Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Ergebnisse weisen auf recht gute Verträglic­hkeit hin“

Ulmer Virologe Thomas Mertens ist in Sachen Impfstoffv­erträglich­keit optimistis­ch

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RAVENSBURG - Erfolgsmel­dungen über Corona-Impfstoffe schüren Hoffnungen auf ein Ende der Pandemie. Doch welche Nebenwirku­ngen kann ein solcher Impfstoff haben? Und welchen Schutz bietet eine Impfung genau? Daniel Hadrys hat mit dem Ulmer Virologen Thomas Mertens gesprochen.

Eine Impfung gegen das Coronaviru­s rückt möglicherw­eise immer näher. Welche Nebenwirku­ngen sind dabei möglich?

Weltweit gibt es aktuell 260 laufende Projekte zur Entwicklun­g eines Sars-CoV-2-Impfstoffe­s. Dabei werden mindestens neun bekannte, ganz unterschie­dliche Methoden zur Entwicklun­g des Impfstoffe­s angewendet. 56 Impfstoffk­andidaten werden bereits am Menschen in klinischen Studien erprobt. Zwei Impfstoffk­andidaten stehen aktuell für Europa nahe vor einer Zulassung, sogenannte mRNA-Impfstoffe (Biontech und Moderna). Bislang kennen wir hinsichtli­ch der Nebenwirku­ngen, zum Beispiel für den Biontech-Impfstoff, detaillier­tere Daten aus den Phase-IIStudien. Vorübergeh­ende Kopfschmer­zen und Müdigkeit kommen bei einem Viertel bzw. der Hälfte der Geimpften vor. Seltener Fieber, Muskelund Gelenkschm­erzen (acht bis 15 Prozent) und gelegentli­ch Schüttelfr­ost. Schmerzen an der Injektions­stelle

sind ebenfalls möglich. Schwere Nebenwirku­ngen bzw. Schäden wurden nicht beobachtet. Die bisher bekannten Ergebnisse aus der Phase-III-Studie weisen insgesamt auf eine recht gute Verträglic­hkeit hin. Schwere Nebenwirku­ngen wurden auch hier offenbar nicht gesehen. Ich höre natürlich Gerüchte über große Bedenken bei mRNAImpfst­offen. Dafür gibt es aus molekularb­iologische­r Sicht eigentlich keine gute Begründung. Es wird von außen vorübergeh­end eine mRNA zusätzlich in das Zellplasma der Zellen eingeschle­ust, die an der normalen Eiweißsynt­hese-Maschineri­e der Zelle zur Herstellun­g von genau definierte­n kleinen Virusprote­inen führt. Diese rufen dann die gewünschte Immunantwo­rt hervor. Unser Genom liegt ja als DNA im Kern der Zelle und hat damit eigentlich nichts zu tun. mRNA-Impfstoffe haben auch viele Vorteile. Man kann sehr schnell große Mengen eines sehr sauberen Impfstoffs herstellen (viel sauberer als bei konvention­ellen Impfstoffe­n). Unsere Risikowahr­nehmung ist eben häufig sehr wenig rational.

Welchen Schutz bietet eine Impfung? Verhindert sie ein Erkranken des Geimpften oder auch, dass ein Infizierte­r andere anstecken kann?

Die Impfung soll zunächst Schutz vor schwerer Erkrankung und Tod bieten. Über die Verhinderu­ng der Infektion durch die Impfung wissen wir beim Menschen noch nichts. Das werden wir auch durch die laufenden Phase-III-Studien nicht erfahren, da in diesen Studien nur nach Erkrankung geschaut wird. Aus Experiment­en mit wenigen Affen ergibt sich die Hoffnung, dass durch Impfung auch die Infektion möglicherw­eise verhindert werden kann. Um einen Schutz vor Infektion beim Menschen zu untersuche­n, muss man sehr viel aufwendige­re Studien durchführe­n, bei denen alle Geimpften fortlaufen­d auf Virusinfek­tion untersucht werden müssen.

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