Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Wie Corona die Preise für Wohnraum beeinflusst
Das Interesse am Eigenheim ist ungebrochen – Warum die Krise den Markt sogar noch härter gemacht hat
LEUTKIRCH/REGION - Die CoronaKrise nimmt großen Einfluss auf die Wirtschaft – auch in der Region. Arbeitnehmer sind in Kurzarbeit, einige Geschäftsinhaber stehen kurz vor der Aufgabe. Doch der Immobilienmarkt scheint von der Krise unbeeindruckt. Die Preise steigen im Kreis Ravensburg auch im Krisenjahr deutlich.
Das Maklerunternehmen Baur Immobilien mit Hauptsitz in Weingarten und Standorten in Ravensburg, Biberach und Riedlingen bietet Häuser und Wohnungen in der Region zwischen Ulm und dem Bodensee zum Kauf an. Inhaber Frank Baur hatte im Frühjahr aufgrund der CoronaPandemie mit einem Rückgang des Kaufinteresses gerechnet. „Im April haben wir unsere Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt“, sagt er. Inzwischen habe das Unternehmen sechs zusätzliche Mitarbeiter eingestellt, um dem aktuell enormen Interesse an Immobilien gerecht zu werden.
Auch Marc Wiedenmann, Direktor Baufinanzierung und Immobilien bei der Kreissparkasse Ravensburg, und Agathe Peter, Bereichsleiterin Baufinanzierung und Immobilien bei der Volksbank Allgäu-Oberschwaben, nehmen ein unverändertes Interesse an Immobilien wahr. „Wir sind nach wie vor Zuzugsgebiet und die Grundstücke werden immer knapper“, sagt Wiedenmann. Die Krise habe nichts an der Attraktivität der Region geändert. Er beobachtet eine gleichbleibend hohe Nachfrage nach Immobilien in und rund um die Städte in Oberschwaben und dem Allgäu. „Stand heute hat die CoronaKrise keine direkten Auswirkungen auf die Immobilienpreise - sie steigen immer noch an“, sagt auch Agathe Peter. In der Region seien die Immobilienpreise in den vergangenen drei Jahren jeweils um etwa sechs Prozent gestiegen, so Peter.
Laut einer Statistik des Portals Immowelt kostet beispielsweise ein Einfamilienhaus in Ravensburg derzeit rund 684 000 Euro. Für eine Doppelhaushälfte müssten Interessenten etwa 387 000 Euro bezahlen. Doch die dort aufgeführten Summen spiegeln nicht immer die wahren Marktbegebenheiten wider. Einbezogen werden nämlich nur Immobilien, die über das Portal verkauft werden. Häuser und Wohnungen, die privat oder über einen Makler verkauft werden, finden sich dort nicht. Außerdem sind die Preise im Portal die Angebotspreise. Für welche Summe eine Immobilie dann tatsächlich verkauft wird, ist dort nicht festgehalten. Dennoch können Statistiken wie diese Trends am Markt in der Region aufzeigen, sagt Frank Baur vom gleichnamigen Maklerunternehmen.
Trotz der unverändert steigenden Preise bemerkt er seit diesem Jahr eine deutliche Veränderung auf dem Immobilienmarkt in der Region. „Der Markt ist noch umkämpfter als in den Jahren zuvor“, sagt Baur. Das liege vor allem daran, dass viele Eigentümer aufgrund der unsicheren Lage beim Verkauf zögern und ihre Immobilie vorerst behalten. Dem gegenüber stehen deutlich mehr Anleger, die ihr Geld in Immobilien investieren möchten. „Viele vertrauen dem Euro gerade nicht und wollen ihr Geld investieren“, sagt Baur. Es seien aktuell also weniger Objekte auf dem Markt - bei einem höheren Interesse. „Der Druck auf die einzelnen Immobilien wird immer höher und der Ton auf dem Käufermarkt ist in diesem Jahr spürbar rauer geworden“, sagt der Baur. Immer mehr sind verzweifelt auf der Suche nach einer Immobilie. Noch im vergangenen Jahr hätten Interessenten beim Preis gehandelt. Das sei in diesem Jahr nicht so, sagt Baur. „Es wird nicht mehr gehandelt. Die Interessenten zahlen den angegebenen Preis oder bieten sogar an, noch etwas draufzulegen.“
Allen, die aktuell eine Immobilie zum Kauf suchen, rät Baur eine gute Vorbereitung. „Die Konkurrenz ist groß. Deshalb sollten Interessenten die Finanzierung ihrer Immobilie bereits vorab geklärt und bestätigt haben“, sagt er. Auch Matthias Bauer vom Bereich Bauen, Wohnen, Energie der Verbraucherzentrale BadenWürttemberg empfiehlt Kaufinteressenten eine umfassende Vorbereitung.
„Solch eine Investition macht man in den meisten Fällen nur einmal im Leben. Deshalb muss sowohl die Finanzierung als auch die Entscheidung für eine Immobilie gut geprüft und überlegt sein“, sagt Bauer. Er empfiehlt Interessenten, genau zu hinterfragen, ob die Immobilie zu ihren Bedürfnissen passt und sich unabhängig von mehreren Stellen, beispielsweise von Architekten, der Hausbank und der Verbraucherzentrale, beraten zu lassen. „Man sollte an so ein großes Projekt nicht blauäugig herangehen. Auch wenn derzeit Knappheit am Markt herrscht, sollte man nicht vorschnell handeln“, sagt er.
Doch welchen Einfluss hat die Krise auf diejenigen, die bereits eine Immobilie besitzen und sie gerade abbezahlen? Droht die Immobilienblase in der Region zu platzen, weil bald zahlreiche Eigentümer ihre Kredite nicht mehr bedienen können und ihre Immobilie verkaufen müssen? Nein, sagen sowohl der Experte der Kreissparkasse Ravensburg, als auch die Expertin der Volksbank Allgäu Oberschwaben.
Denn schon beim Abschluss solcher Finanzierungen werde für unvorhersehbare Ereignisse vorgesorgt. „Standardmäßig fordern wir von Kreditnehmerinnen und Kreditnehmern einen Mindesteigenkapitaleinsatz, sodass wir keine Gefahr für hohe Ausfallrisiken sehen. Auch bei der Belastungsgrenze der monatlichen Rate treffen wir bereits vorab gemeinsam mit den Kunden entsprechende Vorsorgemaßnahmen“, sagt Agathe Peter von der Volksbank Allgäu-Oberschwaben. Außerdem habe es im Frühjahr auch staatliche Hilfen und Angebote für vereinfachte Anträge für Tilgungs- und Ratenaussetzungen gegeben. Dieses Angebot hätten sowohl bei der Volksbank Allgäu-Oberschwaben als auch bei der Kreissparkasse einige Kunden in Anspruch genommen. Eine drohende Immobilienblase sehen beide Experten in den kommenden Jahren nicht.