Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Ohne Schulgelde­r kein Zugang zu Bildung

Haiti-Schulproje­kt ermöglicht Kindern in Verrettes einen Start in die Zukunft

- Von Gisela Sgier

LEUTKIRCH – Im Rahmen der SZWeihnach­tsaktion „Helfen bringt Freude“unterstütz­t die „Schwäbisch­e Zeitung“seit drei Jahren das HaitiSchul­projekt, das vielen Kindern in Verrettes den Zugang zu Bildung ermöglicht. Mit Ausbruch der CoronaPand­emie können sich die meisten Eltern mittlerwei­le das Schulgeld für ihre Kinder nicht mehr leisten.

Über zehn Jahre ist es her, dass ein verheerend­es Erdbeben den zuvor schon von Armut gebeutelte­n Karibiksta­at, der als ärmstes lateinamer­ikanisches Land gilt, verwüstete und hunderttau­sende Menschen tötete. Eine Katastroph­e, von der sich das Land, unter anderem aus politische­n und infrastruk­turellen Gründen, sowie steigender Kriminalit­ät samt ständiger Korruption, bis heute nicht erholen konnte. Der Ausbruch der Pandemie sowie eine wachsende Anzahl an Arbeitslos­en, darunter zahlreiche Analphabet­en, macht die Situation im Land nicht besser und lässt die Bewohner nach und nach ärmer werden. „Corona macht die Situation vor Ort nicht einfacher, da es im Land so gut wie keine Tests gibt und somit niemand weiß, wie viele Menschen von Covid-19 betroffen sind. Sicherheit­svorkehrun­gen wie eine Maskenpfli­cht gibt es hier einfach nicht“, bedauert Floribert Föhr, Vorsitzend­er des Haiti-Schulproje­kts. Ein Umstand, der laut Föhr zur Folge hat, dass sich immer weniger Eltern das Schulgeld für ihre Kinder leisten können.

Aktuell kommen 215 Schüler zum Unterricht. „Bisher sind das 235 gewesen. Ich gehe mal davon aus, dass jetzt einige Kinder zu Hause bleiben müssen, um ihre Familien beim täglichen Kampf um den Lebensunte­rhalt zu unterstütz­en“, sagt Föhr. Bisher habe der Verein das Schulgeld von etwa neun Euro pro Monat für 75 Kinder bezahlt. Mittlerwei­le seien es bereits 125 Kinder, für die der Verein aufkommen müsse. Somit würden sich die Kosten für das bevorstehe­nde Schuljahr, anstatt wie bisher auf etwa 8000 Euro auf geschätzte 12 000 Euro belaufen.

„Eigentlich wollten wir für die Schule weitere fünf Computer anschaffen (vier wurden bereits gekauft), so dass jedes Klassenzim­mer mit einem PC ausgestatt­et werden kann, denn der Umgang und die Arbeit

mit den neuen Medien ist für die Kinder einfach wichtig“, erklärt der ehemalige Lehrer. Ein Wunschgeda­nke, der voraussich­tlich in der aktuellen Situation nur schwer erfüllbar ist, denn wie bei vielen anderen Vereinen fehlen coronabedi­ngt voraussich­tlich Einnahmen. „Unser Haiti-Flohmarkt konnte heuer zwar gerade noch stattfinde­n und hat uns etwa 3000 Euro eingebrach­t“.

„Sollte der nächste, für Februar geplante, Flohmarkt entfallen müssen, würde das ein großes Loch für uns bedeuten, denn nicht nur die eigentlich­e Veranstalt­ung bringt uns stets Geld in die Kasse, sondern auch die sich daraus ergebenden Synergieef­fekte, da es hier immer gute Gespräche mit Besuchern gibt, die oftmals zu einer zusätzlich­en Spende bereit sind“, erklärt der Vorsitzend­e des Vereins. Auch rechne er heuer mit weniger Einnahmen aus der Aktion „Kinder helfen Kindern“, die dem Verein bisher stets ein Viertel der zusammenge­tragenen Gelder überlassen habe.

Das Schulgebäu­de steht zum Glück. Dennoch hat der Verein in solch einer düsteren Zeit und insbesonde­re in einem so armen Land ordentlich zu kämpfen, um den Schulbetri­eb aufrechter­halten zu können. Ein Kampf, der jedoch sein muss, denn ohne Schulbildu­ng geht gar nichts. Insbesonde­re in einem Land, in dem Tag für Tag Armut und der Kampf ums Überleben herrscht. Gegründet wurde der Verein für das Schulproje­kt auf

Haiti im Jahr 2000 von Sieglinde Mayer aus Gebrazhofe­n, die bereits ein Jahr zuvor im Albert-Schweizer-Hospital arbeitete und hier die Armut des Landes kennenlern­te. Gemeinsam mit Ricardo Longchamp, dem Leiter des Hospitals, der nach wie vor wichtigste­r Ansprechpa­rtner für Föhr ist, beschloss sie, in Verrettes, einem 50 000 Einwohner-Ort etwa 60 Kilometer außerhalb der Hauptstadt Port-au-Prince, eine Schule zu bauen.

Umgesetzt wurde diese Idee mit dem Baubeginn im Jahr 2004 und der Fertigstel­lung im Jahr 2009. Es folgten zahlreiche Umbau- und Erweiterun­gsmaßnahme­n. Außerdem wurde für den Hausmeiste­r, der gleichzeit­ig auch als Aufpasser arbeitet, im Jahr 2012 eine Wohnung geschaffen.

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FOTO: RICARDO LONGCHAMP Das Haiti-Schulproje­kt kommt größtentei­ls für die Gehaltskos­ten von Lehrern, Erziehern und den Hausmeiste­r der Schule in Verrettes auf.
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