Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Ist der Mitarbeiter gesund, spart der Chef Geld
Diagnostikzentrum erstellt Trainingspläne, die sich auch mit Homeoffice und Schichtarbeit umsetzen lassen
SCHEIDEGG - Gesunde, fitte und motivierte Mitarbeiter sind für jedes Unternehmen wichtig. Gerade in diesen außergewöhnlichen Zeiten. Jeder Krankheitstag ist teuer. „Wenn ein ITler oder eine Führungskraft ausfallen, kostet das richtig viel Geld“, weiß Markus Weber. Der Leiter des Diagnostikzentrums Scheidegg weiß auch, was Firmenchefs tun können. Seit zehn Jahren beschäftigt er sich mit dem Thema „Betriebliche Gesundheitsförderung“. Zwischen 40 und 50 Firmen und Behörden haben er und sein Team seitdem betreut, beraten und begleitet. Und das zunehmend digital – passend zu Homeoffice und Kontaktvermeidung.
Betriebliche Gesundheitsförderung umfasst alle möglichen Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheit und des Wohlbefindens am Arbeitsplatz. Dazu gehören zum Beispiel die richtige Sitzposition am Schreibtisch und gesunde Ernährung. Vor allem aber die körperliche Verfassung. „Wenn du abends Fitness aufbaust, schafft dich dein Alltag nicht so“, sagt Weber.
Hier setzt das Diagnostikzentrum an. Der Diplom-Sportlehrer und sein Team bieten eine sportwissenschaftliche Betreuung an. Dazu gehört eingangs eine Stoffwechsel- und Leistungsdiagnose. Für jeden wird der ideale Pulsbereich ermittelt. Dann gibt es einen individuellen Trainingsplan, der auf den Alltag und die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Ob Gewichtsreduzierung, Blutdruckverbesserung oder orthopädische Probleme. Neben Ausdauer gehören dazu auch Gymnastik und Kräftigungsübungen. „Häufig ist die Bauchmuskulatur zu schwach“, hat der 48-Jährige festgestellt.
Der Prozess geht über ein komplettes Jahr. „Eine Verhaltensänderung geht nicht so schnell“, weiß Weber. Zudem gebe es immer wieder Phasen, in denen man viel Arbeit und wenig Zeit hat, einen die Familie stärker in Anspruch nimmt oder das eine oder andere Wehwehchen aufpoppt.
Die Trainingsprogramme sind auch dank einer App so flexibel, dass sie auf das Homeoffice ebenso zugeschnitten sind wie auf Schichtarbeit. „Wir setzen auf Eigenverantwortung“, sagt Weber. Dennoch gibt es immer wieder einzelne Aussteiger. Die Abbruchquote
liegt zwischen zehn und 15 Prozent pro Unternehmen. Bei Produktionsmitarbeitern sei sie etwas höher, bei Bürokräften etwas geringer. Vor allem im Moment ist die Gefahr größer, da etwa gemeinsame Laufund Nordic-Walking-Gruppen im Moment nicht stattfinden können.
Viele Unternehmen haben derzeit Kurzarbeit angemeldet. Ist es nicht ein Widerspruch, wenn dann Geld für eine solche Maßnahme ausgegeben wird? „Das ist ein schwieriges Thema. Aber gerade in diesen Zeiten ist es wichtig, einen Impuls zu setzen“, sagt Weber.
Zumal ein Unternehmen auch „keine horrenden Summen“ausgeben müsse. Die sportwissenschaftliche Begleitung kostet rund 500 Euro pro Mitarbeiter und Jahr. Dabei weist Weber darauf hin, dass Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung seit 1. Januar mit bis zu 600 Euro pro Jahr steuerfrei sind. „Da ist also sogar noch Luft“, sagt Weber.
Die Investition lohne sich. Gesunde Mitarbeiter sind nicht nur produktiver. Jeder Krankheitstag, der vermieden werden könne, spare dem Unternehmen unterm Strich Geld. „Wissenschaftlich gesehen bringt jeder investierte Euro drei bis zehn Euro“, rechnet Weber vor.
Das Diagnostikzentrum betreut derzeit zehn Unternehmen. Dazu gehören seit dem Frühjahr auch die „Gärtner von Eden“aus Heimenkirch. „Wir machen das nicht, weil wir mehr Leistung erwarten oder eine besonders hohe Krankheitsquote haben“, sagt Mitinhaber Florian Herrhammer.
Obwohl die Gartenbauer ohnehin schon einen Knochenjob haben, die Auftragsbücher voll sind und das Team recht jung ist (die meisten sind zwischen 20 und 30 Jahre), stieß das Angebot auf große Resonanz: sechs von elf Mitarbeitern haben einen Trainingsplan, gehen joggen und machen Gymnastik. „Da waren wir überrascht“, sagt Herrhammer und ergänzt. „Wir sind echt stolz, dass das so angenommen wird. Ich glaube, sie haben erkannt, dass du mit relativ wenig Aufwand etwas für deine Gesundheit tun kannst.“
Wichtig sei, dass alles gut in den Alltag integriert werden kann. Alle paar Wochen gibt es ein Feedback aus Scheidegg, zudem ist das Training auch immer wieder Gesprächsthema am Arbeitsplatz.