Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Wie modernste Technik Kids mit Behinderung hilft
Die Schule St. Christoph in Zußdorf beschreitet im neuen Gebäude zukunftsweisende Wege
WILHELMSDORF - Für Schüler mit Behinderungen können digitale Hilfsmittel eine große Unterstützung sein. Der Begriff der „unterstützten Kommunikation“, kurz UK genannt, ist im sonderpädagogischen Bereich eine Standardgröße. Die Schule St. Christoph in Zußdorf hat es sich zum Ziel gesetzt, die vielfältigen Möglichkeiten rund um diesen Begriff mit modernsten technischen Ausstattungen auf ein höheres Niveau zu bringen. Möglich wird dies erst durch einen funktionsgerechten Neubau der Schule. Das Zehn-Millionen-Euro-Projekt wurde kürzlich offiziell seiner Bestimmung übergeben. In die neuen Räume ist mediale Technik vom Feinsten eingebaut, einschließlich schnellen Internets über Glasfaseranbindung.
Stolz führt Lehrerin Shelley Pfender mit dem mehrfach schwerbehinderten und geistig beeinträchtigten Tom in einem Klassenzimmer der neu gebauten Schule die moderne Technik vor. In allen 14 Klassenzimmern sowie im Lehrerzimmer gibt es große elektronische Wandtafeln. Außerdem gibt es ein mobiles Gerät, das in anderen Räumen genutzt werden kann. Auf diesen Tafeln lassen sich Datenmaterial, Präsentationen oder Zeitungsartikel darstellen und damit in den Unterricht einbeziehen. Die Tafeln sind ins WLAN-Netz einbezogen und haben Internetanschluss.
Über Tablets an ihrem Arbeitsplatz können die Schüler über die Tafeln mit kommunizieren und Aufgaben lösen. Tom ist es sogar möglich, einen Kochwunsch für die im Zimmer eingebaute Küche zu äußern. Mit seinem Gerät gelingt es ihm, den Mixer in der Hand von Rektorin Romana Urban in Gang zu setzen. Aber auch grafische Spielereien sind in ganzer Farbenpracht möglich. Dass die Arbeit mit den modernen Medien Tom Spaß bereitet, ist daran zu erkennen, dass sich seine Körperhaltung strafft und er angestrengt das Geschehen auf den Bildschirmen verfolgt.
Jenseits der Unterrichtseinheiten wurde eine Info-Zentrale eingerichtet. Rein durch eine Berührung des jeweiligen Punktes können Informationen zu den Themen Wetter, Speiseplan, Uhrzeit, Gebärdensprache oder Geburtstage von Schülern eingeholt werden. Angeschlossen ist eine Bildergalerie über das Schulleben. Mit Zeichnungen und Sprache sind die Infos zu verstehen. Nicht zuletzt gibt es zusätzlich eine Wand mit einer Personentafel. Hier erscheinen alle Schüler und Lehrer. Durch drücken auf einen Knopf unter den Bildern
wird die Ansage des Namens und der Schulstufe ausgelöst.
Zumindest in Oberschwaben und dem südlichen Baden-Württemberg dürfte es wenige vergleichbare Einrichtungen geben, die sich mit der Schule St. Christoph mit ihren jetzt modernsten Mitteln für unterstützende Kommunikation messen können. Hier nimmt dieses sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentrum der St.-Jakobus-Stiftung eine Vorreiterrolle ein. Um diese Stellung weiter zu stärken wurde beim Ministerium für Soziales und Integration ein Antrag gestellt, vom Förderprogramm „Impulse Inklusion“berücksichtigt zu werden. „Es geht uns darum, die Unterrichtsformen und die Förderung der Schüler mit den neuen Möglichkeiten weiterzuentwickeln. Außerdem wollen wir zusammen mit anderen Pädagogen die Möglichkeiten digitaler Hilfsmittel und Medien für den Unterricht gerade für Schüler und Schülerinnen mit Behinderungen erschließen“, sagt Helmut Müller, Gesamtleiter St. Jakobus, beim Besuch der „Schwäbischen Zeitung“.
Schulleiterin Romana Urban sieht es als Ziel der Arbeit in der Schule St. Christoph, dass die unterstützte Kommunikation ganz neu aufbereitet und erlebbar gemacht wird. „Schließlich ist Sprache das Medium, das die Menschen verbindet.“Und gerade die betreuten Kinder und Jugendlichen haben bedingt durch ihre Behinderungen oft eine sehr undeutliche Sprache. Hier soll die Technik vermittelnd genutzt werden, um neue Verständigungsmöglichkeiten zu schaffen. Um dies zu erreichen, wurde viel Geld in die Hand genommen. Laut Romana Urban wurden rund 140 000 Euro in die Kommunikationstechnik investiert. Dazu kamen etwa 80 000 Euro für das Verlegen der EDV-Leitungen in alle Klassenzimmer. Oliver Vogel als UK-Berater wählt die jeweiligen Hilfsmittel für die individuelle Förderung der Kinder und Jugendlichen aus, mit denen auch die Sprachkompetenz erweitert werden kann. Eingebunden ist das ganze Kollegium, bestehend aus Sonder- und Heilpädagogen, Fachlehrern, Erziehern, Physiotherapeuten und betreuenden Kräften. In den vernetzten Unterrichtseinheiten sollen die vorhandenen Ressourcen der Schüler freigelegt und die individuellen Fähigkeiten gestärkt werden. Damit wird die geistige, körperliche und motorische Entwicklung gestärkt, das wesentliche Ziel der Arbeit in St. Christoph. Die derzeit 80 internen und 20 externen Schüler werden von 49 Lehrerkräften mit Therapeuten betreut, viele von ihnen sind Teilzeitkräfte.