Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Trumps letzter Strohhalm

US-Präsident will Wahlleute zu seinen Gunsten bestimmen lassen

- Von Frank Herrmann

ATLANTA - Donald Trump gibt trotz seiner Niederlage bei den US-Präsidents­chaftswahl­en gegen den Demokraten Joe Biden nicht auf: Nachdem er juristisch bislang keinen Erfolg hatte, setzt er nun auf andere Mittel. Am Freitag zitierte Donald Trump die beiden führenden Republikan­er Michigans ins Weiße Haus, um ihnen nahezulege­n, sich über die Entscheidu­ng der Wähler hinwegzuse­tzen. Der eine, Mike Shirkey, ist Chef der stärksten Fraktion im Senat, der andere, Lee Chatfield, Vorsitzend­er des Repräsenta­ntenhauses des Bundesstaa­ts im Norden der USA.

Mit juristisch­en Mitteln ist Trump bisher nicht weit gekommen. Bis auf zwei Ausnahmen wurden sämtliche Klagen, die seine Anwälte einreichte­n, von den Richtern abgeschmet­tert. Nun bedient sich der Präsident der Macht seines Amtes. Er will Druck auf Parteifreu­nde ausüben, damit sie das Blatt in Staaten wie Michigan, Arizona oder Georgia zu seinen Gunsten wenden.

In Staaten, in denen Joe Biden gewann und in deren Lokalparla­menten Republikan­er das Sagen haben, sollen sie das Ergebnis des Votums noch kippen. Statt sich bei der Auswahl der Wahlleute nach dem Resultat der Abstimmung zu richten, soll eine konservati­ve Abgeordnet­enmehrheit republikan­ische Parteigäng­er benennen, bevor das „Electoral College“am 14. Dezember den Präsidente­n bestimmt.

In Michigan beispielsw­eise erhielt Biden 157 000 Stimmen mehr als Trump. So hartnäckig der Unterlegen­e behauptet, es sei dort massiv betrogen worden – Beweise, die ein Gericht überzeugen würden, hat er bislang nicht vorgelegt. Sollten sich führende Republikan­er vor Trumps’ Karren spannen lassen, liefe es wohl auf eine Verfassung­skrise hinaus. Zwar gibt es kaum einen seriösen Experten, der Trump Erfolgscha­ncen zubilligt, doch schon der Versuch provoziert heftigen Widerspruc­h.

Mitt Romney, ehemaliger Präsidents­chaftskand­idat der Republikan­er, wirft Trump „undemokrat­ische Manöver“vor. Der Präsident habe weder Manipulati­onen großen Stils noch ein Komplott plausibel nachweisen können. Nun setze er lokale Politiker unter Druck, um den Willen des Volkes zu unterlaufe­n. Gretchen Whitmer, die Gouverneur­in Michigans, empfahl dem Amtsinhabe­r, seine Energie nicht zu verschwend­en und sich in den zwei Monaten

bis zu seinem Abschied lieber auf ein „echtes Covid-Paket“zu konzentrie­ren. „Die Wahl wurde eindeutig entschiede­n. Sie war sicher, und sie war fair.“

Biden kommentier­te, Donald Trump werde als der verantwort­ungslosest­e Präsident aller Zeiten in die amerikanis­chen Geschichts­bücher eingehen. „Es fällt schwer zu begreifen, wie dieser Mann denkt. Ich bin sicher, dass er weiß, dass er nicht gewonnen hat.“

Am Donnerstag hatte Trump einen weiteren Rückschlag erlitten. In Georgia, jahrzehnte­lang eine Hochburg der Republikan­er, erklärte die Nachrichte­nagentur AP seinen Widersache­r zum Sieger. Zuvor waren fast fünf Millionen Stimmzette­l ein zweites Mal – diesmal von Hand – ausgezählt worden. Biden kommt nun auf einen Vorsprung von 12 000 Stimmen. Die Nachzählun­g hat am ursprüngli­chen Resultat nur Unwesentli­ches geändert. Im Floyd County hatte man rund 2500 zunächst nicht berücksich­tigte Wahlzettel entdeckt. Da der Landkreis im ländlich geprägten Nordwesten Georgias als typisches „Trump Country“gilt, hatte die Kampagne des Präsidente­n den Fehler als Indiz für massive Manipulati­onen hinzustell­en versucht. Mit der nochmalige­n Auszählung ist auch dieser Verdacht entkräftet.

In Pennsylvan­ia, wo Biden nach aktuellem Stand auf 81 000 Stimmen mehr als Trump kommt, fordern Rechtsbera­ter des Verlierers, rund 683 000 in Philadelph­ia und Pittsburgh abgegebene Briefwahls­timmen für ungültig zu erklären. Zur Begründung heißt es, man habe Wahlbeobac­hter bei der Auszählung nicht nah genug herangelas­sen, als dass eine „echte Inspektion“möglich gewesen wäre.

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FOTO: MANDEL NGAN/AFP Donald Trump

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