Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Neuer Geh- und Radweg wird eine Lücke haben
So laufen Flächenverhandlungen mit Kreis und Stadt ab – Warum eine Familie sich gegen den Verkauf entschied
HINZNANG/REGION - Für den Neubau oder die Erweiterung von Straßen und Radwegen sind Landkreis und Kommunen regelmäßig darauf angewiesen, dass ihnen Bürger die dafür benötigten Flächen verkaufen. In den meisten Fällen klappt das. Neben Geldleistungen kommen bei den entsprechenden Verhandlungen auch alternative Lösungen, wie etwa ein Flächentausch, infrage. Welche Folgen es haben kann, wenn Bürger und Behörden sich nicht einigen, zeigt ein aktuelles Beispiel aus Hinznang.
Im Zuge des Ausbaus der Kreisstraße zwischen Hinznang und Frauenzell wird auch ein neuer Geh- und Radweg gebaut. Die dafür nötigen Flächenverhandlungen mit den Anwohnern entlang der Strecke gingen bereits vor mehreren Jahren über die Bühne. Einmal allerdings ohne erfolgreichen Abschluss. Die Familie Brauchle, deren Grundstück zentral in Hinznang liegt, hat sich gegen einen Verkauf der benötigten Fläche entschieden.
Der Hauptgrund, erzählt Rosemarie Brauchle, sei gewesen, dass sie Angst vor den finanziellen Risiken hatten. Denn der Bauträger, in diesem Fall das Landratsamt, hätte im Zuge der Baumaßnahmen zwar den bestehenden Erdwall, der ihnen als Sicht- und Lärmschutz dient, auf Amtskosten für eine hohe fünfstellige Summe umgebaut. Dauernder Unterhalt und Baulast wären aber bei der Familie als Grundstückseigentümerin geblieben. Was, so Brauchle, wenn in ein paar Jahren Instandhaltungsarbeiten anstehen oder etwa ein ausländischer Fahrer ohne ausreichenden Versicherungsschutz in den Wall fährt?
Eine Konsequenz daraus ist nun, dass der Geh- und Radweg entlang des Grundstücks eine Lücke aufweisen wird. „Ein Fußgänger und Radfahrer benützt den Geh- und Radweg von der L 319 an bis zur besagten Stelle. Dort wechselt er wie bisher auf die Fahrbahn der K 8023, um anschließend wieder auf dem Fuß- und Radweg weiterzukommen, und umgekehrt. Bergabwärts fließt der Radfahrer im Verkehr mit. Außerhalb der Ortslage, in Richtung Frauenzell, ist der Rad- und Gehweg durchgehend vorhanden“, schildert Franz Fugel vom Straßenbauamt die zukünftige Situation.
Eine weitere Folge der gescheiterten Flächenverhandlungen aber dürfte sowohl für die Familie Brauchle als auch die Nachbarschaft fast noch dramatischer sein: Für den sozialen Frieden innerhalb der Dorfgemeinschaft, wo zahlreiche angrenzende Grundstücke von den Bauarbeiten betroffen sind, ist diese klaffende Lücke im Geh- und Radweg alles andere als förderlich. Auch deswegen hat sich Rosemarie Brauchle entschieden, den Weg in die Öffentlichkeit zu gehen, und zu erklären, warum sie nicht verkauft haben.
Grundsätzlich, so Fugel, würden solche Flächenverhandlungen nur sehr selten nicht mit einem erfolgreichen Abschluss enden. „Wir versuchen die Grunderwerbsangelegenheiten auf Augenhöhe und im guten Einvernehmen mit den Eigentümern zu besprechen. Wir gehen, so gut es möglich ist, auf die Belange und Wünsche der Eigentümer ein“, beteuert er.
In der Regel werden die Eigentümer dabei durch eine Geldleistung entschädigt, erklärt Thomas Stupka von der Stadtverwaltung Leutkirch. Für den Quadratmeterpreis gebe es einen Grundsatzbeschluss des Gemeinderats. „Es wird im Innenbereich ein Wert gezahlt, der in einem bestimmten Verhältnis zu voll erschlossenem Baulandwert steht, im Außenbereich in einem bestimmten Verhältnis zum Wert landwirtschaftlicher Grundstücke“, so Stupka.
Konkret werde das Verhältnis je nach Art und Nutzbarkeit des Grundstücks festgelegt und bewege sich im Innenbereich bei etwa 25 Prozent des durchschnittlichen voll erschlossenen Baulandwertes beziehungsweise bei etwa 150 Prozent des Grünlandwertes im Außenbereich. „Allerdings gibt es teilweise Zuschläge, wenn sich ein landwirtschaftliches Grundstück beispielsweise in der Nähe des Hofs befindet. Grundsatz ist aber immer, dass vergleichbare Grundstücke auch vergleichbar vergütet werden“, erklärt der Sprecher der Stadtverwaltung.
Aufgrund dieses Grundsatzes der Vergleichbarkeit orientiere sich auch der Landkreis bei seinen Kaufpreisen an Projekten in vergleichbarer Lage – und frage deshalb die Stadt, welche Entschädigungssätze diese für ihre Projekte zahle.
Wird über den Weg der Geldleistung keine Einigung gefunden, stünden andere Lösungen zur Verfügung, erläutert Stupka. Der häufigste Fall sei dann, dass es zu einem Tausch von Flächen kommt. Möglich sei es aber auch, dass statt der Geldleistung, beziehungsweise des entsprechenden Anteils, eine Verbesserung der Hofentwässerung oder Privatzufahrt vorgenommen wird.
Grenzen bei der Kreativität der
Lösungsfindung werden durch das Gesetz gezogen, betonen Stupka und Fugel. „Zum Beispiel ist es uns nicht möglich, rechts- oder regelwidrig zu planen, um ein Grundstück zu verschonen, überzogene Grundstückspreise zu bezahlen oder Schenkungen zu tätigen, um an Flächen zu kommen“, erklärt der Sachgebietsleiter.
Die Grenzen des Gesetzes seien es auch, so Fugel, die im konkreten Fall in Hinznang eine andere Regelung bei der Baulast verhindern würden. „Es gibt keine gesetzliche Grundlage, die an dieser Stelle einen ,Schutzwall’ gegen Lärm oder Sicht begründen würde. Wir hätten den Wall auf unsere Kosten zugunsten des Radweges umgebaut, sahen aber keine Möglichkeit der Übernahme der dauernden Unterhaltung und Baulast“, führt er aus.
Rosemarie Brauchle betont im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“, dass sie grundsätzlich natürlich für den Geh- und Radweg sei. Deswegen habe sie als Lösung eine Verengung der Fahrbahn an dieser Stelle vorgeschlagen. Das, so Fugel, wäre allerdings besonders im Winter bei kritischen Wetterbedingungen wie Schneefall und Bergabwärtsfahrt gefährlich. Zumindest aktuell scheint also weiterhin keine Lösung in Sicht zu sein.