Der Südwesten als Vorbild

Winfried Kretschmann hat vorgemacht, wie es geht: Wer regiert, kann gestalten. Ob der Koalitionspartner in Baden-Württemberg wie früher SPD oder aktuell CDU heißt, scheint dem Ministerpräsidenten dabei herzlich egal. Denn noch wichtiger als richtige Ideen zu haben, sei es, Mehrheiten zu gewinnen, sagte er in einer Videobotschaft zum Grünen-Bundesparteitag am Sonntag. Die Mahnung aus dem Südwesten scheinen sich die tendenziell linkeren Bundesgrünen zu Herzen genommen zu haben.

Denn die Braut macht sich ein knappes Jahr vor der Bundestagswahl hübsch und schneidet dafür alte Zöpfe ab. Mehr direkte Demokratie, eine klare Absage an die AgroGentechnik? All das findet sich nicht mehr im Grundsatzprogramm, das sich die Grünen am Wochenende verpasst haben. Wie mit einer Genschere hat sich die Ökopartei an ihrer DNA zu schaffen gemacht.

Wenn Macht das Ziel ist – und daran hat Robert Habeck keinen Zweifel gelassen –, dann sind solche Schritte folgerichtig. Das Grundsatzprogramm ist zwar noch kein Wahlprogramm, doch es ist die Basis dafür. Alle konkreten politischen Ziele werden sich davon ableiten. Wie manch Abstimmungsergebnis zeigte, ist davon nicht jeder begeistert.

Mit dem neuen Grundsatzprogramm haben sich die Idealisten von einst entschieden, in die Mitte zu rücken, die breite Mehrheit zu suchen. Es ist eine Neujustierung, die notwendig war, denn die Grünen erleben gerade was die SPD mit der Gründung der Linken bereits kennt: Die Klimaliste beginnt in Parlamente zu streben, weil ihren Mitgliedern die Grünen nicht mehr grün genug sind.

Diesem Druck haben sich die Grünen nicht gebeugt. Sie haben sich in ihren Zielen nicht radikalisiert, sondern auch zum 1,5-Grad-Ziel bei der Erderhitzung in letzter Minute noch einen Kompromiss gefunden zwischen Fundis und Realos. Schon mit der Wahl von Robert Habeck und Annalena Baerbock als Parteichefs haben die Bundesgrünen den RealoKurs eingeschlagen. Mit dem Grundsatzprogramm legen sie nun inhaltlich nach.