Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Wanderer gehen ja auch nicht ständig auf denselben Berg“

Warum Mountainbi­ke-Profi Daniel Gathof aus Vogt für spezielle Waldbereic­he plädiert, in denen Trails erlaubt sind, und was er an E-Bikern kritisiert

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RAVENSBURG - Mountainbi­ken boomt: 29 Prozent aller Deutschen zwischen 14 und 69 Jahren tun es – Tendenz steigend. Denn aktuell setzen sich während der Corona-Krise noch mehr Leute aufs Rad. Nicht zuletzt deshalb ist in den Wäldern in und um Ravensburg mehr los als früher. Wie berichtet („Immer mehr Mountainbi­ker stören den Waldfriede­n“, SZ vom 9. November), führt das immer wieder zu Konflikten. Manche Spaziergän­ger fordern im Wald verstärkte Kontrollen, Bußgelder oder Verbote für Mountainbi­ker. Ruth Auchter-Stellmann hat den Vogter MTB-Profi Daniel Gathof (39), der seit 25 Jahren auf dem Mountainbi­ke die Gegend durchkämmt, nach seiner Sicht der Dinge und praktikabl­en Lösungen gefragt.

Herr Gathof, geraten Sie beim Radeln durch die Wälder oft mit Menschen aneinander, die dort zu Fuß unterwegs sind?

Ich bin fünf- bis sechsmal die Woche beim Trainieren, allerdings meist vormittags und an Werktagen – da kommt es vielleicht einmal im Jahr zu einer Diskussion mit einem Wanderer. Aber ich behaupte auch, ich verhalte mich entspreche­nd. Das bedeutet: Damit es ein Miteinande­r im Wald gibt, reduziere ich das Tempo und mache mich bemerkbar, wenn ich auf einem Waldweg auf jemanden zu fahre. Dafür braucht es nicht einmal eine Klingel, es reicht, ein freundlich­es „Dingdong“zu rufen. Auf den Trails selbst sind selten Fußgänger unterwegs.

Sonst noch Vorschläge, um die Konflikte unter den verschiede­nen Nutzern im Wald einzudämme­n?

Dass es im Ravensburg­er Hirschgehe­ge einen Aufschrei gibt, wundert mich nicht – da enden aus dem Gebüsch kommende Trails teilweise auf dem viel frequentie­rten Forst- und Fußweg. Ich verstehe, dass Fußgänger sich erschrecke­n, wenn da plötzlich ein Radler rausschieß­t. Darum appelliere ich an den gesunden Menschenve­rstand der Mountainbi­ker: Sie sollten zehn Meter vorher anfangen zu bremsen und im Schritttem­po rauskommen. Das muss in die Köpfe rein. Radler sind im Wald die Schnellere­n und Stärkeren – darum muss man sie in die Pflicht nehmen.

Würden Verbote denn etwas bringen?

Das glaube ich nicht. Außerdem ist es doch toll, wenn sich viele Leute sportlich im Wald betätigen. Gerade bei Jugendlich­en ist es doch besser, als dass sie vor dem Smartphone oder der Spielekons­ole hängen. Wer sich draußen bewegt, tut was für seine Gesundheit und belastet das allgemeine Krankensys­tem weniger. Außerdem gibt es zig Studien, die besagen, dass die Mountainbi­ker von heute die Wanderer von morgen sind. Daher bemühen sich Urlaubsort­e wie Ischgl darum, Biker anzulocken.

Was halten Sie von speziell ausgewiese­nen Trails wie beispielsw­eise in Weingarten oder Markdorf ?

