Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Trumps letztes Manöver
Am Ende seiner Amtszeit will der US-Präsident auch Truppen aus Afghanistan abziehen
WASHINGTON (dpa/AFP) - Noch lenkt US-Präsident Donald Trump die Geschicke der USA – und versucht ganz offensichtlich, auch militärisch letzte Zeichen zu setzen. Doch seine Pläne stoßen auf Kritik – auch bei den eigenen Parteifreunden. Wie die Nato-Verbündeten warnen sie davor, die Lage im Nahen Osten oder Afghanistan zu destabilisieren. Besonders das Land am Hindukusch könne wieder verstärkt zum Rückzugsort für Terroristen werden.
Zunächst will Trump vor dem Ende seiner Amtszeit im Januar Teile der Truppen abziehen. Kommandeure bereiteten sich auf einen Befehl vor, die Zahl der Soldaten in Afghanistan und im Irak bis zum 15. Januar auf jeweils etwa 2500 zu reduzieren. Das erklärte der geschäftsführende Verteidigungsminister Christopher Miller am Dienstag im Pentagon. Dem US-Sender CNN zufolge sind 4500 US-Soldaten in Afghanistan und 3000 im Irak stationiert.
Wie fragil die Lage ist, zeigte der Dienstagabend. In der irakischen Hauptstadt Bagdad kam es zu einem Raketenangriff auf die US-Botschaft. Sicherheitskreisen zufolge handelte es sich um den ersten Angriff auf die Botschaft, seit pro-iranische Gruppen vor einem Monat zugesagt hatten, Attacken auf das Gelände zu stoppen.
Der Abzug scheint dennoch beschlossene Sache. Führende Republikaner im US-Kongress und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnten vor vorschnellen Aktionen. Trumps Amtszeit endet am 20. Januar. Aus der Präsidentenwahl am 3. November war der Demokrat Joe Biden als Sieger hervorgegangen.
Der Krieg in Afghanistan ist der längste in der Geschichte der USA. Seit 2001 sind US-Soldaten in dem Krisenstaat. Nach den Anschlägen vom 11. September jenes Jahres waren von den USA angeführte Truppen dort einmarschiert. Im Wahlkampf 2016 hatte der Republikaner Trump versprochen, US-Truppen nach Hause zu holen. Knapp vier Wochen vor der Wahl hatte er Anfang Oktober überraschend auf Twitter angekündigt, dass die in Afghanistan verbleibenden Soldaten bis Weihnachten zurück in den USA sein sollten.
Kurz nach seiner Niederlage gegen Biden – die Trump noch immer nicht eingeräumt hat – hatte er Verteidigungsminister
Mark Esper entlassen. Offenbar hatte sich dieser nach Beratungen mit führenden Militärs im November gegen einen weiteren Abzug von Truppen aus Afghanistan ausgesprochen. Die dafür nötigen Bedingungen unter anderem mit Blick auf die Sicherheitslage seien noch nicht erfüllt. Die USA hatten mit den militant-islamistischen Taliban im Februar ein Abkommen unterzeichnet, das den schrittweisen Rückzug aller USund Nato-Streitkräfte bis Ende April 2021 in Aussicht stellt. Die Taliban verpflichteten sich unter anderem zu Friedensgesprächen mit der Regierung in Kabul, die im September aufgenommen wurden. Der Prozess war zuletzt jedoch ins Stocken geraten.
Der Preis für ein zu schnelles oder unkoordiniertes Verlassen des Landes könnte sehr hoch sein, warnte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstag. Afghanistan drohe wieder ein Rückzugsort für Terroristen zu werden, die Angriffe auf Nato-Länder planten. Zudem könnte die Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) dann in dem Land das Terrorkalifat aufbauen, das er in Syrien und im Irak verloren habe. „Wir sind seit fast 20 Jahren
in Afghanistan, und kein NatoVerbündeter will länger bleiben als nötig“, betonte Stoltenberg. Bei weiteren Minderungen der US-Truppenstärke würde die Nato ihren Einsatz zur Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte fortsetzen. Zugleich gilt, dass die Nato den Einsatz bei einem vollständigen US-Rückzug beenden müsste, weil die übrigen Alliierten militärisch nicht in der Lage sind, ihn alleine fortzuführen.
Welche Auswirkungen weitere US-Kürzungen auf das Engagement der Bundeswehr haben könnten, war zunächst unklar. Derzeit sind rund 1000 Soldaten im Norden des Landes stationiert. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte am Dienstag in Hamburg, eine mögliche Truppenreduzierung oder ein Rückzug seien an einen Friedensvertrag gebunden. Die gewünschten Ergebnisse dazu lägen noch nicht vor. „Oberste Priorität“habe die Sicherheit der BundeswehrSoldaten vor Ort, betonte sie. Der Einsatz solle aber auch so beendet werden, „dass das, wofür sie gekämpft haben, auch abgesichert ist“.
Warnungen vor einem voreiligen Rückzug aus dem Land sprachen auch führende Politiker von Trumps Republikanern aus. „Ein rascher Abzug der US-Streitkräfte aus Afghanistan würde unseren Verbündeten schaden und den Menschen gefallen, die uns Unheil wünschen“, erklärte der Mehrheitsführer im US-Senat, Mitch McConnell.
Neben den Abzugsplänen erwog der scheidende US-Präsident offenbar einen Angriff auf Iran. Wie die „New York Times“berichtete, soll Trump unter anderem Vize-Präsident Mike Pence sowie Außenminister Mike Pompeo gefragt haben, „ob er die Möglichkeit habe, in den kommenden Wochen gegen Irans wichtigsten Atom-Standort vorzugehen“. Seine Berater rieten ihm demnach von einem militärischen Angriff ab und warnten vor einer Eskalation.
Irans Regierungssprecher Ali Rabiei verwies auf eine Standardantwort Teherans in diesen Fällen: „Auf jede Aktion gegen das iranische Volk wird es eine zerstörerische Antwort geben.“Er halte es aber für „unwahrscheinlich, dass Washington die Instabilität in der Region erhöhen“wolle.