Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Der Schaumschl­äger

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Man stelle sich vor: Beim morgigen Fußballspi­el zwischen Bayern München und Borussia Dortmund steht es in der 78. Minute 1:1 unentschie­den. Da brüllt BayernChef Karl-Heinz Rummenigge in Richtung Schiedsric­hter: „Aufhören! Abpfeifen! Das reicht uns, wir gewinnen sowieso!“Würden wir uns da nicht alle an den Kopf langen? Am Mittwoch hat Donald Trump genau das getan. Die Reaktionen in unseren Medien fielen dann auch dementspre­chend aus.

Es ist nicht ohne Reiz, sich einmal Begriffe genauer anzuschaue­n, die angesichts dieser Ungeheuerl­ichkeit zu Recht bemüht wurden.

Es grenze an den Versuch eines von Tweets befeuerten Staatsstre­ichs, war da zu hören. Das Wort Streich allein klingt einerseits harmlos – ein Schabernac­k, wie in Schelmenst­reich. Oder man denkt an die Mama, die ihrem Kind übers Haar streicht, oder an die Streicher im Orchester. Aber anderersei­ts hatte streichen früher auch die Nebenbedeu­tung schlagen, und dieser brachiale Hintergrun­d lebt weiter in Begriffen wie Backenstre­ich, Handstreic­h und eben Staatsstre­ich.

Nebenbei erwähnt: Das Wort Putsch, das aus dem Schweizerd­eutschen zu uns kam, geht genau in diese Richtung. Es heißt Stoß, Zusammenpr­all, Knall.

Einen Knalleffek­t hatte Trumps vorschnell­e Siegerpose durchaus. Vielen Beobachter­n stockte der Atem ob der eines Staatsmann­s unwürdigen Heimtücke. Auch dieses Wort Tücke – abgeleitet aus mittelhoch­deutsch tuc – bedeutete ursprüngli­ch Schlag, Stoß, Streich. Und als tucke dann mit abwertende­n Wörtern wie etwa unartig verbunden wurde, war der Weg zur heutigen Bedeutung von Heimtücke vorgezeich­net: Verschlage­nheit, Arglistigk­eit. Und dieses Heim- am Anfang spielt auf die heimliche, hinterhält­ige Vorbereitu­ng solcher Angriffe an.

Welche Niedertrac­ht treibt jemanden um, der als Führer der größten Demokratie der Welt versucht, die demokratis­chen Spielregel­n

derart ad absurdum zu führen, das fragt man sich seit Mittwoch allerorten. Niedertrac­ht ist sprachgesc­hichtlich verwandt mit sich betragen. Wenn man sich dabei auf sehr niedriges Niveau begibt, schauen die anderen auf einen herab, und so gilt niederträc­htig heute als Synonym für gemein, verachtens­wert. In dieselbe Kategorie gehört ruchlos. Das hat nichts mit Geruch zu tun, wie man aus gegebenem Anlass meinen könnte – dieses US-Schmierent­heater stinkt ja in der Tat bis zum Himmel. Ruohha ist vielmehr ein uraltes Wort aus dem 8. Jahrhunder­t für Fürsorge, Beachtung. Und wer es daran fehlen lässt, ist ruchlos, also bar jedes Gefühls für Anstand –

Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

bis hin zur Gewissenlo­sigkeit.

Die Liste ließe sich leicht verlängern. Nur noch so viel: Auch abgefeimt passt in diesen unrühmlich­en Kontext. Interessan­terweise war es ursprüngli­ch positiv gemeint. Von Abfeimen – feim althochdeu­tsch für Schaum – sprach man, wenn der Schaum von einer Flüssigkei­t abgeschöpf­t wurde, etwa der unreine Film von einer Glasschmel­ze. Damit wurde abfeimen zu raffiniere­n – und da war es dann nur noch ein kleiner Schritt zu unserem raffiniert im Sinn von gerissen, durchtrieb­en, hinterlist­ig. Apropos Schaum: Wer hat nicht zwischendu­rch geschäumt bei all den Nachrichte­n aus den USA! Im Augenblick schäumt aber vor allem einer: der notorische Schaumschl­äger Donald Trump.

 ?? FOTO: MGM/ IMAGO IMAGES ?? So kennt man ihn – lässig an der Bar mit einer schönen Frau: James Bond (Daniel Craig) kehrt in „No Time to Die“aus dem Ruhestand zurück. Mit Paloma (Ana de Armas) kämpft er gegen den Bösewicht Safin, gespielt von Rami Malek, der die Welt mit neuer Technologi­e erpressen will.
FOTO: MGM/ IMAGO IMAGES So kennt man ihn – lässig an der Bar mit einer schönen Frau: James Bond (Daniel Craig) kehrt in „No Time to Die“aus dem Ruhestand zurück. Mit Paloma (Ana de Armas) kämpft er gegen den Bösewicht Safin, gespielt von Rami Malek, der die Welt mit neuer Technologi­e erpressen will.
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Rolf Waldvogel

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