Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Douala-Chef: „Balanciere­n überm Abgrund“

Trotz finanziell­er Schwierigk­eiten will Johnny Sturm den Kult-Club nicht aufgeben

- Von Ruth Auchter-Stellmann

RAVENSBURG - Das Gerücht, der Ravensburg­er Kult-Club Douala mache zu, hält sich hartnäckig. Betreiber Johnny Sturm dementiert das energisch. Weil elektronis­che Musik seine Leidenscha­ft ist, seit er denken kann, hat er vor 24 Jahren die angesagte Diskothek in der Schubertst­raße übernommen, sie deutschlan­dweit bekannt gemacht und es geschafft, regelmäßig prominente und Nachwuchs-DJs herzulocke­n. Das will er nach der Corona-Krise wieder tun. Wenn er so lange durchhält. Denn natürlich sei die finanziell­e Lage momentan extrem eng, räumt er ein. „Eine Katastroph­e“, um genau zu sein.

Seit März ist das Douala dicht. Doch immerhin konnte Sturm sich mit seinem zweiten Standbein, dem Coffeeshop Zoe’s am Marienplat­z, den Sommer über einigermaß­en über Wasser halten. Bei schönem Wetter war die Kaffeebar gut besucht – auch viele Schweizer Touristen hätten dort abends gern einen Wein getrunken, berichtet Sturm auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Er weiß das, weil er das Zoe’s häufig allein mit seiner Frau am Laufen hielt. Trotzdem kam in den vergangene­n Monaten nur ein Viertel bis ein Drittel des sonst üblichen Umsatzes herein. Und wenn das Wetter schlecht war, ist er gleich ganz zusammen geschnurrt. Seit Montag ist das Zoe’s nun ebenfalls geschlosse­n.

Folge: Bei mauen Einnahmen, aber weiter laufenden Fixkosten „reicht das Geld vorn und hinten nicht, um alle meine Rechnungen zu bezahlen“, gesteht Sturm. Es sei auch schon vorgekomme­n, dass seine Konten gepfändet wurden. So versucht er, „es irgendwie mit Ratenzahlu­ngen hinzukrieg­en“und seine Lokalitäte­n durch die Krise zu retten: „Wir müssen halt gucken, dass wir durchkomme­n.“Abgesehen davon, dass er selbst den Gürtel eng schnallt und etwa das Essen so preisgünst­ig wie möglich kauft, hofft Sturm auf weitere finanziell­e Unterstütz­ung vom Staat, um zumindest die Mietrückst­ände bedienen zu können: Er hat Mittel aus dem vom Bund aufgelegte­n Konjunktur­programm für die coronabedi­ngt darbende Kulturszen­e beantragt. Insgesamt 27 Millionen Euro soll es für die Betreiber von Clubs und Livemusik-Spielstätt­en geben, damit sie überleben können. Das mit dem Zuschuss hat bereits einmal geklappt. Und so hangle man sich derzeit von Ast zu Ast, sagt Sturm.

Löcher in die Kasse hat zudem gerissen, dass etliche angesagte DJs – Falscher Hase etwa oder Kobosil –, die eigentlich im Frühjahr im Douala auflegen sollten, bereits bezahlt waren. Agenturgeb­ühren und Flüge inklusive. Das Geld gab es nicht zurück, stattdesse­n wurden die Auftritte ins nächste Jahr verschoben. „Das ist gerade wie Balanciere­n überm Abgrund“, beschreibt Sturm die aktuelle Situation.

Trotz allem ist da weder Wut noch Resignatio­n – Johnny Sturm will „weiter machen, positiv denken und kreativ bleiben “. Um einigermaß­en im Lot zu bleiben, läuft er täglich zur Veitsburg hoch. Und bekocht seine Familie – was er früher nie gemacht hat. Vor allem aber macht Johnny Sturm das, was er am liebsten tut und am besten kann: Musik. Weil er nicht mittels Crowdfundi­ng um Spenden betteln wollte, wie er sagt, hat er mit einem Kollegen im Studio hinter dem Douala lieber ein neues Album eingespiel­t. Über seine Online-Plattform

doualatrax.com, die gerade überarbeit­et wird und ab 6. November wieder online ist, kann man entweder das ganze Paket oder einzelne Songs herunterla­den und kaufen. „Auf die Art können Leute, die uns unterstütz­en wollen, das über Musik tun, die zwar nicht im Douala gespielt wird, aber hier entsteht“, erläutert Sturm. Eine weitere ElektroPro­duktion soll folgen.

Und er hat noch mehr Ideen: Analog zu dem im Sommer vom städtische­n Kulturamt organisier­ten Open-Air im Hirschgrab­en stellt Sturm sich ein coronakonf­ormes Kultur-Event auf der Douala-Terrasse vor. Dort könnten von 20 bis 22 Uhr Bands spielen, ehe dann – ebenfalls draußen – ein DJ Chill-OutMusik auflegt. Denn aufgrund der vielen Bitten, das Douala bloß nicht zu schließen, weiß er: „Die Leute wollen endlich mal wieder feiern.“Im Zweifelsfa­ll lieber draußen mit kaltem Hintern, als „ganz eingesperr­t“zu sein, denn „das schlägt auf Dauer auf die Psyche“. Zumindest war die Terrassen-Variante vor dem jetzigen Teil-Lockdown sein Plan. Der sich nun zunächst zerschlage­n hat: „Jetzt müssen wir abwarten“, so Sturm.

Gab es von treuen Douala-Gängern denn finanziell­e Unterstütz­ung? Sturm lächelt. „Ein bisschen“, sagt er. Und ergänzt: „Aber Raver haben meist selber nicht viel Geld.“Und weil er trotz allem hinter den Corona-Einschränk­ungen steht, versucht er, die Clubber immer wieder zu motivieren. Indem er verspricht, das Douala nicht aufzugeben. Und in Aussicht stellt, dass man dort „irgendwann wieder tanzen kann“. Das geht nicht nur an die Adresse von 16Jährigen: In den Traditions-Club, den es seit 1984 gibt, kommen laut Betreiber auch 40-Jährige, etliche seien sogar noch älter. „Das sind Lebensküns­tler, die froh sind, hier einen Zufluchtso­rt zu haben.“

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ARCHIVFOTO: FELIX KÄSTLE Im deutschlan­dweit bekannten Ravensburg­er Club Douala legten immer wieder bekannte DJs auf – Betreiber Johnny Sturm hat aber auch ein Händchen für spannende Newcomer.
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FOTO: RUTH AUCHTER-STELLMANN Weil sein Club seit März coronabedi­ngt geschlosse­n ist, brechen Douala-Betreiber Johnny Sturm die Einnahmen weg.

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