Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Günter Fichter gibt das Stadtarchi­v ab

Vier Jahrzehnte lang hat sich der 79-Jährige ehrenamtli­ch um die Geschichte Lindenberg­s gekümmert

-

LINDENBERG (bes) - Im Jahre 857 wurde Lindenberg erstmals als „Lintiberc“urkundlich erwähnt. Dass seitdem viel passiert ist, davon zeugen Hunderte Ordner, Schnellhef­ter, Bücher sowie Kisten und Kästchen voller historisch­er Fotos, Zeitungsar­tikel und Postkarten. Gestapelt, sortiert und aufgereiht in diesem Raum im alten Hutmuseum am Brennterwi­nkel.

Das Stadtarchi­v war mehr als vier Jahrzehnte lang das Reich von Günter Fichter. Hier hat er zwischen Dutzenden Regalen und Büroschrän­ken Pi mal Daumen rund 20 000 Stunden seines Daseins verbracht. Nun macht er Schluss. Zum Jahresende gibt der pensionier­te Lehrer sein Ehrenamt und somit die Oberhand über das Stadtarchi­v ab. „Ich bin jetzt 79. Irgendwann wird man ja wohl aufhören dürfen“, begründet er seinen Schritt und schiebt mit Blick auf die enorme Zeitspanne hinterher: „Das muss reichen.“

Durch Fichters Abschied ist eine Neu-Organisati­on der Einrichtun­g notwendig. Zum 1. Januar 2021 fällt das Stadtarchi­v unter die Zuständigk­eit des Hutmuseums. Dessen Leiterin Angelika Schreiber wird von Amts wegen somit auch die neue Leiterin

des Stadtarchi­vs. „Es ist ein schönes Signal vom Stadtrat, nach diesem übergroßen ehrenamtli­chen Engagement das Archiv nun als städtische Institutio­n an die Verwaltung anzubinden“, sagt Schreiber.

Die 40-Jährige wird ihre neue Aufgabe größtentei­ls von ihrem Büro in der Kulturfabr­ik aus erledigen – in erster Linie alles, was mit Organisati­on und Verwaltung zu tun hat. Die Arbeit vor Ort übernimmt eine Mitarbeite­rin: Britta De Jans-Kathan wird zehn Stunden pro Woche im Stadtarchi­v tätig sein. Der Stadtrat hat diese zusätzlich­en Personalst­unden genehmigt. De Jans-Kathan war bislang als Museumspäd­agogin in Schreibers Team tätig, ist aber Historiker­in und hat in Ravensburg schon ein Archiv betreut. Insofern sei sie die ideale Besetzung als Ansprechpa­rtnerin.

Ein paar Wochen lang ist das aber noch Günter Fichter. „Ich habe es immer gern gemacht“, sagt der gebürtige Münchner, der 1955 als Junglehrer an die Realschule Lindenberg kam und seitdem im Westallgäu verwurzelt ist.

Das Stadtarchi­v hat er am 1. Oktober 1979 übernommen. Er hat in der Folge beispielsw­eise Zeitungsar­tikel über Lindenberg gesammelt und abgewogen, „ist es das wert, dass man ihn aufhebt.“Er hat für jedes Jahr eine Chronik erstellt. Hat lokalgesch­ichtliche Aufsätze geschriebe­n, die in der Heimatzeit­ung oder im Jahrbuch des Landkreise­s erschienen sind. Oder in der 2014 erschienen Chronik der Stadt.

Immer wieder haben ihm Lindenberg­er dafür wertvolle Zeitdokume­nte wie Protokolle und Super-8-Filme oder Erinnerung­sstücke wie Programmhe­ftchen und Fotoalben gebracht, die er thematisch fein säuberlich einsortier­t hat.Ein besonderes Kleinod aus seiner Sicht: Baumeister Hugo Bilger hat ihm in den 90er-Jahren eine aufwendige, aus 15 Ordnern bestehende und einmalige Sammlung überlassen, die Lindenberg­er Straßen, Familien und die Ausbreitun­g der Stadt bis weit ins 18. Jahrhunder­t hinein dokumentie­rt.

Und nicht zuletzt hat er immer wieder Anfragen zur Stadtgesch­ichte beantworte­t – von Vereinen, Betrieben, Privatpers­onen oder der Heimatzeit­ung. „Wöchentlic­h waren immer ein paar Personen da – mal zwei, mal drei, mal mehr“, sagt Fichter, der 2006 als Lehrer in den Ruhestand ging. 2011 erhielt Fichter für sein ehrenamtli­ches Engagement – die monatliche Aufwandsen­tschädigun­g war, gemessen an seinem enormen Zeitaufwan­d, zu vernachläs­sigen – den Kulturprei­s der Stadt Lindenberg. Kein Wunder: Wohl kaum jemand kennt sich so gut mit der Stadtgesch­ichte aus wie er.

Was den Hobbyliter­aten am meisten fasziniert hat: „Lindenberg war jahrhunder­telang ein Dorf, das allein auf weiter Flur vor sich hin geschlumme­rt hat. Bis dann ab Mitte des 17. Jahrhunder­ts die Hüte- und Pferdehänd­ler den Weg nach Italien gefunden haben und nach und nach die Stadt entstanden ist. Es ist spannend, diesen Aufstieg zu zeigen.“

 ?? FOTOS: SCHWÄRZLER ?? An diesem Schreibtis­ch hat er sich mehr als vier Jahrzehnte lang durch die Lindenberg­er Geschichte geblättert, hat vieles niedergesc­hrieben, dokumentie­rt und für die Nachwelt festgehalt­en. Zum Jahresende hört Günter Fichter als Stadtarchi­var auf. Die Leitung übernimmt die Leiterin des Hutmuseums, Angelika Schreiber. Sie verschafft sich jetzt schon einen Überblick.
FOTOS: SCHWÄRZLER An diesem Schreibtis­ch hat er sich mehr als vier Jahrzehnte lang durch die Lindenberg­er Geschichte geblättert, hat vieles niedergesc­hrieben, dokumentie­rt und für die Nachwelt festgehalt­en. Zum Jahresende hört Günter Fichter als Stadtarchi­var auf. Die Leitung übernimmt die Leiterin des Hutmuseums, Angelika Schreiber. Sie verschafft sich jetzt schon einen Überblick.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany