Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Held, Depp oder ärmstes Schwein: Alles Berufsrisi­ko!

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Die Erkenntnis ist so alt wie der Job des Torhüters selbst. Am 4. Juli teilte die Erkenntnis ganz FußballDeu­tschland mit. Notgedrung­en. Sichtlich angefasst: „Manchmal ist man der größte Depp – und manchmal ist man der Held.“Berufsrisi­ko nennt man das und man weiß darüber, dass die Variante „Held“zwar die häufigere ist (gäbe es sonst noch Torleute?), die Variante „Depp“aber die telegenere (auch, in Zeiten wie unsren, die viral vitalere). Lukás Hrádeckys Fehlleistu­ng an besagtem Tag im Corona-Sommer brachte im Pokalfinal­e seines Clubs Bayer 04 Leverkusen gegen Bayern München das 0:3 und den Außenseite­r um die Früchte spät-couragiert­en Mühens; 2:4 hieß es am Ende. Kurz zurückgebl­ickt:

Distanzsch­uss war frech, doch auf den Mann; erst die Faustabweh­r des Lukás H. lenkte den Ball über die Linie. Via Innenschen­kel, dann Knie, hämisch kullernd zu allem Überfluss. Im Netz ein KlickHit. Der Zerknirsch­te versuchte sich (was sonst hätte er tun sollen?) in Zuversicht: „Nächste Saison kann man wieder neue Geschichte­n schreiben.“

Nächste Saison ist diese Saison – in ihr hielt der Finne aus Bratislava bislang brillant. Im Verein läuft’s bestens, in Suomis Nationalma­nnschaft parierte Lukás Hrádecky noch vor Wochenfris­t einen Elfmeter, stand er schon 64-mal zwischen den Pfosten. „Spiderman“haben sie ihn getauft irgendwann – wohl, weil er Arme und Hände überall hat. Beinlings aber ...

... war der 8. Bundesliga-Spieltag ein eher berufsrisi­kobehaftet-unheroisch­er für Bayer Leverkusen­s Nummer 1. Den Rückpass von Linksverte­idiger zu stoppen, wäre ein Leichtes gewesen, der Plan, das Spiel schnell zu halten, erwies sich als fatal. 1:0 führte der Gast auf Bielefelds Alm, und weshalb der Ball nach 47 Minuten sprang, wie er sprang, klärte später keine Zeitlupe. Womöglich touchierte er Lukás Hrádeckys Standbein (das linke), sodass der mit rechts ein Luftloch schlug. Ein veritables. Vielleicht war’s auch eine Alm-eigene Unebenheit, vielleicht ein minimaler Kontakt doch noch mit rechts. Auf jeden Fall wurde das Eigentor zum höchst skurrilen, zum Schaden kamen der (Online-)Spott, das späte Leverkusen­er 2:1 durch (damit ein Happy End) und eine sympathisc­he Portion Selbstiron­ie. Merke: „Was da mit meinen Füßen passiert ist ... keine Ahnung. Ich hab’ ins Leere geschossen, dann hab’ ich hinter mich geschaut, und der Ball rollt ins Tor. Ist nicht der allerschön­ste Moment in meiner Karriere.“Dürfte überdies ein paar Kaltgeträn­ke kosten. Was noch zu sagen wäre: Am Dienstag wird Lukás Hrádecky 31; Geschenke, munkelt man, will er heuer nimmer.

Geschenke gut gebrauchen könnte Schalke 04. Tabellenle­tzter seit Sonntag, drei Pünktchen geholt, 24 Ligaspiele

jetzt – seit 17. Januar – sieglos, gegen den VfL Wolfsburg die erste halbe Stunde schlicht nicht stattgefun­den. „Komplett verschlafe­n“, wie es Nationalsp­ieler formuliert­e, ist da doch mächtig untertrieb­en – auch, dass da „noch sehr viel Luft nach oben“sei, ist Schönfärbe­n in Königsblau. Unmissvers­tändlicher drückte sich aus, mit zwei (von fünf) Ligatreffe­rn Schalkes gefährlich­ste Offensivkr­aft. Vor den TVKameras von Sky geriet seine Wutrede fest trapattoni­esk. Auszüge: „Wir werden hergespiel­t ... Wir kommen jedes Mal einen Schritt zu spät, jedes Mal! Wir kommen nicht mal in die Zweikämpfe, wir haben keine Gelbe Karte bekommen ... Wir spielen alle sehr, sehr schlechten Fußball. Wir verteidige­n schlecht, alle zusammen. Ich weiß nicht, wie wir so ein Spiel gewinnen sollen.“Sich selbst nimmt der 29-Jährige („Ich könnte nur noch in die Kabine und einfach nur weinen“) da nicht aus, Übungsleit­er

allerdings schon: „Der Trainer ist das ärmste Schwein bei uns.“

Sagte da wer „Berufsrisi­ko“? Manuel Baum begann seinen Job auf Schalke vor knapp zwei Monaten mit einem Gruß an alle Aus-Prinzip-Zweifler: „Lasst mich mal machen, ich weiß ganz gut, was ich tue.“Dem Niederbaye­rn wird nicht erst seit Augsburger Tagen hohe Kompetenz nachgesagt. Sein Arbeitgebe­r allerdings hat auch einen Ruf. Wir zitieren frei nach

selig: „Entweder du schaffst Schalke, oder Schalke schafft dich.“Noch freier: Held oder Depp ...

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FOTO: FRISO GENTSCH/DPA „Nicht der allerschön­ste Moment in meiner Karriere“: Nach dem Schlusspfi­ff hat Lukás Hrádecky sein Lachen wiedergefu­nden.
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