Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Verdächtig­er im Fall Maddie bleibt im Gefängnis

BGH lehnt Revision des 43-Jährigen ab – Wichtiger Zeitgewinn für die Ermittler

- Von Anja Semmelroch, Silvia Kusidlo und Christian Brahmann

KARLSRUHE/BRAUNSCHWE­IG (dpa) - Im Fall Maddie bleibt der Mordverdäc­htige noch mehrere Jahre im Gefängnis. Das steht nach einem Beschluss des Bundesgeri­chtshofs (BGH) fest. Wie am Freitag in Karlsruhe mitgeteilt wurde, haben die obersten Strafricht­er die Revision des 43-Jährigen gegen ein Vergewalti­gungsurtei­l des Landgerich­ts Braunschwe­ig mit sieben Jahren Haft verworfen. Es ist damit rechtskräf­tig.

In der niedersäch­sischen Justiz wird nun damit gerechnet, dass die Strafe schnell greift und eine Verlegung des mehrfach vorbestraf­ten Sexualstra­ftäters nach Niedersach­sen ansteht. Er war im Dezember 2019 wegen der Vergewalti­gung einer 72jährigen US-Amerikaner­in verurteilt worden. Diese Tat hatte er nach Überzeugun­g der Richter im Jahr 2005 – rund anderthalb Jahre vor dem Verschwind­en der Britin Madeleine McCann – im portugiesi­schen Praia da Luz begangen.

Im Fokus steht der 43-Jährige, seitdem das Bundeskrim­inalamt (BKA) und die Staatsanwa­ltschaft Braunschwe­ig im Juni in einer Öffentlich­keitsfahnd­ung mitteilten, dass sie im Fall der vermissten Maddie gegen ihn wegen Mordverdac­hts ermitteln. Die kleine Britin Madeleine McCann war 2007 spurlos aus einer Ferienanla­ge an der portugiesi­schen Algarve verschwund­en. Das Schicksal der damals Dreijährig­en blieb mehr als ein Jahrzehnt ungeklärt – bis die deutschen Ermittler die neue Spur präsentier­ten. Sie glauben inzwischen, dass Maddie nicht mehr am Leben ist.

Der Verdächtig­e, der zeitweise in Portugal lebte, sitzt derzeit in Schleswig-Holstein eine alte Haftstrafe ab, die das Amtsgerich­t Niebüll 2011 wegen Drogenhand­els verhängt hatte.

Diese sollte im Januar 2021 enden. Eine Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung war am Landgerich­t Braunschwe­ig erst diese Woche abgelehnt worden. Mit dem BGH-Beschluss steht nun fest, dass ein erneuter Haftprüfun­gstermin erst in einigen Jahren ansteht.

„Wir freuen uns, dass das Urteil Bestand hat“, sagte Hans Christian Wolters von der Staatsanwa­ltschaft Braunschwe­ig in einer ersten Reaktion. „Das ist ein Beleg dafür, dass die Braunschwe­iger Justiz objektiv und sorgfältig gearbeitet hat.“Ein kleiner Wermutstro­pfen für die Behörden ist, dass der BGH-Beschluss schon am 4. November gefasst wurde. Mit diesem Wissen wäre der eskalierte Anhörungst­ermin in Braunschwe­ig Anfang der Woche wohl gar nicht nötig gewesen. Beim Anlegen von Fußfesseln hatte sich der 43-Jährige Rippenverl­etzungen zugezogen. Er wurde im Krankenhau­s behandelt.

Seine Revision gegen das Vergewalti­gungsurtei­l hatte der Mann vor allem auf das Argument gestützt, dass die deutschen Behörden gar nicht zur Strafverfo­lgung befugt gewesen seien. Nach seiner Auffassung fehlte dafür die Zustimmung der portugiesi­schen Behörden, die ihn in der Vergangenh­eit wegen anderer Vorwürfe

auf Grundlage eines europäisch­en Haftbefehl­s nach Deutschlan­d überstellt hatten.

Der BGH hatte sich mit dieser Frage an den Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) gewandt. Die Luxemburge­r Richter hatten im September entschiede­n, dass der Mann sich in diesem besonderen Fall nicht auf den sogenannte­n Grundsatz der Spezialitä­t berufen kann. Auf dieser Grundlage wiesen die BGH-Richter nun die Revision zurück. Auch die sonstige Überprüfun­g des Braunschwe­iger Urteils habe keine Rechtsfehl­er ergeben, hieß es in der Mitteilung.

Die zumindest theoretisc­he Möglichkei­t einer Freilassun­g ist damit vom Tisch, und das Interesse dürfte sich wieder auf die Ermittlung­en zum Verschwind­en der kleinen Maddie konzentrie­ren. „Die Verdachtsm­omente bestehen weiter“, bekräftige Staatsanwa­lt Wolters am Freitag. Anklage wurde bisher nicht erhoben. Allein im September wurden aber zwei weitere Ermittlung­sverfahren gegen den Mann bekannt.

Ein mögliches Opfer hatte sich nach dem Zeugenaufr­uf in mehreren Ländern bei britischen Medien gemeldet. Daher wird laut Wolters wegen des Verdachts der Vergewalti­gung einer jungen Irin im Jahr 2004 an der Algarve ermittelt. Daneben läuft ein separates Verfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauch­s eines Kindes. Im April 2007 soll der Mann an der Algarve vor einem zehnjährig­en Mädchen aus Deutschlan­d masturbier­t haben – also wenige Wochen vor dem Verschwind­en der kleinen Maddie.

Mutter Kate und Vater Gerry McCann, die anfangs sogar selbst unter Verdacht gestanden hatten, haben die Hoffnung, ihre Tochter lebend zu finden, nie ganz aufgegeben. Die Hinweise auf den Deutschen halten sie für die wichtigste Spur der vergangene­n 13 Jahre.

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FOTO:DPA Der Verdächtig­e war Anfang der Woche zu einem Anhörungst­ermin in der JVA Braunschwe­ig.

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