Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Zwei Frauen wollen mit ihren Keksen durchstarten
Trotz Corona-Krise gründen zwei Lindauerinnen ein Unternehmen – und das mit Anfang 60
LINDAU - Michaela Krieg und Marianne Sonnenfroh haben Großes vor. Denn aus einer Schnapsidee zu Beginn des ersten Corona-Lockdowns wurde mittlerweile ein Unternehmen, mit dem sie weltweit Erfolg haben möchten. Angefangen hat alles in der Küche von Michaela Krieg.
„Es war alles so einfach.“Michaela Krieg sagt einen Satz, den wohl die wenigsten Unternehmensgründer unterschreiben würden. Doch als sie und Marianne Sonnefroh die „Kekserei“– so heißt der Keks-Handel, den sie gerade aufbauen – im März dieses Jahres gegründet haben, schienen die Dinge sich von Anfang an ineinander zu fügen. Als für viele andere Geschäftsleute eine harte Zeit voller Verluste und Schließungen begann, haben die beiden Frauen aus Lindau es trotzdem gewagt und eröffneten eine Firma.
Die beiden Lindauerinnen sitzen am Küchentisch von Michaela Krieg und erzählen von den letzten neun Monaten, als eine Zeit, in der viel Gutes passiert ist. Denn: Ausnahmebewilligung, Logo entwerfen, Namensfindung, Logistik, Marketing-Ideen, Rezepte heraussuchen – das alles sei wie am Schnürchen gelaufen. „Uns wurden nie Steine in den Weg gelegt“, sagt Marianne Krieg. Das Logo zum Beispiel – das die Form eines runden braunen Keks mit roten Klecks in der Mitte hat – habe eine Jungdesignerin entworfen. „Während des Lockdowns im März hatte sie weniger zu tun und hat uns im Handumdrehen ein super Logo designt“, sagt Marianne Krieg. Die Homepage hat der Sohn von Marianne Sonnenfroh programmiert. Fachliche Hilfe für die Rezepte kam von einem befreundeten Bäckermeister, der auch als dritter Gesellschafter mit ins Unternehmen einstieg.
Begonnen hat alles mit einem Moment, den Michaela Krieg und Marianne Sonnenfroh als einen besonderen beschreiben: Die beiden Frauen hatten gerade Kekse für Freunde und
Bekannte gebacken und die Resonanz war groß: Allen hat es so gut geschmeckt, dass den Frauen klar war: Da müssen sie etwas draus machen.
„Wir mussten einfach starten“, sagt Krieg heute. Und Sonnenfroh fügt hinzu: „Es gibt Dinge, da kommt man nicht dran vorbei.“
Also fingen sie an, zu backen. Zunächst noch zu Hause. Schnell seien erste Aufträge von kleineren Unternehmen, Agenturen, einem Steuerberaterbüro zum Beispiel, gekommen und der Platz reichte nicht mehr aus. „Wir haben schnell gemerkt, dass wir solche Massen nicht zu Hause backen können“, sagt Michaela Krieg.
Jetzt dient eine alte Bäckerei mit Profibackofen als Produktionsstätte. „Einmal hatten wir für einen Auftrag 120 Kilo Gebäck gemacht“, sagt Michaela Krieg. Es gebe Zeiten, da backen sie jeden Tag zwölf Stunden. Und das drei Tage hintereinander.
Wenn die beiden Frauen dann „Backtage“haben, treffen sie sich dort, um aus riesigen Teigballen kleine, detailverliebt Kekse zu backen: Teig in Scheiben schneiden, ausrollen, formen und auf den großen Blechen auslegen. Wenn die Kekse im Ofen waren, verzieren sie diese und legen sie zum Trocknen in Boxen. „Backen bedeutet für uns, abzuschalten und sich ganz einer Sache zu widmen“, sagt Marianne Sonnenfroh.
Hinter der Geschäftsidee steckt für die beiden Frauen aber mehr: „Wir wollen den Keks aus der Weihnachtsecke holen“, sagt Michaela Krieg. Die Idee: Kekse in den Cafés als Alternative zum Kuchen etablieren. „Oft möchte man kein ganzes Stück Kuchen essen – und dann wäre ein Teller mit verschiedenen Keksen doch genau das Richtige.“Dafür haben sie die beiden über 20 Rezepte überlegt – teilweise alte Familienrezepturen, teilweise gemeinsam mit einem Bäckermeister entwickelt. Und jeder der Kekse hat einen eigenen Namen: „Doppel Glück“, ein runder Doppelkeks mit Rotwein im Teig und rosa Pfeffer verziert oder „Gold Stück“, bestehend aus Mürbeteig und mit weißer Schokolade überzogen oder auch „Rosmarinchen“, ein Keks, der mit Rosmarin und Zitrone gebacken ist.
Zu Hause verpacken sie die Kekse dann in durchsichtige Tütchen. Dort stapeln sich im Yogaraum und in der Küche von Marianne Krieg die Boxen.
Mittlerweile werden die Aufträge auch von Privatpersonen mehr. Denn seit Ende Oktober ist die Webseite online, worüber man KeksPäckchen bestellen und an entfernte Familienmitglieder verschicken lassen kann – mit personalisierter Karte. „Egal, wie groß wir mal werden, das ist etwas, was wir immer beibehalten wollen“, sagt Michaela Krieg.
Flüchtig kennen sich die beiden Frauen, die mit 61 und 62 Jahren fast im gleichen Alter sind, schon länger. Enger wurde es dann vor circa drei Jahren, als sie sich zufällig bei einer Veranstaltung über den Weg liefen. Auf ein Treffen im Café ein paar Tage später folgte dann ein gemeinsames Wellness-Wochenende. „Wir hatten uns aktiv dafür entschieden, uns kennenzulernen“, sagt Krieg. Und: „Mittlerweile sind wir Freundinnen“, sagen beide.
Und auch ein eingespieltes Team: Michaela Krieg, die eigentlich Trauerrednerin ist, arbeitete früher im Marketingbereich und kenne sich dadurch mit Markenbildung aus. Das sieht man dem Konzept hinter der Idee auch an: Neben passenden Aufklebern für die Kekstüten gibt es einen großen Banner, Visitenkarten, Briefpapier und Schürzen – alles ist farblich aufeinander abgestimmt. Die Frauen haben einiges investiert. „Wir brauchen keine Agentur, die sich eine Geschichte für uns überlegt“, sagt Krieg. Und: „Wir haben unsere eigene Geschichte.“
Marianne Sonnenfroh ist eigentlich systematische Familientherapeutin und dafür viel im Ausland, zum Beispiel auf Hawaii, unterwegs. Sie bringt zum einen die Leidenschaft zum Backen mit ins Team. „Schon vor zwanzig Jahren, als Mottotorten noch gar nicht modern waren, habe ich für den Geburtstag meines Sohnes welche gebacken – einmal mit einem Garten und Apfelbäumen darauf“, erzählt sie. Sie ist diejenige im Team, die manchmal bremsen muss, während Michaela Krieg gerne Gas gibt. „Ich setze Ideen einfach gerne direkt um“, sagt Krieg. Im April habe sie einen Laden kaufen wollen, um dort die Kekse verkaufen zu können. Sonnenfroh war dagegen. „Ich finde, wir müssen auf gesundes Wachstum achten“, sagt sie. In ihren Jobs möchten die beiden weiterarbeiten. Auch wenn sie aktuell mehr Zeit in die „Kekserei“stecken. „Wir möchten am Anfang noch alles selbst machen, auch die Basisarbeit“, sagt
Michaela Krieg. Erst nach und nach sollen dann Mitarbeiter dazukommen. Zum Bespiele andere Frauen über 60, die ein paar Stunden in der Woche backen möchten. „Wir wollen in unserem Unternehmen gerne alte und junge Menschen zusammenbringen“, sagt Sonnenfroh.
Die beiden Frauen haben viele Visionen. Mit Anfang 60 denken sie noch lange nicht an die Rente. „Ich habe mich nie gefragt, ob ich das mit 62 noch will. Das war klar“, sagt Marianne Sonnefroh. Es wäre etwas Anderes, im Alter eine Firma zu gründen, als mit 25. „Unsere Existenz hängt nicht davon ab und trotzdem machen wir es“, sagt Krieg. „Just for fun.“Also hauptsächlich zum Spaß. Dass den beiden Frauen die Arbeit Spaß macht, das merkt man ihnen an. „Man muss immer seinem Herzen folgen und das haben wir gemacht“, sagt Marianne Sonnenfroh. Wenn sie davon erzählen, leuchten ihre Augen. Und zu erzählen gibt es vieles, denn die beiden Lindauerinnen haben noch einiges vor: Sie möchten ein weltweites Unternehmen werden. „Das Potenzial ist da, um ein Riesending zu werden“, sagt Marianne Sonnenfroh.
Durch ihre Arbeit im Ausland wisse sie, dass dort oft Deutsche leben, unter denen sie ihre Idee auch verbreiten möchten. „Über Facebook und Instagram wäre das zum Beispiel möglich“, sagt sie. Marianne Krieg hat die Idee, vor allem an ältere Menschen damit heranzutreten. „Man könnte in Altenheimen regelmäßig Kekstüten verteilen und den Menschen dort so eine Freunde bereiten“, sagt sie. In den letzten Monaten sei die Gründung so wichtig für sie gewesen, dass sie mittlerweile an fast nichts anderes denken. „Ich stehe morgens mit dem Gedanken auf und gehe abends damit ins Bett. Das erfasst mich und ist etwas sehr Belebendes“, so Krieg.