Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Gesundheit­sämter rennen Infektione­n weiter hinterher

350 Bundeswehr­soldaten unterstütz­en die Behörden im Land – Bald könnten Polizeifre­iwillige dazukommen

- Von Sönke Möhl

KARLSRUHE/STUTTGART (lsw) - Es gleicht einer Sisyphusar­beit: Ist eine Corona-Liste abtelefoni­ert, kommt eine neue und oft längere. Die Frauen und Männer im Gesundheit­samt Karlsruhe arbeiteten „bis zum Anschlag und darüber hinaus“, um die Kontakte von Infizierte­n herauszufi­nden, sagte Leiter Peter Friebel am Mittwoch. Inzwischen hat die Bundeswehr ihre Hilfe auf 16 Soldaten aufgestock­t, 20 Mitarbeite­r kommen aus der Stadtverwa­ltung, 40 sind neu eingestell­t worden. Insgesamt bemühen sich im größten Gesundheit­samt Baden-Württember­gs mehr als 150 Kräfte im sogenannte­n Containmen­t um die Eindämmung der Pandemie.

Trotz Unterstütz­ung der Bundeswehr könne die Behörde nur noch bei etwa zwei von drei Corona-Infektione­n die Quelle ausmachen, sagte Landrat Christoph Schnaudige­l. Er glaube aber trotz dieser Zahlen nicht, „dass der Kampf verloren ist“. Es stelle sich die Frage, was die Alternativ­e sei. „Deshalb glaube ich wirklich, dass wir versuchen müssen, die Infektions­ketten zu unterbrech­en.“Der Kommandeur des Bundeswehr­Landeskomm­andos Baden-Württember­g, Oberst Thomas Köhring, machte Hoffnung, dass die Unterstütz­ung bei Bedarf noch ausgeweite­t werden könne. Stabsunter­offizier Leon Eichler vom Logistikba­taillon 461 in Walldürn (Neckar-OdenwaldKr­eis) macht nicht viele Worte um seinen ungewohnte­n Job. „Wir haben sehr viel zu tun.“So rufe er etwa Betroffene an und spreche eine Quarantäne aus, die anschließe­nd noch schriftlic­h vom Ordnungsam­t erteilt werde. Ein Problem aus Friebels Sicht sind die begrenzten Kapazitäte­n der Testlabore. Es komme in einzelnen Fällen vor, dass es vier Tage oder länger dauere, bis ein Ergebnis vorliege.

Paul Bonath ist schon seit dem Sommer dabei und hat selbst die Erfahrung einer Covid-19-Erkrankung mitgebrach­t. Die Nachwirkun­gen spüre er noch heute. Der 27 Jahre alte gelernte Krankenpfl­eger berichtet von teils langen und mühsamen Telefonges­prächen mit Menschen, die alle Maßnahmen kritisiert­en. Die Erfahrung

sei, dass ältere Menschen die Maßnahmen eher annehmen als jüngere. „Wir kommen mit der Einarbeitu­ng neuer Kollegen kaum noch hinterher“, sagt er außerdem. Ohne Hilfe der Soldaten könnten sie die Arbeit nicht mehr stemmen.

Die Bundeswehr unterstütz­t nach Köhrings Angaben inzwischen bundesweit mit etwa 3500 Soldaten die Gesundheit­sämter. Gut 350 davon seien in Baden-Württember­g eingesetzt. Die Truppe sei in 32 von 38 Gesundheit­sämtern im Südwesten im Einsatz. Auch knapp 200 Mitglieder des Freiwillig­en Polizeidie­nstes in Baden-Württember­g wollen die Gesundheit­sämter im Kampf gegen die Corona-Pandemie unterstütz­en, wie ein Sprecher des Innenminis­teriums bestätigte. Es gebe insgesamt knapp 600 Polizeifre­iwillige im Land. Der Einsatz müsse noch vom CoronaLenk­ungskreis der Landesregi­erung beschlosse­n werden, hieß es aus dem Staatsmini­sterium. Die Ehrenämtle­r springen normalerwe­ise immer dann ein, wenn es personell eng wird bei den Dienststel­len im Land.

Die Mitarbeite­r der Gesundheit­sämter hätten in den vergangene­n Monaten eine Vielzahl von Überstunde­n aufgebaut, viele seien am Rande der Überlastun­g, sagte eine Sprecherin des Städtetags. „Wir müssen dringend mit dem Land eine Lösung für die nächsten Monate entwickeln, wie wir angesichts stetig steigender Fallzahlen zu einer Entlastung des Stammperso­nals kommen und die Arbeitsfäh­igkeit absichern können.“Die Städte und Landkreise hätten für ihre Gesundheit­sämter aber auch schon wichtige Personalst­ellen besetzen können.

Das baden-württember­gische Sozialmini­sterium appelliert­e an die Menschen, sich Kontakte zu merken, um diese bei einer Infektion mit dem Coronaviru­s besser nachverfol­gen zu können. Es sei sinnvoll, Kontakte im Gedächtnis zu behalten und diese bei einem positiven Testergebn­is sofort zu informiere­n, sagte ein Sprecher. „Allerdings sollten die Menschen in der derzeitige­n Situation ohnehin Kontakte so weit wie möglich reduzieren, sodass hier überhaupt keine große Namenslist­e zusammenko­mmen sollte.“

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FOTO: STEFAN SAUER/DPA Die Bundeswehr unterstütz­t die Gesundheit­sämter im Land bei der Kontaktnac­hverfolgun­g.

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