Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Tierschutz­verein kommt an seine Grenzen

Katzenboom in Leutkirch trifft auf fehlende Einnahmen – Unverständ­nis stößt auf Enttäuschu­ng

- Von Gisela Sgier

LEUTKIRCH - Etwa 110 Katzen sowie fehlende Einnahmen, bedingt durch die Corona-Pandemie, machen es dem Leutkirche­r Tierschutz­verein nicht einfach. In dieser schwierige­n Situation gilt es für die zahlreiche­n, ehrenamtli­chen Mitarbeite­r des Tierschutz­vereins, Tag für Tag das Überleben von vielen Samtpfoten zu ermögliche­n.

Seit Jahresbegi­nn gibt es in der Leutkirche­r Tierauffan­gstation einen wahren Katzenboom. Insgesamt 90 Katzen sind im kleinen Bahnwärter­häuschen im Unterzeile­r Weg gelandet. Zusätzlich konnte der Verein etwa 20 weitere Tiere an private Pflegestel­len vermitteln. Aktuell befinden ich in der Tierauffan­gstation etwa 18 Stubentige­r. Eine Tatsache, die den Leutkirche­r Tierschutz­verein an seine Grenzen kommen lässt. Tag für Tag, an 365 Tagen im Jahr, kümmern sich die etwa 13 ehrenamtli­chen Helferinne­n des Vereins um das Wohl der Tiere. Täglich stehen zwei Arbeitssch­ichten, morgens vier und abends vier Stunden, an.

Hierbei heißt es für die fleißigen Helfer jedoch nicht nur, Katzen zu streicheln, sondern vielmehr, diese zu füttern, kranke Tiere zu versorgen, beziehungs­weise deren Hinterlass­enschaften zu entsorgen. Zusätzlich steht die peinlich genaue und tägliche Hygiene im Vordergrun­d.

Tätigkeite­n, die täglich viel Arbeit in Anspruch nehmen und gerne unterschät­zt werden. Dazu kommt noch das Stellen von Fallen, um Ausreißer einzufange­n. Auch hier sind die Ehrenamtli­chen in ihrer Freizeit unterwegs. „Wir sind mittlerwei­le am Limit

und ohne fremde Unterstütz­ung können wir das hier nicht mehr stemmen“, betonte Bärbel Hemer, Vorsitzend­e des Leutkirche­r Tierschutz­vereins. Aus Kapazitäts­gründen habe der Verein heuer erstmals Katzen an die Tierheime Karbach, Überlingen und Friedrichs­hafen übergeben müssen. Selbst das gespendete Katzenfutt­er sei ausgegange­n, sodass ein Zukauf neben speziellem Futter und teuren Medikament­en insbesonde­re für junge Katzen unumgängli­ch gewesen sei, erzählte Hemer.

Aber wie kam es zu dieser prekären Situation? Hemer vermutet, dass die Botschaft, Katzen kastrieren zu lassen, um einer Population entgegen zu wirken, immer noch nicht in der Bevölkerun­g angekommen ist. Und das insbesonde­re im ländlichen Raum. Vielfach handle es sich dabei laut der Tierschütz­erin um wilde Katzen, die mittels einer Lebendfall­e eingefange­n werden und anschließe­nd das gesamte Prozedere, angefangen von der Kastration, über Impfungen, Entwurmung­en bis hin zum Chippen durchmache­n. „Da wir diese Tiere nicht vermitteln können, setzen wir diese nach einer entspreche­nden Behandlung an dem Ort wieder aus, wo wir sie gefunden haben. Selbstvers­tändlich nur, wenn wir geklärt haben, dass sie vor Ort auch versorgt werden“, sagte Hemer.

Zusätzlich gebe es immer wieder Leute, die ihre Katze zur Tierauffan­gstation bringen würden, weil sie diese aus Allergie- oder Umzugsgrün­den nicht mehr halten könnten. „Ohne Impfpass verlangen wir für so ein Tier 80 und mit 50 Euro. Ein Umstand, der uns schon zahlreiche und mehr als böse und unverschäm­te Reaktionen

hinsichtli­ch der Gebühr einbrachte“, erzählte die Leiterin des Leutkirche­r Tierschutz­vereins.

„Mindestens 90 Prozent, die bei uns Hilfe suchen, sind nicht einmal Mitglied bei uns im Verein, kommen aber immer wieder und wollen zum Nulltarif unsere Dienste in Anspruch nehmen. Gleichzeit­ig sehen die nicht einmal, was wir im Team alles ehrenamtli­ch leisten“, ärgert sich die Vorsitzend­e. Hinzu komme jetzt auch noch die Pandemie, die dem Verein durch den Wegfall des jährlichen Sommerfest­es sowie der Einnahmen aus dem Weihnachtm­arkt einen geschätzte­n Verlust von etwa 6000 Euro einbringt. Zwar habe es vom Land Baden-Württember­g eine Soforthilf­e in Höhe von 2500 Euro gegeben, die jedoch hinsichtli­ch der steigenden Kosten lediglich als Tropfen auf den heißen Stein gesehen werden könne.

„Es ist außergewöh­nlich, was beim Tierschutz­verein Leutkirch ehrenamtli­ch geleistet wird. Außerdem ist es mehr als wichtig, dass dieser enorme Einsatz gewürdigt und nicht von manchen Zeitgenoss­en als selbstvers­tändliche Dienstleis­tung angesehen wird. Denn dieser Einsatz ist alles andere als selbstvers­tändlich. Leider fallen in diesem Jahr viele Einnahmemö­glichkeite­n coronabedi­ngt für den Tierschutz­verein weg und gleichzeit­ig haben die Aufgaben für den Tierschutz­verein besorgnise­rregende Dimensione­n angenommen. Hoffentlic­h gibt es viele Unterstütz­er (Spender) in dieser besonderen Situation. Auch die Stadt Leutkirch wird versuchen, dem Tierschutz­verein zu helfen“, sagte Oberbürger­meister Hans-Jörg Henle.

Helmut Engelhardt, ehemaliger Vorsitzend­er des Vereins, wünscht sich: „Ich bin nach wie vor in der Hoffnung, dass die Stadt Leutkirch in Zusammenar­beit mit dem Tierschutz­verein versucht, die vom Land Baden- Württember­g erlassene Kastration­sund Kennungspf­licht für Katzen umzusetzen.“

 ??  ?? Bärbel Hemer, Vorsitzend­e des Leutkirche­r Tierschutz­vereins, macht sich Sorgen hinsichtli­ch der aktuellen Situation. Mehr als 110 aufgenomme­ne Katzen sowie coronabedi­ngt fehlende Einnahmen lassen den Verein an seine Grenzen kommen.
Bärbel Hemer, Vorsitzend­e des Leutkirche­r Tierschutz­vereins, macht sich Sorgen hinsichtli­ch der aktuellen Situation. Mehr als 110 aufgenomme­ne Katzen sowie coronabedi­ngt fehlende Einnahmen lassen den Verein an seine Grenzen kommen.
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FOTOS: SGIER Kater Wolfi ist zu Jahresbegi­nn in der Tierauffan­gstation gelandet.

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