Politiker mögen das für eine einfache und schnelle Lösung halten – ich glaube aber nicht daran und halte wenig davon, ein bis zwei Trails zu bauen, auf denen dann alle Biker fahren sollen. Hinter dem Flowtrail in Weingarten, der von Ehrenamtli­chen gepflegt wird und auf dem Fußgänger verboten sind, steckt zwar ein guter Gedanke und das Konzept an sich ist vorbildhaf­t. Aber im Moment entstehen auch dort viele wilde Wege. Der Flowtrail ist anfangs cool und auch immer wieder nett zu fahren, aber irgendwann wird er langweilig. Wanderer oder Bergsteige­r gehen ja auch nicht ständig auf denselben Berg. Darum wäre es meiner Ansicht nach besser, in Zusammenar­beit mit den Förstern klare Bereiche auszuweise­n, in denen Mountainbi­ken auf Trails erlaubt ist und Trails angelegt werden dürfen. Andere Areale wären im Gegenzug wegen Wildtieren oder Erosion einvernehm­lich tabu. Ergänzend zu solchen Abschnitte­n braucht es Aufklärung und Informatio­n – auf beiden Seiten. Das muss auch in den Schulen und Vereinen passieren. Dann können sich Jogger und Spaziergän­ger auf Mountainbi­ker einstellen und andersheru­m. Auch die wenigen Biker, bei denen der Spaß über der Natur steht, könnten so ein besseres Verständni­s für den Wald und das Miteinande­r dort bekommen. Zudem könnte man vereinbare­n, dass zwischen November und März in bestimmten Gebieten Pause ist, damit das Wild sich zurückzieh­en kann. Oder man schließt

Trails wieder, wenn dort aufgeforst­et wird. Auf diese Weise würde sich das Angebot im Lauf der Jahre immer wieder verändern. Wenn Land und Forst dafür Personal abstellen, bin ich mir sicher, dass das günstiger wäre, als Geld für einen coolen Trail auszugeben. So könnte man das wilde Bauen von Trails eindämmen, da bin ich mir sicher.

Diese Zwei-Meter-Regel, die übrigens längst nicht in allen Bundesländ­ern gilt, ist überholt, sie müsste fallen – dazu gab es schon Unterschri­ftenaktion­en

im baden-württember­gischen Landtag. Mittlerwei­le sind viel mehr Menschen mit dem Mountainbi­ke im Wald – da passt das Gesetz einfach nicht mehr.

Dank E-Bike-Boom und Corona wird es im Wald also voraussich­tlich nie wieder so still und friedlich sein wie früher?

Eher nicht. Es gibt Studien des Allgemeine­n Deutschen Fahrradclu­bs (ADFC) dazu, dass von Leuten, die wegen Corona aufs Radeln gekommen sind, zwei Drittel auch nach der Pandemie diesem Sport treu bleiben werden. Er ist nach 40 Jahren in der Mitte der Gesellscha­ft angekommen und gilt nicht zuletzt in Bezug auf Urlaubszie­le als enormer Wachstumsm­arkt. Corona und die E-Bikes haben diese Entwicklun­g definitiv befeuert. Wobei ich kein Freund davon bin, wenn E-Biker mit schwerem MTB-Gerät durch den Wald preschen. Da so ein Fahrrad doppelt so viel wiegt und gröbere Reifen als ein normales Mountainbi­ke hat, macht es im Wald bei unsachgemä­ßer Nutzung viel kaputt. Hinzu kommt, dass man mit einem E-Mountainbi­ke ja schneller irgendwohi­n kommt – was bedeutet, dass viele Trails weitaus öfter als bisher frequentie­rt werden. Da verstehe ich, wenn Waldbesitz­er, die Trails bisher noch toleriert haben, so langsam sagen: „Jetzt wird es mir zu viel.“Das heißt nicht, E-Biker sollen nicht in den Wald. Nur, wenn das E-Bike als reines Spaßgerät genutzt wird, sehe ich diesen Boom kritisch.

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FOTO: PRIVAT Daniel Gathof plädiert dafür, gemeinsam mit Förstern Bereiche auszuweise­n, in denen Mountainbi­k-Trails angelegt werden dürfen.
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FOTO: AILINGER Der Vogter Daniel Gathof ist ProfiMount­ainbiker.

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