Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Biogasanla­ge: Anwohner fühlen sich belästigt

Lärm und Geruch stören – Betreiber erklären ihr Erweiterun­gsvorhaben im Gemeindera­t

- Von Jeanette Löschberge­r

ISNY - Hermann● Hofer und Claus Frey wohnen in Kleinhasla­ch in unmittelba­rer Nähe der Biogasanla­ge des Unternehme­ns Naturenerg­ie Isny. In ihrem Flugblatt, das mit „Uns stinkt’s“überschrie­ben ist, haben sie die Bedenken der Anwohner zusammenge­fasst. Hofer und Frey nahmen bei der Isnyer Gemeindera­tssitzung am vergangene­n Montag die Chance wahr, ihre Befürchtun­gen gegen die Erweiterun­g der Biogasanla­ge in puncto Immissione­n vorzutrage­n.

Außerdem beanstande­ten sie, erst am 23. September 2020 aus einer Mitteilung im Amtsblatt Kenntnis über die Erweiterun­gspläne bekommen zu haben. Die Einspruchs­frist endet am 27. November. Sie befürchten bei einer Verdoppelu­ng des Biomassedu­rchsatzes noch mehr Gestank und Lärm, sowohl durch anliefernd­e landwirtsc­haftliche Fahrzeuge und Lkw, als auch durch den Einsatz von Laubbläser­n, das Schlagen und Rütteln von Radladersc­haufeln und den Einsatz eines neuen Zwölf-Zylinder-Motors als Blockheizk­raftwerk.

Bürgermeis­ter Rainer Magenreute­r und Katharina Haug, zukünftige Bauamtslei­terin, erklärten vorab, dass die Stadt in diesem Fall nicht Genehmigun­gsbehörde sei. Das Regierungs­präsidium Tübingen sei für das laufende immissions­schutzrech­tliche Gutachten bei Vorhaben dieser Größenordn­ung zuständig. Das Biogaswerk habe von Anfang an eine Bemessungs­leistung von 2450 Kilowatt. „Daran können wir nicht rütteln“, erklärt Bernd Böck, Geschäftsf­ührer von Naturenerg­ie Isny. Er zeigte in seiner Präsentati­on, wo das dort erzeugte Biogas eingesetzt wird. Direkt auf dem Gelände der Biogasanla­ge wird demnach mit dem Gas ein Motor mit Generator angetriebe­n, der rund 500 Kilowattst­unden Strom produziert, der ins Netz eingespeis­t wird. Dieser Motor werde im Zuge der Modernisie­rung durch einen neueren Zwölf-Zylinder-Motor ersetzt, der ruhiger laufen wird, ist er überzeugt.

Gasleitung­en sind nach Neutrauchb­urg zu den Waldburg ZeilKlinik­en verlegt, wo ein Blockheizk­raftwerk die Reha-Kliniken mit Strom und Wärme versorgt. Ein Abzweig zur Biogastech­nik Süd versorgt einige Firmen im Gewerbegeb­iet. Außerdem steht ein Blockheizk­raftwerk auf dem Gelände der Evangelisc­hen Heimstiftu­ng beim Stephanusw­erk und beim Sennhof Halder in der Vorstadt. Gleichzeit­ig wird die Abwärme des BiogasBloc­kheizkraft­werks unter anderem zur Aufrechter­haltung des Gärprozess­es verwendet. In Zukunft soll mit dem Abgas eine zusätzlich­e Nachverstr­omungsanla­ge angetriebe­n werden, um die Effizienz zu steigern. Mit der Restwärme wird zukünftig zusammen mit der Abwärme der Firma Früchte Jork das Neubaugebi­et Mittelösch mit Wärme versorgt. Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“nennt Böck die Erweiterun­g eine zukunftsor­ientierte Investitio­n in eine regenerati­ve Landwirtsc­haft. „Wir schauen, dass wir alle mit ins Boot holen und alle davon profitiere­n.“

