Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Beratungsbedarf bei der Suchthilfe steigt
Derzeit ist keine persönlichen Gespräche möglich - Aktionstag soll auf Probleme hinweisen
KREIS RAVENSBURG (sz) - Alkohol und andere Drogen können Menschen in die Isolation treiben. Doch was ist, wenn die Isolation wegen einer Pandemie zum Alltag wird und persönliche Treffen und Beratungsgespräche nicht möglich sind: Die Corona-Krise hinterlässt auch in der Suchthilfe ihre Spuren, heißt es in einer Pressemitteilung der Caritas Bodensee-Oberschwaben.
„Die Dringlichkeit einer stabilen und verlässlichen, ausreichend finanzierten Suchthilfe ist angesichts der Corona-Pandemie noch stärker in den Fokus gerückt. Suchtberatung ist systemrelevant“, sagt zum Beispiel Rainer Willibald, Leiter des Dienstes Suchthilfe und Prävention der Caritas Bodensee-Oberschwaben. Mit einem zum ersten Mal stattfindenden bundesweiten Aktionstag am Mittwoch, 4. November, möchte die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) daher auf die angespannte Situation der Suchberatungsstellen aufmerksam machen. Auch die Caritas Suchthilfe beteiligt sich an diesem Aktionstag.
Die Caritas Suchthilfe ist im Landkreis Ravensburg an insgesamt sechs Standorten vertreten (Ravensburg, Wangen, Nebenstelle Bad Waldsee sowie Außensprechstunden in Leutkirch, Isny und Bad Wurzach) und stellt mit multiprofessionellen Teams aus Ärzten, Suchtberatern und Suchtherapeuten
sowie einer Psychologin eine dezentrale und gemeindenahe Versorgung sicher.
„Eine Entwarnung im Bereich
Sucht gibt es keinesfalls“, betont Willibald. Vielmehr werden im Zuge von Corona die Fallzahlen weiter ansteigen, vermutet er. Schon zum jetzigen Zeitpunkt sei die Zahl der Klienten um rund zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. 2019 hatten sich 1704 Ratsuchende an die Caritas Suchthilfe gewandt. Mit Beginn des Lockdowns Anfang März sei man zunächst auf Telefonberatungen und digitale Kommunikation ausgewichen. „Wir haben aber festgestellt, dass dies auf Dauer nicht so gut funktioniert und die persönliche Beratung nicht ersetzen kann“, berichtet Willibald. Daher biete man jetzt auch wieder Präsenz-Beratungen an – natürlich unter strenger Einhaltung der geltenden Hygiene- und Abstandsvorschriften.
Es sei zu befürchten, dass angesichts neuer Kontaktsperren die allgemeine Suchtgefahr weiter steige. So wurden laut einer aktuellen Studie zum Konsumverhalten während des Lockdowns im Frühjahr zu Hause größere Mengen Alkohol getrunken und auch früher am Tag. Bei den illegalen Drogen verändern sich riskante Konsummuster und auch die Gefahr einer Onlinesucht oder Spielsucht sei nicht zu unterschätzen, warnt Willibald.