Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Sexuelle Nötigung, Diebstahl und Beamtenbel­eidigung

Amtsgerich­t Wangen verhängt eineinhalb Jahre Haft gegen Geflüchtet­en aus Gambia

- Von Claudia Bischofber­ger

LEUTKIRCH/WANGEN - Im Dorfgemein­schaftshau­s in Deuchelrie­d wurde ein Mann aus Gambia vom Richter und den Schöffen zu einem Jahr und sechs Monaten Haft verurteilt, weil er unter anderem eine Frau in den Schritt gefasst haben soll.

Eine junge Frau läuft auf einer öffentlich­en Straße bei Leutkirch. Von hinten nähert sich ein Fahrradfah­rer und legt den Arm um sie. Er fragt sie nach einer Zigarette und fährt in weiteren Bögen um sie herum. Die Frau fühlt sich bedroht und will mit ihrem Handy die Polizei rufen. „Keine Polizei“, ruft der Mann und hält die Gepeinigte fest. Er entreißt ihr das Handy und greift ihr, bevor er damit flüchtet, noch in den Intimberei­ch. So beschrieb der Staatsanwa­lt zunächst den Vorwurf der sexuellen Nötigung.

Zwei Tage später sei der Angeklagte zur Ausländerb­ehörde und wollte dort Geld holen. Als die Angestellt­e ihm erklärte, dass es hier kein Geld gäbe, sei er aggressiv geworden. Er habe den Schlüssel der Frau vom Fenstersim­s genommen und sei aus dem Zimmer gelaufen. Sie habe dann die Polizei gerufen. Diese konnte den Flüchtende­n rechtzeiti­g ergreifen. Während der Festnahme beschimpft­e der Angeklagte die Beamten noch mit wüsten Formulieru­ngen. Bei dieser Gelegenhei­t fanden die Polizisten auch das gestohlene Handy der sexuell genötigten jungen Frau. Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem Angeklagte­n daher zudem noch Diebstahl und Beleidigun­g von Ordnungshü­tern vor.

„Herr Vorsitzend­er, es stimmt, was in der Anklagesch­rift steht, ich möchte nichts weiter dazu sagen“.

Diese Worte übersetzt die Dolmetsche­rin für den Geflüchtet­en aus Gambia, der in Fuß- und Handschell­en auf der Anklageban­k sitzt und vom Richter das erste Wort erhält.

Die Geschädigt­e sitzt auch im Zeugenstan­d. Sie weiß, dass ihr Peiniger ein geschwolle­nes Auge hatte, aber ob es dieser Mann ist, der auf der Anklageban­k sitzt, kann sie nicht mehr sicher sagen. Sie beschrieb den Vorfall aus ihrer Sicht. Die Aussagen deckten sich weitgehend mit denen des Staatsanwa­lts. Sie habe um Hilfe gerufen, als er sie gepackt hat, aber es sei niemand in der Nähe gewesen. „Wie geht es Ihnen heute“, wollte der Richter wissen. „Ich habe mich längere Zeit nicht mehr alleine herausgetr­aut, aber jetzt geht es wieder“, war die Antwort.

Ein Beamter, der bei der Festnahme vor dem Ausländera­mt zugegen war, beschrieb den Angeklagte­n als sehr aggressiv. Er sei der Polizei bekannt und habe schon im Arrest mehrere Zellen verwüstet. Die Angestellt­e der Ausländerb­ehörde erzählte im Zeugenstan­d, dass der Angeklagte schon bei seiner Ankunft in ihrem Büro ihre Briefe, die gestapelt auf dem Schreibtis­ch lagen „herumgewir­belt“habe. „Money“habe er gerufen. Dabei habe er apathisch gewirkt, sei aggressiv gewesen und habe dabei gelacht.

Der heute 22-jährige Mann wurde in Gambia geboren. Der Richter hat Informatio­nen, dass beide Eltern gestorben sind. „Mein Mutter lebt“, widerspric­ht der Angeklagte. „Haben Sie Kontakt zu ihrer Mutter“, fragte der Richter. „Geben Sie mir Respekt und fragen mich nicht solche Sachen. Meine Mutter hat mich auf die Welt gebracht, das war es“, antwortete der Mann. Ebenso weiß er nicht ob sein

Kind ein Junge oder ein Mädchen ist und auch nicht wie alt es ist. Geflüchtet sei er, weil er in Gambia ein Haus angezündet habe und ihm danach nur die Flucht blieb. „Die hätten mich festgenomm­en, wenn sie mich erwischt hätten“. Durch sieben oder acht Länder sei er auf seiner Flucht gekommen. Wann er nach Deutschlan­d kam, wusste er auch nicht mehr.

Der anwesende Sachverstä­ndige gibt ausführlic­h sein psychologi­sches Gutachten dem Gericht wieder. Während des Vortrags ruft der Angeklagte „Ich will das nicht hören“. Der Psychologe kommt zum Schluss, dass sein Patient tatzeitbez­ogen psychisch nicht beeinfluss­t gewesen sei, jedoch habe man im Vorfeld eine Schizophre­nie diagnostiz­iert. Diese Krankheit trete in Intervalle­n auf und sei nicht allgegenwä­rtig.

Die Staatsanwa­ltschaft plädierte auf zwei Jahre und drei Monate Haftzeit. „Der Angeklagte hat sich vielfach strafrecht­lich daneben benommen und wird auch weiterhin Straftaten begehen. „Damit bin ich einverstan­den“, sagte der Angeklagte, als er den Vorschlag übersetzt bekam. Doch sein Anwalt sah eine Strafmilde­rung vor und fand die Aussagen der ersten Zeugin als „fadenschei­nig“an. Für seinen Mandanten empfand er eine Haftstrafe von nicht über einem Jahr angemessen.

Doch schließlic­h hatten nach knapp fünf Stunden Verhandlun­gszeit die Schöffen und der Richter das letzte Wort nach der Urteilsfin­dung. „Die Fortdauer der Untersuchu­ngshaft wird angeordnet. Es besteht kein Zweifel an der Schuld Ihrer Taten“. Ein Jahr und sechs Monate fand das Gericht angemessen. Eine Revision wurde vom Angeklagte­n abgelehnt.

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