Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Der Meistertor­schütze hofft auf Maßarbeit

Seinen größten Eishockeym­oment hat Steffen Ziesche als Krefelder erlebt, jetzt kehrt er als Bundestrai­ner auf Zeit zurück

- Von Joachim Lindinger

KREFELD - Die Maßarbeit geriet meisterlic­h am Ostermonta­g 2003 – fünftes, entscheide­ndes Finalspiel der Deutschen Eishockey Liga (DEL), Schlussmin­ute: Die Kölner Haie, 1:2 in Rückstand und in Überzahl, haben Torhüter Chris Rogles vom Eis genommen, drängen gegen Krefelds Pinguine mit Macht auf den Ausgleich. Da rackert sich der Gästespiel­er mit der Rückennumm­er 8 an die Scheibe; Drehung, Blick und Schuss sind eins, haarscharf rechts neben dem linken Pfosten findet das Spielgerät sein verwaistes Ziel. 1:3, konsternie­rte HaieFans, Chöre stattdesse­n in SchwarzGel­b: „Es war ein Ziesche-Tor.“

Steffen Ziesche lächelt. 48 ist er mittlerwei­le, und aus dem soliden, stets verlässlic­hen Außenstürm­er mit 492 Einsätzen in DDR-Oberliga, Bundesliga und DEL (45 Tore, 96 Assists) ist längst ein Eishockeyt­rainer geworden. Kein schlechter offenbar: Beim Deutschlan­d-Cup von Donnerstag bis Sonntag vertritt Steffen Ziesche den positiv auf das Coronaviru­s getesteten Bundestrai­ner Toni Söderholm. In Krefelds Yayla-Arena. Da schließt sich ein Kreis. Merke: „Ich hab’ noch viele Bekannte und Freunde hier. Krefeld ist immer wieder ’ne Reise wert.“

Auch wenn die anders geplant war. Seit Mai vergangene­n Jahres steht Steffen Ziesche beim Deutschen Eishockey-Bund

(DEB) als hauptamtli­cher Trainer der U18 auf der Gehaltslis­te. Als solcher war der Sohn der Ostberline­r Eishockey-Legende Joachim Ziesche beim 31. Deutschlan­d Cup neben U20-Übungsleit­er Tobias Abstreiter fürs Coaching des Top Teams Peking vorgesehen, einer Perspektiv­mannschaft mit Spielern der Jahrgänge 1996 bis 2003, neben Lettland Turniertei­lnehmer Nr. 3. Seine Beförderun­g auf Zeit sieht Steffen Ziesche sachlich-pragmatisc­h: „Wir waren auf solche Szenarien vorbereite­t.“Und so gebrieft, „dass wir dann füreinande­r einspringe­n können. Wir sind alle nicht davor gefeit, das kann jedem passieren.“

Abhaken, auf die Aufgabe konzentrie­ren. Bei der wird Steffen Ziesche von Thomas Popiesch unterstütz­t, der übers Jahr bei den Fischtown Pinguins Bremerhave­n das Sagen an der Bande hat. Beratend dabei sind zudem Ville Peltonen, als Spieler NHL-erprobt, als Trainer zuletzt beim HC Lausanne, und – Toni Söderholm. Moderne Kommunikat­ionstechni­k macht’s möglich. Trotz häuslicher Quarantäne. Steffen Ziesche: „Wir haben natürlich ’nen total engen Austausch mit dem Toni. Toni kann Training schauen, wir telefonier­en permanent miteinande­r, bringen die Ideen zusammen und arbeiten natürlich nach Tonis Vorgaben und Vorstellun­gen.“Selbst in den Drittelpau­sen wären so Korrekture­n möglich.

Ob es die braucht? Gegen die – gewiss hochmotivi­erte – nächste DEBGenerat­ion

(Yannic Seidenberg, mit 170 Länderspie­len dienstälte­ster Nationalsp­ieler: „Wir wollen natürlich alle zeigen, dass wir noch hierher gehören und nicht die jungen Wilden“), gegen Lettlands Auswahl (ohne die Akteure von KHL-Club Dinamo Riga)? Die „Wertigkeit“des Turniers sei „nicht zu unterschät­zen“, sagt Steffen Ziesche mahnend. Und: „Wir wollen wirklich gute Spiele zeigen.“

Trotz coronabedi­ngt teilweise acht Monaten Wettkampfp­ause. Nein: gerade wegen coronabedi­ngt teilweise acht Monaten Wettkampfp­ause. Die Eindrücke aus den täglich zwei recht fordernden Eiseinheit­en? Steffen Ziesche lächelt. „Die Jungs sind absolut happy, hier sein zu dürfen, auf dem Eis zu sein, in der Mannschaft zu trainieren. Es ist wirklich unglaublic­h, wie sie mitmachen, wie engagiert sie sind. Die haben einfach richtig Bock, hier zu sein und zu spielen.“

Beste Voraussetz­ungen für Maßarbeit. Siebzehnei­nhalb Jahre nach d-e-m Ziesche-Tor schlechthi­n.

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FOTO: PIUS KOLLER/IMAGO IMAGES Nationalma­nnschaft statt U18: Steffen Ziesche.

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