In der Biogasanla­ge wird aus Biomasse Strom und Wärme erzeugt. Da Biomasse rund um die Uhr verfügbar ist, im Gegensatz zu Energie aus der Sonne oder Wind, zudem flexibel einsetzbar und speicherba­r ist, kommt ihr eine bedeutende Rolle bei der Energiever­sorgung auf Basis erneuerbar­er Energien zu. Für die Energiesta­dt Isny ist die Bioenergie ein wichtiges Standbein. Beliefert wird die Biogasanla­ge von Landwirten aus einem Radius von rund 40 Kilometern um Isny. Etwa 20 bis 40 Fahrbewegu­ngen finden nach Aussage von Böck täglich am Standort am Weidachweg statt. Das können Lkw sein, aber auch Landwirte mit Traktoren.

Edwin Stöckle (SPD) fragte: „Wenn die Landwirte Gülle, Gras oder Mais anliefern, nehmen die auch wieder Dünger mit oder fahren sie leer wieder weg?“Bisher sei das öfter so gewesen, sagte Böck. Investiert worden sei aber bereits in zwei Container, die bei den Landwirten stehen können, in denen die Festund Flüssigsto­ffe getrennt werden. Sie werden nach der Leerung in der Biogasanla­ge mit dem entstanden­en Dünger gefüllt, sodass praktisch keine Leerfahren mehr entstünden. Die Transportm­enge pro Fuhre habe so von 9,9 Tonnen auf 14,9 Tonnen erhöht und damit die Zahl der Fahrten verringert werden können. Das Substrat wird in der Biogasanla­ge „Just-in-Time“angeliefer­t, lagert dort maximal drei Tage ausschließ­lich auf dem Gelände der Biogasanla­ge, dadurch werde die Geruchsbel­ästigung minimiert. Auch das Getreide, das eine gute Energieaus­beute ausweist, aber zur Geruchsemm­ission beigetrage­n hat, wird im Laufe der Zeit durch mehr Gras und Mais ersetzt.

Wichtig war Bernd Böck zu betonen, dass eine Steigerung der Lebensqual­ität durch Kreislaufw­irtschaft und Verminderu­ng der Emissionen im Umfeld stattfinde­n wird. Das heißt, der konzentrie­rte Dünger, den die Landwirte im Austausch

für Gülle und Mist erhalten, rieche kaum noch. Er nannte sogar eine Zahl: „Etwa 95 Prozent weniger Geruchsbel­astung als beim Ausbringen der Gülle.“Die jüngsten Beschwerde­n wegen Geruchsbel­ästigung seien alle auf das „Beschütten“zurückzufü­hren und kämen nicht von der Biogasanla­ge. Obwohl einige der Bedenken von Böck erklärt werden konnten, brachte Rainer Leuchtle (FW), der Ortsvorste­her von Großholzle­ute, es eindrückli­ch auf den Punkt: „Ihr müsst das Geruchspro­blem auf der Anlage in den Griff kriegen und die Anwohner ernst nehmen. Arbeitet ein Konzept aus.“

Böck sei bewusst, dass sie noch „Hausaufgab­en“haben. Bei der Anlieferun­g der Biomasse möchten sie zukünftig strengere Maßstäbe ansetzen. Mit einer Präsentati­on des erarbeitet­en Konzepts im Technische­n Ausschuss solle weitere Transparen­z für die Anwohner geschaffen werden. Außerdem lädt Böck die Anwohner zu einem Besichtigu­ngstermin auf die Anlage ein, sobald die Corona-Lage das wieder zulasse. Bürgermeis­ter Magenreute­r schlug die Gründung eines Anwohnerbe­irats vor, um noch mehr Entgegenko­mmen für die betroffene­n Bürger zu zeigen und erklärte: „Wir werden den Prozess weiter begleiten.“

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FOTO: JEANETTE LÖSCHBERGE­R Bernd Böck zeigt einen der modernen Container, in denen die Biomasse zur Biogasanla­ge im Isnyer Weidachweg geliefert wird.

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