Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Die „Milka“kommt wegen Corona ins Wohnzimmer
Trotz Pandemie will das Team das närrische Schauspiel in Ravensburg nicht ganz ins Wasser fallen lassen
RAVENSBURG - Auf der Internetseite der Ravensburger Faschingsgesellschaft „Milka“standen bis vor Kurzem noch die geplanten Auftrittstermine im Februar 2021 – doch die wird es nicht geben. Das teilte der Vorsitzende des Vereins, Christoph Stehle, auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“mit. Doch das Team um Stehle wird das beliebte närrische Schauspiel nicht ins Wasser fallen lassen. Statt im ausverkauften Konzerthaus zu spielen, will die „Milka“in die Wohnzimmer ihrer Fans kommen.
Stehle erzählt, wie schon im April im Vereinsvorstand die Vermutung gewachsen sei, dass die „Milka“die Geschehnisse aus Stadtgesellschaft und Kommunalpolitik in Ravensburg nicht wie sonst üblich bei mehreren ausverkauften Veranstaltungen aufs Korn nehmen kann. Der Vereinsvorsitzende ist im November immer noch beeindruckt davon, mit welcher Energie die Vereinsmitglieder trotz der ungewissen Perspektive mit den Vorbereitungen losgelegt haben. „Die Autoren wollten anfangen zu schreiben, ohne zu wissen, worauf es rausläuft, das hat mich total beeindruckt“, sagt Stehle.
Sie sammelten Ideen, entwickelten Handlung, und inzwischen ist auch klar wofür: Die „Milka“wird in der nächsten Fasnetssaison kein durchgängiges Stück, sondern zu zweit oder dritt einzelne Szenen spielen – und aufzeichnen. Stehle verspricht, dass auch die kultigen Moritatensänger in der Krisenversion nicht gestrichen werden. „Und das wird dann zusammengeschnitten.“Regie führt wie in den Vorjahren Marco Ricciardo, an der Kamera steht Frank Müller, der den MilkaFans von der Band Franky & Amigos bekannt ist, die bisher im Konzerthaus für die Aftershow-Party sorgte.
Zu sehen gibt es das Ergebnis dann im Internet – frei zugänglich. Stehle stellt sich vor, dass die „Milka“das Video an einem vorher angekündigten Abend freischaltet, damit sich Ravensburg zur virtuellen Premiere kollektiv vor die Bildschirme setzen und sich die Milka in die Wohnzimmer holen kann. „Wir wissen alle nicht, wie die Situation dann sein wird, ob sich Tischgemeinschaften treffen können, die es bei der „Milka“gibt“, sagt Stehle, „oder ob man es nur im kleinen Kreis schauen darf.“Trotzdem wolle man den Ravensburgern damit ein Ereignis bieten, auf das sie sich trotz Krise freuen können.
Zum Online-Theater soll es ein analoges „Milka-Päckle“geben, das derzeit noch konzipiert und später von den Ravensburgern bestellt oder gekauft werden kann, so die Idee. So will der Verein einen Teil der Kosten decken, die zum Beispiel für den Regisseur und gegebenenfalls für Raummieten trotzdem anfallen. Auch auf einen Zuschuss der Stadt hofft Stehle für seinen Verein, erste Gespräche dazu liefen seinen Angaben zufolge bereits.
Zur Frage, ob es angesichts der außergewöhnlichen und ernsten Lage während der Pandemie überhaupt Material gibt, das überspitzt und lustig dargeboten werden kann, sagt Stehle: „Wie in jedem Jahr gibt es einiges, was man aufarbeiten kann. Alle, die gehofft haben, sie kämen 2021 ungeschoren davon, wollen wir enttäuschen.“Die „Milka“werde auch 2021 etliche Ravensburger Gegebenheiten karikieren. Allerdings stünden die Autoren vor der Frage: „Inwieweit können wir schon über Corona lachen?“Die Pandemie in den Spielszenen verschweigen oder doch thematisieren? „Witze über so was sind schwierig“, sagt Stehle. Man habe sich entschieden, das Thema nur dann aufzugreifen, „wenn es passt“.
Treffen und Absprachen finden derzeit virtuell statt. „Ich habe den Eindruck, dass es die Truppe noch stärker zusammenschweißt“, so Stehle, der überzeugt ist, dass in Zeiten der räumlichen Distanz gemeinsame Projekte wertvoller sind.