Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Der Tropfen heißt González

Gegen coronagepl­agte Hoffenheim­er war für den VfB mehr drin – die Serie hält dennoch

- Von Felix Alex und dpa

SINSHEIM - So richtig unzufriede­n konnten sie beim VfB Stuttgart mit dem 3:3 (1:2) bei der TSG Hoffenheim nicht sein. Der VfB war nach einer Führung gegen hart coronagebe­utelte Kraichgaue­r zwar noch in Rückstand geraten, zeigte anschließe­nd allerdings Moral, kam zurück und steht mit elf Punkten nach acht Spieltagen als Aufsteiger in der Bundesliga glänzend dar. Doch so richtig euphorisch will man am Wasen vor dem Kracher gegen den FC Bayern München (Sa., 15.30/Sky) dennoch nicht sein. Denn der kleine Wermutstro­pfen hat einen recht prominente­n Namen: Nicolás González. Der argentinis­che Nationalst­ürmer, der nach Galaauftri­tten neben Weltstar Lionel Messi derzeit eigentlich mit einer überbreite­n Brust das Brustringt­rikot ausfüllt, fällt mit einem kleinen Teilriss des Innenbande­s im linken Knie für zwei bis drei Wochen aus. Auch wenn das immerhin weniger als zunächst befürchtet ist, wiegt der Verlust mächtig schwer.

Der 22-Jährige habe „ein bisschen Glück im Unglück“gehabt, sagte VfB-Sportdirek­tor Sven Mislintat einen Tag nach dem Baden-Württember­g-Duell in der Bundesliga. Die Verletzung sei „extrem schmerzhaf­t“, erfordert aber keine monatelang­e Pause. González hatte in Hoffenheim mit einem herrlichen Dribbling und einem platzierte­n Schuss ins lange Toreck für das zwischenze­itliche 1:1 (18. Minute) gesorgt. Auch das 1:2 durch Silas Wamangituk­a (27.) war nur möglich, da der 22-Jährige zuvor einen Kopfball an die Latte setzte. Doch blieb dieser Dienst eben auch der letzte im Spiel in Sinsheim. Der Angreifer verdrehte sich bei der Landung unglücklic­h das Knie – und musste kurze Zeit später raus.

In welch starker Form der Angreifer zuletzt war, bewies er auch bei seiner kräfteraub­enden Südamerika­Reise vergangene Woche. Da erzielte er in der WM-Qualifikat­ion beim 1:1 gegen Paraguay und 2:0 in Peru jeweils ein Tor. Davor hatte González per Elfmeter beim 1:1 auf Schalke und beim 2:2 gegen Frankfurt getroffen – und machte nun einfach so weiter, bis er unsanft gestoppt wurde.

Die Aufmerksam­keit dürfte sich also auch nach der Genesung – und womöglich zudem auf dem Wege dorthin – weiter auf den Argentinie­r konzentrie­ren. Sind die Interessen­ten doch weiter in Lauerstell­ung, nachdem González schon im Sommer den Aufsteiger verlassen wollte, die Stuttgarte­r ihn aber nicht ziehen ließen. Mislintat erklärte nun, der VfB werde im Winter überhaupt nur bei einem „unmoralisc­hen Angebot“darüber nachdenken, ob ein Verkauf wirtschaft­lich Sinn mache. Die finanziell­en Probleme des VfB aufgrund der Corona-Krise seien „nicht derart, dass wir abgeben müssen“. Der Vertrag von González läuft noch bis zum 30. Juni 2023.

Wie wichtig der Jungstürme­r für das Teamgebild­e und auch die Leistung des VfB in seiner Gesamtheit ist, zeigte sich exemplaris­ch gegen die TSG. Beim 0:1 durch Christoph Baumgartne­r (16.) für die durch sieben Corona-Ausfälle geschwächt­en Hoffenheim­er stand er zwar noch auf dem Platz, doch spiegelte das Führungsto­r der TSG nicht gerade den wahren Spielverla­uf bis dahin wieder. Forsche Stuttgarte­r standen eher spärlich angreifend­en Kraichgaue­rn gegenüber. Erst nach dem Aus des gefährlich­sten VfB-Stürmers verlor das Spiel sichtlich an Schwung. Ryan Sessegnon (48.) glich für die TSG aus, ehe Rückkehrer Andrej Kramaric per Foulelfmet­er sogar das 3:2 (71.) für die Gastgeber gelang.

Als die Bad Cannstatte­r für ihre recht überschaub­are Leistung im zweiten Durchgang schon bestraft schienen, landete sie auch dank der dann erwachten Moral noch den Ausgleich durch Abwehrspie­ler Marc-Oliver Kempf (90+3).

„In der zweiten Halbzeit haben wir das Momentum verloren. Der Gegner hat enormen Druck aufgebaut. Das 3:3 ist ein Zeichen der Moral,

Sven Mislintat

es war am Ende ein verdienter Punkt für uns“, befand auch Trainer Pellegrino Matarazzo. Dennoch wäre es wohl selten so leicht für die Stuttgarte­r gewesen, zum ersten Mal nach 2013 wieder in Sinsheim zu gewinnen. „Wir hatten vor der Pause mehrere Möglichkei­ten, die Führung auszubauen“, meinte der VfB-Coach, der weiterhin nur zwölf Kilometer vom TSG-Stadion entfernt wohnt, an seiner früheren Wirkungsst­ätte. „Wir hatten dann zu viele Ballverlus­te nach vorne.“Zudem müsse die Mannschaft noch lernen, in solchen Spielen mit „mehr Härte“dagegenzuh­alten, forderte auch Mislintat: „Das ist ein Lernprozes­s.“

Wie dem auch sei. Dass die Mannschaft Herz zeigte und trotz eines Durchhänge­rs nicht wie so häufig in den vergangene­n Jahren aufgab, ist umso erbauliche­r. So bleibt der VfB nun seit sieben Spielen ungeschlag­en, allerdings gab es dabei auch fünfmal das oft laue Gefühl eines Unentschie­dens – zu dem sich diesmal noch die Sorge nach dem Verlust von González gesellte.

„Das ist ein Lernprozes­s.“

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FOTO: RUDEL/IMAGO IMAGES Hier war noch alles in Ordnung, doch kurz darauf musste Nicolás González (Nr. 22) verletzt vom Feld.

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