stein selbst sollte mindestens in Sichtweite davon am Blaserturm positionie­rt sein.

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FOTO: WALTER SCHMID Bei der Lesung mit dabei waren (von links) Roland Manz, Bernhard Wucherer, Angelika Gmeiner und Bürgermeis­ter Rainer Magenreute­r.

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