Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Mit Abhol- und Lieferservice punkten
So ergeht es den Ravensburger Gastronomen im zweiten Lockdown
RAVENSBURG - Viele Ravensburger Gastronomen bieten seit Montag einen Abholservice an. Dabei herrscht im Gastgewerbe große Unsicherheit über die anlässlich der LockdownEntscheidung von Bund und Ländern zugesagten Finanzhilfen. Eine Entschädigung in Höhe von 75 beziehungsweise 70 Prozent des Umsatzes im Vorjahresmonat wurde zugesagt. Guido Zöllick, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) drängt auf umgehende Klarheit zur konkreten Ausgestaltung des Entschädigungsprogramms und verweist auf die Vielzahl noch offener praktischer Fragen, insbesondere zum Thema, welche Umsätze wie angerechnet werden.
Dennoch stehen für die befragten Ravensburger Gastronomen die Gäste an erster Stelle – wie auch die Liebe zum Beruf.
Die beispielsweise, zentral in Ravensburg gelegen, bietet einen Abholservice an. Die Auswahl an Speisen sei zwar etwas kleiner, weil Inhaber Roberto Nigro und seine Frau derzeit nur zu zweit arbeiten. Die Qualität der Speisen sei aber nach wie vor die gleiche. „Wir bieten den Abholservice unseren Gästen zuliebe an. Sie sind wie unsere Familie, und wir möchten auch jetzt für sie da sein“, so Nigro. Umsatz werde er vermutlich kaum generieren. „Es muss einfach weitergehen. Unsere Gäste geben uns viel Optimismus, das war schon beim ersten Lockdown so.“
Auf die Solidarität seiner Gäste hofft auch das das ebenfalls einen Abholservice seiner Balkanspezialitäten anbietet. Der 73jährige Inhaber, Ante Knezovic, der das Fiaker 1972 gründete, stemmt die aktuelle Herausforderung ebenfalls mithilfe seiner Ehefrau. „Man kann die Situation nicht ändern und muss gelassen bleiben“, so Knezovic. Während des ersten Lockdowns hatte er das Restaurant sechs oder sieben Wochen lang geschlossen. „Im Frühjahr dachten viele, man warte erst mal ab. Jetzt bieten ja fast alle einen Abholservice an, das heißt, der Kuchen wird sich mehr verteilen“, vermutet er. Er könne sich nicht daran erinnern, dass es in den 49 Jahren Geschäftsbestehen eine vergleichbare Krise gab, ist sich aber sicher, dass es weitergehen wird.
Diese Meinung teilt er mit Andreas Reck, Inhaber des Bar & Essen, in der Kirchstraße. Auch er und sein Team bieten während des Lockdowns täglich Speisen und Getränke zum Abholen an. „Wir sind die Situation ja schon vom ersten Lockdown gewöhnt, damals waren wir einer der Vorreiter mit dem Abholservice.“Dennoch sei es natürlich ein Minusgeschäft. Keiner seiner Mitarbeiter sei in Kurzarbeit, fehlendes Trinkgeld werde von ihm ausgeglichen. „Wir möchten die Zeit sinnvoll für Dinge einsetzen, die zu normalen Zeiten auf der Strecke bleiben“, so Reck. Seine Motivation für einen Abholservice sei für ihn ganz klar seine Liebe zum Café und seinen Gästen. „Wir vertrauen auf die Entscheidung der Regierung und leisten unseren Teil dazu, möchten vorbildlich den Weg mitgehen“, sagt er. Den Abholservice einzustellen, sei für ihn noch nie in Frage gekommen. Er wolle nicht von der Bildfläche verschwinden. Die Überbrückungshilfe werde er definitiv beantragen und nehme diese Hilfe ohne schlechtes Gewissen dankbar an. „Was das Land und der Bund tun, finde ich außerordentlich gut und wirksam. Die Soforthilfe im Frühjahr war eine wahnsinnige Hilfe für uns“, erzählt er. Reck sei überzeugt, dass sie besser aus dem Lockdown gehen werden, als sie reingegangen sind. Trotz allem Optimismus
glaube er nicht so recht daran, dass es ab Dezember wieder normal weitergehen werde.
Ali Akgün vom berichtet, dass die ersten zwei Tage im neuen Lockdown sehr schlecht gelaufen seien. „Uns entfällt fast das ganze Abendgeschäft, weil alle Bars geschlossen haben“, so Akgün. Zur Mittagspausenzeit sei es etwas besser, aber trotzdem viel schlechter als normal. Die Überbrückungshilfe werde er beantragen müssen, sagt er.
Der bietet derzeit keine Speisen zum Abholen an. „Es ist ja noch nicht ganz klar, wie das mit der Überbrückungshilfe funktioniert und wie es genau berechnet wird“, so Inhaber Wolfgang Kimpfler. „Da momentan fast alle einen Abholservice anbieten, fällt die Nachfrage für jeden Einzelnen geringer aus. So rechnet es sich für uns leider einfach nicht“, sagt er. Er möchte noch etwas abwarten, ob es bald neue Details geben wird und bis dahin seinen Gästen lieber eine Besonderheit für den November anbieten, eine Martinsgans. Diese könne bestellt und geliefert oder abgeholt werden. Seine 28 Mitarbeiter sind derzeit in Kurzarbeit. „Ich finde die derzeitige Lösung nicht geschickt. Die Gastronomie hatte meiner Meinung nach alles im Griff, Abstandsregeln wurden eingehalten. Nicht Essen gehen zu können, nimmt so viel Lebensqualität“, sagt Kimpfler. Er hoffe für sich und alle anderen Gastronomen, dass sie bald wieder öffnen dürfen.