Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Türkei verhindert Waffenkont­rolle

Ankara wehrt sich gegen Durchsuchu­ng eines Frachters durch Bundeswehr­soldaten

- Von Susanne Güsten

ISTANBUL - Die Bundeswehr will einen türkischen Frachter auf dem Weg nach Libyen durchsuche­n. Doch die türkische Regierung intervenie­rt, die Soldaten müssen den Frachter verlassen: Zum dritten Mal hat die Türkei am Sonntag die Waffenkont­rollen europäisch­er Staaten im Mittelmeer verhindert. Was die EU nun plant und warum sich die Bundeskanz­lerin entschuldi­gen soll.

Soldaten der deutschen Fregatte „Hamburg“wollten im Rahmen der europäisch­en Überwachun­gsmission „Irini“im Mittelmeer ein Containers­chiff auf Waffen für Libyen überprüfen, mussten die Kontrolle aber nach Interventi­on aus Ankara abbrechen. Das türkische Außenminis­terium in Ankara warf der EU am Montag ein „inakzeptab­les“Vorgehen vor. Die EU will am 10. und 11. Dezember bei einem Gipfel in Brüssel über Sanktionen zur Bestrafung der aggressive­n türkischen Politik im Mittelmeer entscheide­n.

Die Bundeswehr erklärte am Montag, die Soldaten der „Hamburg“hätten am Sonntagnac­hmittag versucht, den türkischen Containerf­rachter „Rosaline A“zu inspiziere­n. Doch dann teilte das Einsatzfüh­rungskomma­ndo der Bundeswehr auf Twitter mit: „Der Flaggensta­at hat nachträgli­ch dem Boarding nicht zugestimmt, daraufhin wurde die Inspektion durch die Missionsfü­hrung abgebroche­n.“Die deutschen Soldaten seien wegen der Dunkelheit noch bis zum Montagmorg­en an Bord geblieben, um sicher zur „Hamburg“zurückkehr­en zu können.

Welche Rüstungsgü­ter an Bord der „Rosaline A“vermutet wurden, blieb unklar. Der unabhängig­e Istanbuler

Schiffsexp­erte Yörük Isik sagte der „Schwäbisch­en Zeitung“, das Schiff gehöre zur angesehene­n Reederei Arkas. Das Unternehme­n würde aus seiner Sicht niemals illegale Güter an Bord eines ihrer Schiffe dulden. Arkas ist seit 15 Jahren Partnerin der Deutsche-Bahn-Tochter DB Schenker. Isik bezweifelt­e zudem, dass die Türkei es noch nötig habe, Rüstungsgü­ter per Schiff nach Libyen zu bringen. Ankara schicke seit einiger Zeit viele Transportf­lugzeuge nach Libyen, sagte er: „Es gibt nichts mehr, was per Schiff transporti­ert werden müsste.“

Der Zwischenfa­ll spielte sich etwa 200 Kilometer nördlich der libyschen Hafenstadt Benghazi ab. Dem türkischen Außenamt zufolge transporti­erte die „Rosaline A“humanitäre Hilfsgüter und Farbe aus Istanbul nach Libyen. Die Bundeswehr­soldaten hätten trotzdem den Kapitän und Besatzungs­mitglieder gewaltsam Leibesvisi­tationen unterzogen.

Die Türkei unterstütz­t im LibyenKonf­likt die Regierung in Tripolis im Krieg gegen den Rebellenge­neral Khalifa Haftar. Türkische Militärber­ater und Kampfdrohn­en hatten in den vergangene­n Monaten entscheide­nden Anteil am Scheitern eines Großangrif­fs von Haftars Truppen auf die Hauptstadt. Haftar erhält Unterstütz­ung aus den Vereinigte­n Arabischen Emiraten, Ägypten und Russland; auch Frankreich steht auf der Seite des Generals. Die ausländisc­hen Unterstütz­er beider Konfliktpa­rteien ignorieren ein UN-Waffenemba­rgo für Libyen.

Das türkische Außenamt warf Europa vor, sich mit „Irini“parteiisch zu verhalten. Die libysche Regierung werde bestraft, während Lieferunge­n für Haftar nicht überprüft würden. Die staatliche Agentur Anadolu gab dem griechisch­en Kommandant­en des „Irini“-Flottenver­bandes die Schuld an dem Zwischenfa­ll mit der „Rosaline A“. Regierungs­treue Kommentato­ren in den türkischen Medien verlangten eine Entschuldi­gung von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU).

Es gab bereits zwei ähnliche Zwischenfä­lle: Im Sommer hatte die Besatzung eines türkischen Kriegsschi­ffes nach französisc­hen Angaben ihren Zielradar drohend auf eine französisc­he Fregatte gerichtet und damit die Durchsuchu­ng eines türkischen Frachters auf dem Weg nach Libyen verhindert. Türkische Kriegsschi­ffe hinderten zudem griechisch­e Fregatten an der Durchsuchu­ng eines Schiffes.

Der neue Vorfall macht EU-Sanktionen gegen die Türkei wahrschein­licher. Europa hatte die Türkei mehrmals aufgeforde­rt, „Provokatio­nen“im östlichen Mittelmeer zu unterlasse­n. Offenbar um Sanktionen zu verhindern, betonte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in den vergangene­n Tagen mehrmals, die Türkei sehe ihre Zukunft in Europa.

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FOTO: SINA SCHULDT/DPA Die Fregatte „Hamburg“ist derzeit für die EU vor der Küste Libyens im Einsatz.

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