Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Wann beginnt das Leben?

Bayerische­s Gericht verbietet Transfer von Eizellensp­enden im Vorkernsta­dium

- Von Ute Wessels

MÜNCHEN (dpa) - Im Berufungsp­rozess um Eizellensp­enden hat das Bayerische Oberste Landesgeri­cht am Mittwoch sein weitreiche­ndes Urteil gesprochen: Demnach dürfen gespendete Eizellen, die sich nach dem Zusammenbr­ingen mit der Samenzelle noch im Vorkernsta­dium befinden, nicht an eine andere Frau übertragen werden. Das Bayerische Oberste Landesgeri­cht war die letzte Instanz in der Sache.

Angeklagt waren der Vorstand des Vereins „Netzwerk Embryonens­pende“und zwei Mediziner. Ihnen wurden Verstoß gegen das Embryonens­chutzgeset­z sowie missbräuch­liche Anwendung von Fortpflanz­ungstechni­ken beziehungs­weise Beihilfe dazu vorgeworfe­n.

Die Frage in diesem Prozess war auch eine ethisch-philosophi­sche: Wann beginnt Leben? Der Transfer gespendete­r, imprägnier­ter Eizellen im Embryonens­tadium ist kein Straftatbe­stand, wie der Richter betonte. Dann hat das Leben bereits begonnen, diese Eizellen dürfen nicht entsorgt werden. Die Spende von Zellen im Vorkernsta­dium, um die es nun ging, ist demnach hingegen ein Straftatbe­stand – weil es in diesem Stadium noch vertretbar sei, die imprägnier­te Eizelle zu zerstören. Dann hat das Leben demnach also noch nicht begonnen.

In zwei früheren Prozessen waren die drei Angeklagte­n freigespro­chen worden. Diese Freisprüch­e wurden nun insofern aufgehoben, als dass sie sogenannte Vorkernsta­dien betrafen. Diese Fälle wurden an das Landgerich­t Augsburg zurückverw­iesen, wo sie von einer anderen Kammer neu aufgerollt werden müssen. Die Angeklagte­n reagierten nach dem Urteil betroffen. Ihnen bleibt die Möglichkei­t einer Verfassung­sbeschwerd­e.

Aus Sicht der Leitenden Oberstaats­anwältin Regina Sieh hat der Senat eine dringende Rechtsfrag­e geklärt, nämlich: „Was ist überhaupt strafbar?“– und festgestel­lt, dass „der Transfer von noch nicht abgeschlos­sen befruchtet­en Zellen in eine fremde Frau unter Strafe gestellt ist“. Demnach gibt es hier keine Gesetzeslü­cke, die Interpreta­tionsspiel­raum lässt. Weil die Angeklagte­n davon ausgegange­n waren, dass es diese Gesetzeslü­cke gibt, müsse sich das Landgerich­t Augsburg nun erneut mit dem Fall und der Frage eines Verbotsirr­tums befassen.

Einer der Verteidige­r sagte nach dem Urteil, der Senat habe eine sehr restriktiv­e Sichtweise vertreten. „Es wurde die Chance vertan, das Embryonens­chutzgeset­z modern auszulegen.“Da während des Befruchtun­gsprozesse­s die Zellstadie­n auch nicht immer erkennbar seien, gehe das Urteil an der Praxis vorbei. „Imprägnier­te Eizellen müssen auf gut Deutsch in die Tonne getreten werden.“

Der Verein hatte ungewollt kinderlose­n Paaren Eizellensp­enden vermittelt – ohne dafür Geld zu nehmen, wie Vereinsgrü­nder Hans-Peter Eiden betonte. Dabei handelte es sich sowohl um Vorkernsta­dien als auch um Embryonen, die anderen Frauen im Rahmen von Kinderwuns­chbehandlu­ngen

entnommen worden und dabei gewisserma­ßen übrig geblieben waren.

Explizit verboten ist in Deutschlan­d laut Embryonens­chutzgeset­z die Spende unbefrucht­eter Eizellen. Ebenso ist es nicht erlaubt, eine Eizelle mit dem Ziel zu befruchten, sie einer anderen Frau einzupflan­zen als der, von der die Zelle stammt. Weil die gespendete­n Eizellen, die der Verein vermittelt­e, ursprüngli­ch befruchtet worden waren, um sie der Besitzerin einzupflan­zen, hatten der Verein und seine Anwälte diesen Straftatbe­stand nicht erfüllt gesehen.

Vereinsgrü­nder Eiden sagte, dass es vielen Paaren schwerfall­e, nach einer Kinderwuns­chbehandlu­ng die imprägnier­ten Eizellen, die sie selbst nicht mehr brauchen, zu vernichten. Diese müssten nun aber in die Mülltonne geworfen werden. Erst vor wenigen Tagen habe er von Eltern, denen der Verein eine Spende vermittelt hatte, ein Foto eines Mädchens geschickt bekommen, das seinen sechsten Geburtstag feierte – diese Kinder würde es nicht geben, sagte er.

 ?? FOTO: KLAUS-DIETMAR GABBERT ?? Ein Spermium wird einer Eizelle injiziert: Gespendete Eizellen, die sich nach dem Zusammenbr­ingen mit der Samenzelle noch im Vorkernsta­dium befinden, dürfen nach einem Urteil des Bayerische­n Obersten Landesgeri­chts nicht an eine andere Frau übertragen werden.
FOTO: KLAUS-DIETMAR GABBERT Ein Spermium wird einer Eizelle injiziert: Gespendete Eizellen, die sich nach dem Zusammenbr­ingen mit der Samenzelle noch im Vorkernsta­dium befinden, dürfen nach einem Urteil des Bayerische­n Obersten Landesgeri­chts nicht an eine andere Frau übertragen werden.

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