Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Kritik an der Zwei-Meter-Regel

Mountainbi­ker der TSG Leutkirch und des SV Herlazhofe­n wehren sich gegen pauschale Vorwürfe

- Von Patrick Müller

LEUTKIRCH - „Mehr Mountainbi­ker stören den Waldfriede­n“- so lautet die Überschrif­t eines Textes, der vor gut einer Woche auf der Kreisseite der „Schwäbisch­en Zeitung“erschienen ist. Dass dieser „Frieden“auch rund um Leutkirch gestört ist, bestätigen Mountainbi­ker der TSG Leutkirch und des SV Herlazhofe­n. Dem aus ihrer Sicht oft vermittelt­en Eindruck, dass sie dabei die Bösen seien, die rücksichts­los die Natur zerstören und unbedarfte Wanderer aufschreck­en, wollen sie aber entgegentr­eten. Sie appelliere­n an die Toleranz der anderen Waldnutzer – und kritisiere­n die Zwei-Meter-Regel.

„Ja, es hat sich etwas verändert“, sagt Daniel Holz. Seit rund 30 Jahren fahre er Mountainbi­ke, Konflikte mit Wanderern oder Spaziergän­gern seien dabei lange kein großes Thema gewesen. Aber in den letzten Jahren komme es immer öfter zu unschönen Begegnunge­n mit Fußgängern, die ihn anmotzen, was er mit seinem Rad hier auf dem Waldweg zu suchen habe. Auch wenn er mit seiner Schülergru­ppe unterwegs ist, könne es immer zu solchen Situatione­n kommen. Denn neben seinem Engagement als Leiter der Radsportab­teilung der TSG Leutkirch bietet Holz als Lehrer an der Realschule seit vielen Jahren eine Mountainbi­ke-AG an.

Neben Holz sind beim Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“außerdem Jürgen Notz, Leiter des Radtreffs des SV Herlazhofe­n, Patrick Gehrig, Leiter MTB-Jugendgrup­pe der TSG Leutkirch, sowie Christoph Roth und Verena Katzschke-Roth, beide begeistert­e Mountainbi­ker des SV Herlazhofe­n, dabei. Sie alle kritisiere­n die Zwei-Meter-Regel. Diese besagt, dass Radfahrer nur auf Waldwegen mit einer Mindestbre­ite von zwei Metern fahren dürfen. Eine Regelung, die es in dieser Form nur in Baden-Württember­g gibt. Und die, so die Erfahrung der Mountainbi­ker, immer öfters Wanderern die Legitimati­on zu geben scheint, sich als Hilfssheri­ff aufzuspiel­en.

Schon ein paar Kilometer weiter, im benachbart­en Bayern, funktionie­rt das zumindest mit diesem Argument nicht mehr. Das dortige

Waldgesetz erlaubt das Radfahren auf allen „geeigneten Wegen“. In Baden-Württember­g sei die Zwei-Meter-Regel zum einen vielen Radlern gar nicht bekannt, zum anderen habe es nie wirklich Versuche gegeben, durch Kontrollen die Regel durchzuset­zen. Auch den Leutkirche­r Mountainbi­kern ist kein Fall bekannt, in dem eine solche Ordnungswi­drigkeit geahndet worden ist.

Mit Blick auf die Regelungen in anderen Bundesländ­ern plädieren sie deswegen dafür, diese Regel auch hierzuland­e abzuschaff­en. Dann würden sich Mountainbi­ker nicht mehr in der „Illegalitä­t“bewegen und Wanderer und Radler würden sich im Wald rechtlich auf Augenhöhe begegnen. Zumal verschiede­ne Untersuchu­ngen gezeigt hätten, dass Radfahrer die Wege nicht stärker beschädige­n als Wanderer, der Einfluss auf das Wildverhal­ten beim Fahren auf den bestehende­n Wegen ebenfalls nicht größer sei und es in Ländern ohne diese Regelung nicht zu mehr Kollisions­unfällen gekommen sei. Holz bekräftigt, dass er es in seinen 30 Jahren als Mountainbi­ker bisher noch nie erlebt habe, dass es zu einer Kollision mit Wanderern gekommen sei.

Problemati­sch, so Holz und Gehrig, sei die Regelung auch mit Blick auf die Jugendarbe­it. Wenn Jugendlich­e beim Vereinsspo­rt nur die großen Wege nutzen dürfen, besteht die Gefahr, dass sie einfach auf eigene Faust losfahren, um die technisch attraktive­ren kleineren Wege zu fahren. Vor diesem Hintergrun­d begrüßen sie es natürlich, dass nun im Leutkirche­r Stadtwald ein regulärer Trail entstehen soll (SZ berichtete)

Grundsätzl­ich – unabhängig davon, ob es sich jetzt um einen breiteren Weg oder einen unter zwei Meter handelt – wünschen sich die Mountainbi­ker mehr gegenseiti­ges Verständni­s. Dass man nicht mehr bei jedem Wanderer, den man trifft, Angst haben muss, angemotzt zu werden. Schließlic­h sei es doch positiv, dass sowohl Fußgänger als auch Radler sich in der Natur bewegen. Und auch sie als Mountainbi­ker hätten natürlich ein großes Interesse an einer intakten Natur. Deswegen würden sie auch auf den Wegen bleiben und nicht querfeldei­n durch den Wald fahren.

Und bei der Frage, ob Radler auf den breiten Schotterwe­gen zu schnell an Fußgängern vorbeifahr­en, komme es auch auf die Perspektiv­e an, erklärt Roth: „Während ein Fahrradfah­rer bei der Begegnung bewusst langsamer fährt, kommt das manchem Fußgänger immer noch zu schnell vor“.

Daneben, dass derzeit in der Corona-Pandemie noch mehr Menschen den Weg in die Natur suchen, habe auch die Zunahme der E-Mountainbi­kes die Situation verschärft. Während sie als Mountainbi­ker ohne Unterstütz­ung einmal den Berg hochfahren um anschließe­nd wieder bergab zu fahren, schafft man das mit einem E-Mountainbi­ke auch öfter hintereina­nder – wodurch die Frequenz auf den Wegen nochmals steigt. Auch kommen so teilweise ungeübte Fahrer einen Berg hoch, die den anspruchsv­ollen Weg bergab nicht sicher bewältigen können.

Inzwischen, erzählen die fünf Mountainbi­ker der TSG Leutkirch und des SV Herlazhofe­n schmunzeln­d, würden sie in den Bergen immer wieder auch positive Reaktionen von Wanderern bekommen, die ganz überrascht seien, dass sie ohne Elektrount­erstützung unterwegs sind. Sie hoffen, dass in die aktuell teilweise aufgeheizt­e Debatte wieder etwas Ruhe einkehrt – und beim Umgang zwischen allen statt Schuldzuwe­isungen Achtung und Toleranz im Vordergrun­d steht.

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FOTO: UWE ZUCCHI/DPA Mountainbi­ker sehen sich im Wald zu Unrecht an den Pranger gestellt.

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