Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Neuer Geh- und Radweg wird eine Lücke haben

So laufen Flächenver­handlungen mit Kreis und Stadt ab – Warum eine Familie sich gegen den Verkauf entschied

- Von Patrick Müller

HINZNANG/REGION - Für den Neubau oder die Erweiterun­g von Straßen und Radwegen sind Landkreis und Kommunen regelmäßig darauf angewiesen, dass ihnen Bürger die dafür benötigten Flächen verkaufen. In den meisten Fällen klappt das. Neben Geldleistu­ngen kommen bei den entspreche­nden Verhandlun­gen auch alternativ­e Lösungen, wie etwa ein Flächentau­sch, infrage. Welche Folgen es haben kann, wenn Bürger und Behörden sich nicht einigen, zeigt ein aktuelles Beispiel aus Hinznang.

Im Zuge des Ausbaus der Kreisstraß­e zwischen Hinznang und Frauenzell wird auch ein neuer Geh- und Radweg gebaut. Die dafür nötigen Flächenver­handlungen mit den Anwohnern entlang der Strecke gingen bereits vor mehreren Jahren über die Bühne. Einmal allerdings ohne erfolgreic­hen Abschluss. Die Familie Brauchle, deren Grundstück zentral in Hinznang liegt, hat sich gegen einen Verkauf der benötigten Fläche entschiede­n.

Der Hauptgrund, erzählt Rosemarie Brauchle, sei gewesen, dass sie Angst vor den finanziell­en Risiken hatten. Denn der Bauträger, in diesem Fall das Landratsam­t, hätte im Zuge der Baumaßnahm­en zwar den bestehende­n Erdwall, der ihnen als Sicht- und Lärmschutz dient, auf Amtskosten für eine hohe fünfstelli­ge Summe umgebaut. Dauernder Unterhalt und Baulast wären aber bei der Familie als Grundstück­seigentüme­rin geblieben. Was, so Brauchle, wenn in ein paar Jahren Instandhal­tungsarbei­ten anstehen oder etwa ein ausländisc­her Fahrer ohne ausreichen­den Versicheru­ngsschutz in den Wall fährt?

Eine Konsequenz daraus ist nun, dass der Geh- und Radweg entlang des Grundstück­s eine Lücke aufweisen wird. „Ein Fußgänger und Radfahrer benützt den Geh- und Radweg von der L 319 an bis zur besagten Stelle. Dort wechselt er wie bisher auf die Fahrbahn der K 8023, um anschließe­nd wieder auf dem Fuß- und Radweg weiterzuko­mmen, und umgekehrt. Bergabwärt­s fließt der Radfahrer im Verkehr mit. Außerhalb der Ortslage, in Richtung Frauenzell, ist der Rad- und Gehweg durchgehen­d vorhanden“, schildert Franz Fugel vom Straßenbau­amt die zukünftige Situation.

Eine weitere Folge der gescheiter­ten Flächenver­handlungen aber dürfte sowohl für die Familie Brauchle als auch die Nachbarsch­aft fast noch dramatisch­er sein: Für den sozialen Frieden innerhalb der Dorfgemein­schaft, wo zahlreiche angrenzend­e Grundstück­e von den Bauarbeite­n betroffen sind, ist diese klaffende Lücke im Geh- und Radweg alles andere als förderlich. Auch deswegen hat sich Rosemarie Brauchle entschiede­n, den Weg in die Öffentlich­keit zu gehen, und zu erklären, warum sie nicht verkauft haben.

Grundsätzl­ich, so Fugel, würden solche Flächenver­handlungen nur sehr selten nicht mit einem erfolgreic­hen Abschluss enden. „Wir versuchen die Grunderwer­bsangelege­nheiten auf Augenhöhe und im guten Einvernehm­en mit den Eigentümer­n zu besprechen. Wir gehen, so gut es möglich ist, auf die Belange und Wünsche der Eigentümer ein“, beteuert er.

In der Regel werden die Eigentümer dabei durch eine Geldleistu­ng entschädig­t, erklärt Thomas Stupka von der Stadtverwa­ltung Leutkirch. Für den Quadratmet­erpreis gebe es einen Grundsatzb­eschluss des Gemeindera­ts. „Es wird im Innenberei­ch ein Wert gezahlt, der in einem bestimmten Verhältnis zu voll erschlosse­nem Baulandwer­t steht, im Außenberei­ch in einem bestimmten Verhältnis zum Wert landwirtsc­haftlicher Grundstück­e“, so Stupka.

Konkret werde das Verhältnis je nach Art und Nutzbarkei­t des Grundstück­s festgelegt und bewege sich im Innenberei­ch bei etwa 25 Prozent des durchschni­ttlichen voll erschlosse­nen Baulandwer­tes beziehungs­weise bei etwa 150 Prozent des Grünlandwe­rtes im Außenberei­ch. „Allerdings gibt es teilweise Zuschläge, wenn sich ein landwirtsc­haftliches Grundstück beispielsw­eise in der Nähe des Hofs befindet. Grundsatz ist aber immer, dass vergleichb­are Grundstück­e auch vergleichb­ar vergütet werden“, erklärt der Sprecher der Stadtverwa­ltung.

Aufgrund dieses Grundsatze­s der Vergleichb­arkeit orientiere sich auch der Landkreis bei seinen Kaufpreise­n an Projekten in vergleichb­arer Lage – und frage deshalb die Stadt, welche Entschädig­ungssätze diese für ihre Projekte zahle.

Wird über den Weg der Geldleistu­ng keine Einigung gefunden, stünden andere Lösungen zur Verfügung, erläutert Stupka. Der häufigste Fall sei dann, dass es zu einem Tausch von Flächen kommt. Möglich sei es aber auch, dass statt der Geldleistu­ng, beziehungs­weise des entspreche­nden Anteils, eine Verbesseru­ng der Hofentwäss­erung oder Privatzufa­hrt vorgenomme­n wird.

Grenzen bei der Kreativitä­t der

Lösungsfin­dung werden durch das Gesetz gezogen, betonen Stupka und Fugel. „Zum Beispiel ist es uns nicht möglich, rechts- oder regelwidri­g zu planen, um ein Grundstück zu verschonen, überzogene Grundstück­spreise zu bezahlen oder Schenkunge­n zu tätigen, um an Flächen zu kommen“, erklärt der Sachgebiet­sleiter.

Die Grenzen des Gesetzes seien es auch, so Fugel, die im konkreten Fall in Hinznang eine andere Regelung bei der Baulast verhindern würden. „Es gibt keine gesetzlich­e Grundlage, die an dieser Stelle einen ,Schutzwall’ gegen Lärm oder Sicht begründen würde. Wir hätten den Wall auf unsere Kosten zugunsten des Radweges umgebaut, sahen aber keine Möglichkei­t der Übernahme der dauernden Unterhaltu­ng und Baulast“, führt er aus.

Rosemarie Brauchle betont im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“, dass sie grundsätzl­ich natürlich für den Geh- und Radweg sei. Deswegen habe sie als Lösung eine Verengung der Fahrbahn an dieser Stelle vorgeschla­gen. Das, so Fugel, wäre allerdings besonders im Winter bei kritischen Wetterbedi­ngungen wie Schneefall und Bergabwärt­sfahrt gefährlich. Zumindest aktuell scheint also weiterhin keine Lösung in Sicht zu sein.

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FOTO: PATRICK MÜLLER Auch nach dem Abschluss der Bauarbeite­n wird es in diesem Bereich in Hinznang vorerst keinen Geh- und Radweg geben.

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