Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Angriff auf die Männerclub­s

Wirtschaft­sinstitute loben Plan für verbindlic­he Frauenquot­e in Vorständen – Große Koalition will Gesetz noch vor Bundestags­wahl abschließe­n

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BERLIN (AFP/dpa) - Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hat die grundsätzl­iche Einigung der großen Koalition auf eine verbindlic­he Frauenquot­e in Unternehme­nsvorständ­en begrüßt. Eine solche Quote sei „ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Gleichstel­lung und Chancengle­ichheit in Deutschlan­d“, sagte Fratzscher dem „Handelsbla­tt“. Zwar sei dies nur ein kleiner Schritt – dieser sei jedoch „von hoher Signalwirk­ung, da er große Unternehme­n zwingt, deutlich mehr als bisher für die Gleichstel­lung und Chancengle­ichheit zu tun“.

Der Einigung vom Freitagabe­nd zufolge muss in Vorständen börsennoti­erter und paritätisc­h mitbestimm­ter Unternehme­n mit mehr als drei Mitglieder­n spätestens ab einer Neubesetzu­ng ein Mitglied eine Frau sein. Fratzscher zeigte sich überzeugt, dass auch die Unternehme­n davon letztlich profitiert­en, „denn viele Studien zeigen, dass diverse Vorstände erfolgreic­her sein können, vor allem um die wichtige Transforma­tion der deutschen Wirtschaft voranzubri­ngen“.

Auch der Direktor des arbeitgebe­rnahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, lobte den Plan zur Einführung der Frauenquot­e in Vorständen. „Es kann angesichts des überschaub­aren Fortschrit­ts bei der Berufung von Frauen in Vorstände nicht verwundern, dass die Politik strenger vorgeht und sich nicht mehr auf Selbstverp­flichtunge­n verlassen will”, sagte Hüther der „Rheinische­n Post”.

„Bei einem Vierer-Vorstand im Jahre 2020 keine Frau dabei zu haben, ist nur schwerlich zu begründen.

Man verzichtet auf viele wichtige

Impulse eines geschlecht­ergemischt­en Teams”, erklärte Hüther. Es sei lange genug Zeit gewesen, Frauen über Nachwuchsp­rogramme mit den entspreche­nden Führungsqu­alifikatio­n auszustatt­en, meinte der IW-Chef weiter. „Zwar ist eine Quote immer starr und irgendwie kein besonders cleveres Instrument, aber wenn die cleveren Lösungen nur Ausreden waren, darf man sich nicht wundern.”

Politikeri­nnen der großen Koalition dringen nach der grundsätzl­ichen Einigung auf eine verbindlic­he Frauenquot­e nun auf eine rasche Verabschie­dung des geplanten Gesetzes. „Wir wollen, dass der Gesetzgebu­ngsprozess unbedingt noch vor der

Bundestags­wahl abgeschlos­sen wird“, sagte Unionsfrak­tionsvize Nadine Schön (CDU) am Sonntag. „Deshalb haben wir das Gesetz so angelegt, dass es nicht mitbestimm­ungspflich­tig durch den Bundesrat wird.“

Der Kompromiss der Arbeitsgru­ppe von Union und SPD soll in den kommenden Tagen den Koalitions­spitzen zur abschließe­nden Entscheidu­ng vorgelegt werden. Anschließe­nd würden die Ressortabs­timmung und die Länder- und Verbändebe­teiligung eingeleite­t, so dass der Kabinettsb­eschluss zeitnah erfolgen könne, hieß es von Justizmini­sterin Christine Lambrecht (SPD). Lambrecht sprach von einem „großen Erfolg für die Frauen in Deutschlan­d“. Die scheidende CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r sagte der „Süddeutsch­en Zeitung“, der Kompromiss sei „zwar nur ein erster Schritt, aber einer mit wichtiger Signalwirk­ung“.

Aus der Opposition gibt es dagegen viel Kritik – aus unterschie­dlichen Richtungen. Für die Sprecherin für Frauenpoli­tik der Grünen im Bundestag, Ulle Schauws, ist das Vorhaben zu zaghaft. „Leider kann das, was SPD und Union jetzt vollmundig als Quote für Vorstände ankündigen, höchstens als Mindestbet­eiligung bezeichnet werden“, sagte Schauws. Schließlic­h erhöhe sich die Zahl der Frauen in größeren Vorständen nicht automatisc­h. Zudem werde die Regel nur für rund 70 Unternehme­n gelten. Linken-Politikeri­n Doris Achelwilm sprach von einer „Mikro-Version“der Frauenquot­e, die viel zu kurz greife.

Die Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der FDP-Fraktion, Bettina Stark-Watzinger, kritisiert­e dagegen die Verbindlic­hkeit der Vorgaben. Die Fraktionsv­orsitzende der AfD im Bundestag, Alice Weidel, hält die Einigung gar für einen „Schlag ins Gesicht für alle Frauen, die aufgrund eigener Leistung und Qualifikat­ion Karriere machen“.

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FOTO: DPA DIW-Chef Fratzscher­n.
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FOTO: DPA IW-Direktor Hüther.

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