Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Aus dem Knast in die Kita
Häftlinge im offenen Vollzug bringen Spielplätze wieder auf Vordermann
AHLEN (dpa/lnw) - Noch verbüßen sie eine Freiheitsstrafe – und wollen doch zeigen, dass sie dazu gehören und Gutes tun: Gefangene der JVA Bielefeld-Senne bringen jeden Samstag Spielplätze auf Vordermann. Von dem Projekt profitieren alle Seiten.
Elf Arbeitstage lang haben sie bisher angepackt, um aus einem Urwald mit marodem Schaukelgerüst einen kleinen Spielplatz zu bauen: Dass auf dem verwilderten Gartengrundstück des Kinderschutzbundes in Ahlen im Münsterland bald wieder getobt, geklettert und geschaukelt werden kann, ist dem Engagement von Männern und Frauen zu verdanken, die sonst eher mit ihren Missetaten denn mit ihrem Ehrenamt in der Öffentlichkeit stehen: Bei dem Projekt „Manpower“setzen Strafgefangene der Justizvollzugsanstalt Bielefeld Spielplätze instand.
„Wir können so der Gesellschaft etwas zurückgeben, was wir ihr durch unsere Straftaten genommen haben“, bringt Volker C. die Idee auf den Punkt. Seinen richtigen Namen will er nicht veröffentlicht wissen: Der Initiator des Projektes und selbstständige Gartenbauer verbüßt eine Strafe wegen Betruges. Wie die Projektteilnehmer ist er im offenen Vollzug untergebracht und führt sein Unternehmen weiter.
Seit zwei Jahren ist er nun regelmäßig während des samstäglichen Ausgangs mit seinen Mithäftlingen in freiwilliger Mission unterwegs: Bäume fällen, sich durch meterhohes Brombeergestrüpp kämpfen und Rindenmulch ausbringen, wie an diesem Tag in Ahlen. Oder Spielgeräte bunt streichen, Sandkästen anlegen, Blumen pflanzen, Rasen ausrollen, wie in mehreren Kitas im ebenfalls in Reichweite der JVA-Außenstellen gelegenen Sassenberg. Fast 120 Häftlinge haben seit Projektstart mitgemacht, seit Kurzem sind auch Frauen dabei. „Am Anfang wollte ich was gegen die Langeweile tun“, sagt C. Längst sei ihm klar, wie viel mehr das Projekt bewirke.
Draußen sei die Idee zunächst durchaus auf Vorbehalte bei Eltern und Erzieherinnen gestoßen: straffällig gewordene Männer in Kitas – passt das? Die Ängste habe man schnell ausräumen können. „Überall, wo wir sind, stoßen wir auf ganz, ganz große Resonanz“, sagt C. „Es gab noch nie eine negative Rückmeldung“, versichert er. Im Gegenteil: „Wir kriegen mittlerweile von den Eltern auch mal ein Frühstück gebracht oder ordentlichen Kaffee“, berichtet Mitstreiter Dieter Obermann. Noch größer sei der Ansporn, wenn er an die Freude der Kinder denke, sagt er und zeigt die bunten Bilder, die einige Kitagruppen den Häftlingen als Dankeschön haben zukommen lassen.
Auch der nordrhein-westfälische Justizminister lobt das Projekt als „wichtiges Beispiel von Wertschätzung“. Die Mitwirkenden zeigten beachtliches Engagement und erhielten direkt aus der Gesellschaft Feedback für ihre Leistung, sagt Peter Biesenbach.
Mit Ausnahme von Straftätern, die sich Kindern gegenüber schuldig gemacht haben, dürfen alle teilnehmen, die im offenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne untergebracht sind. Die Häftlinge hätten bereits gezeigt, dass sie mit gewissen Freiheiten umgehen können, sagt JVA-Leiterin Kerstin Höltkemeyer-Schwick.
Aus ihrer Sicht erweist sich der Ansatz als „fantastisches Resozialisierungsprojekt“– und damit genau als das, worum es im offenen Vollzug gehe: Die Häftlinge sollen auf das Leben nach der Haft vorbereitet werden. Das Projekt wirke auf so vielen Ebenen: Es entstehen Spielplätze, für die sonst vielleicht das Geld fehle; „die Gefangenen können zeigen, dass sie wieder dazugehören, und die Gesellschaft kann lernen, das zu akzeptieren“, sagt Höltkemeyer-Schwick. Somit transportiere das Projekt auch eine Botschaft, die ihr wichtig sei: „Wir haben hier keine weggesperrten Monster, sondern Menschen, die sich wieder integrieren wollen.“