Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Corona-Wert im Kreis Lindau liegt über 200
53 neue Fälle – Ansteckung oft ungeklärt – Ein Covid19-Patient liegt auf der Intensivstation
LINDAU - Lindau entwickelt sich zu einem der Corona-Hotspots in Bayern. Die Sieben-Tage-Quote ist auf über 200 gestiegen. Ein Covid19-Patient liegt auf der Intensivstation.
53 neue Coronafälle meldet das Bayerische Landesamt für Gesundheit am Mittwoch. Damit steigt die Sieben-Tage-Inzidenz (gerechnet auf 100000 Einwohner) auf 212,2. Nur acht Landkreise und kreisfreie Städte in Bayern hatten in der vergangenen Woche mehr Neuansteckungen. Beunruhigend ist dabei nach wie vor, dass es nicht einen großen Infektionsherd gibt, sondern sehr viele kleine. Die Fachleute sprechen vom diffusen Infektionsgeschehen.
Und viele dieser Ansteckungsherde sind unbekannt. Bereist in der vergangenen Woche hatten Landrat Elmar Stegmann und der für das Gesundheitsamt verantwortliche Jurist Tobias Walch davon gesprochen, dass bei der Hälfte der Ansteckungen unbekannt bleibe, wo die Infektion herrührt. Auf Anfrage der LZ weist das Landratsamt zudem den Verdacht zurück, dass die hohe Zahl auf einen Stau bei den Testergebnissen zurückzuführen sei. Warum der Landkreis Lindau so viel mehr betroffen ist als andere Regionen, darüber will Landrat Stegmann nicht spekulieren. Dass er nicht glücklich ist über die Entscheidung, Einkäufer und Ausflügler aus Vorarlberg wieder nach Lindau zu lassen, hatte Stegmann bereits vor ein paar Tagen gesagt.
Stegmann hofft, dass der seit Montag geltende Teil-Lockdown zu einer Besserung führt. Spüren wird man erste Folgen frühestens in der kommenden Woche, weil die aktuellen Zahlen wegen Ansteckung und dem Warten auf Testergebnisse immer das Infektionsgeschehen vor etwa einer Woche spiegeln. Der Landrat hofft, dass die Menschen im Landkreis ihre Kontakte so weit wie möglich einschränken. Nur so ließen sich weitere Ansteckungen verhindern. Wie lange es dauern wird, bis die Coronazahlen im Landkreis Lindau wieder aus dem dunkelroten und vielleicht sogar aus dem roten Bereich fallen, dazu könne er nichts sagen.
Klar ist aber, dass die steigende Zahl der Ansteckungen auch wieder zu einer größeren Zahl an wirklich kranken Menschen führt. Denn die Statistiken zeigen, dass zunehmend wieder Menschen jenseits der Altersgrenze von 60 betroffen sind, die zur besonderen Risikogruppe zählen. So nimmt in der Region die Zahl derer zu, die ins Krankenhaus müssen. Im Landkreis liegt derzeit ein Coronapatient auf der Intensivstation.
Die Zahlen über die Lage in den Kliniken sind im Internet deutschlandweit für jedermann verfügbar.
Auf der Seite intensivregister.de de der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und des RobertKoch-Instituts lässt sich ablesen, dass am Mittwoch um 12 Uhr die beiden Kliniken in Lindau und Lindenberg 16 Betten auf ihren Intensivstationen gemeldet haben. Davon waren zu diesem Zeitpunkt fünf Betten belegt, davon in Lindenberg eines mit einem Corona-Patienten, der zum Glück keine Beatmung benötigte. In Lindau lag am Dienstag ein CoronaPatient, der aber nicht auf die Intensivstation musste.
Diese Zahl ist damit konstant, denn einen auf der Intensivstation behandelten Corona-Patienten meldet das Intensivregister bereits seit einigen Tagen. Die Zahl allein sagt allerdings wenig aus. So ist beispielsweise nicht bekannt, ob es sich seit Tagen um den gleichen Patienten handelt. Außerdem kann sich solch eine Lage schnell ändern, wie das Beispiel Vorarlberg zeigt. So spricht Landeshauptmann Markus Wallner von einer „angespannten Lage“. Fachleute warnen, das die Intensivstationen zum Ende des Monats überlastet würden, wenn die Zahl der Neuinfektionen jetzt nicht zurückgeht. Von 51 zur Verfügung stehenden Intensivbetten waren am Dienstagmittag 26 mit Corona-Patienten belegt. Das hat zur Folge, dass die Kliniken jetzt andere Operationen absagen, um Betten frei zu halten. Es finden nur noch dringend notwendige OPs statt.
So sehen sich Asklepios Klinik Lindau und Rotkreuzklinik Lindenberg grundsätzlich gut vorbereitet für die zweite Corona-Welle. Allerdings gehöre dazu auch das Wissen, dass sich die Lage an den Krankenhäusern täglich ändern könne, wie Monisha Das, Sprecherin des Lindenberger Krankenhauses, auf Anfrage des Westallgäuers erläutert: „Wo heute noch kein Patient behandelt wird, können morgen bereits mehrere Patienten zu versorgen sein.“Umgekehrt könnten aber auch Intensivbetten „plötzlich und medizinisch nicht vorhersehbar“frei werden.
Das gilt dann, wenn Patienten genesen und deshalb die Intensivstation verlassen können. Das gilt aber auch, wenn Patienten wegen eines schweren Verlaufs in eine Schwerpunktklinik verlegt werden. So kam eine Lindauerin in der vergangenen Woche von Lindau aus ins Krankenhaus nach Immenstadt, das als Schwerpunktklinik für Corona-Patienten gilt.
Dort war die Beatmung besser gesichert als in Lindau. Denn das Krankenhaus Immenstadt verfügt laut Intensivregister über die Möglichkeit der extrakorporalen Oxygenierung, die Maschine kann also ganz oder teilweise die Atemfunktion übernehmen.
Corona-Patienten aus dem Landkreis sind auch in andere Kliniken der Region verlegt worden. Deshalb lohnt sich ein Blick in die benachbarten Landkreise. So meldet Ravensburg am Mittwochmittag acht Corona-Patienten auf Intensivstationen, von denen fünf beatmet werden müssen. Im Bodenseekreis sind drei Corona-Patienten auf einer Intensivstation, im Oberallgäu und in Kempten jeweils einer.
Während die Rotkreuzklinik keine Zahlen zur Ausstattung ihrer Intensivstation nennt, verfügt die Asklepios Klinik Lindau laut Pressesprecher Christopher Horn über neun Betten. Dabei handele es sich um Intensivbehandlungsplätze und sogenannte Intermediate Care Plätze (IMC), die als Bindeglied zwischen Intensiv- und Normalstation gelten. Grundsätzlich fühlen sich die Kliniken nach den Worten ihrer Sprecher gut vorbereitet, wenn in der zweite Corona-Welle auch im Kreis mehr Menschen behandlungsbedürftig werden sollten.
Wie berichtet, hat Horn bereits vor einigen Wochen erklärt, dass Askelpios in Lindau Kapazitäten in der Intensivstation ausgebaut und zusätzliche Beatmungsmöglichkeiten geschaffen habe. Der Sprecher geht davon aus, dass ausreichend Personal zur Verfügung steht, weil Mitarbeiter aus anderen Abteilungen auf der Intensivstation eingesetzt werden.