Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Frauen für Frauen
Politikerinnen schließen sich über die Parteigrenzen hinweg zusammen, um sich gegenseitig zu unterstützen
KEMPTEN/OBERALLGÄU - Wenn sich eine Frau engagiert, sei es in einer Partei oder einem Verein, dann hat sie häufig die eine Rolle inne: Sie darf als Schriftführerin das Protokoll führen, Reden schwingen in der Regel die Männer. Diese Beobachtung haben die Kemptener und Oberallgäuer Bezirksrätinnen Daniela Busse (FDP), Renate Deniffel (CSU) und Barbara Holzmann (Grüne, fotos: Lienert, Summerer) alle gemacht. Die Politikerinnen wollen Frauen mehr Gehör verschaffen und andere motivieren, sich ebenfalls zu engagieren. Deswegen haben sie sich zusammengeschlossen – über die Parteigrenzen hinweg.
Renate Deniffel engagiert sich seit 25 Jahren in der CSU, mittlerweile steht sie seit Mai als Bürgermeisterin an der Spitze Wildpoldsrieds. Sie ist die erste Frau, die im nördlichen Oberallgäu eine Gemeinde leitet. „Ich bin dankbar, dass sich am tradierten Bild etwas geändert hat“, sagt sie. Doch das, was sich getan habe, reiche längst nicht aus. Nach wie vor säßen in Entscheidungsrunden oft (fast) nur Männer, kritisiert Barbara Holzmann. Dabei ist die Hälfte der Gesellschaft weiblich.
Es sind noch weitere Bezirksrätinnen aus ganz Schwaben, die sich miteinander vernetzen, sagt Daniela Busse. Als Nächstes geplant ist ein frauenpolitisches Forum, zu dem alle schwäbischen Oberbürgermeisterinnen, Landrätinnen, Bürgermeisterinnen und Stellvertreterinnen eingeladen sind. Doch den Politikerinnen geht es insbesondere auch darum, Frauen zu motivieren, die sich bislang noch nicht politisch engagieren.
Denn junge Frauen betrachten die Strukturen in Parteien oft als verkrustet, sagt Daniela Busse. Viele hätten den Eindruck einer Hinterzimmer-Politik älterer Männer.
Auch für Busse sei es anfangs ein komisches Gefühl gewesen, als sie bei ihrem ersten FDP-Stammtisch die einzige Frau war.
Die Bezirksrätinnen sind sich einig: Mehr weibliche Vertreterinnen täten der Politik gut. „Frauen kommunizieren anders“, sagt Renate Deniffel. Deren Wortbeiträge seien in der Regel kürzer und prägnanter, erklärt Daniela Busse den Unterschied. Barbara Holzmann ergänzt: „Frauen kommunizieren zielführender und präziser.“Außerdem hätten sie andere Herangehensund Sichtweisen. Alle drei Politikerinnen betonen, dass sie ihre männlichen Kollegen sehr schätzen. „Aber es kann nicht sein, dass sich Frauen den männlichen Ritualen anpassen“, sagt Barbara Holzmann. Es sei wichtig, dass Frauen eine andere, eine selbstverständliche Rolle innehaben. Ein Knackpunkt sei nach wie vor die Erziehungsarbeit: „Die Männer machen Karriere, während die Frauen daheim sind.“Die Corona-Krise habe dieses Missverhältnis noch klarer aufgezeigt.
Um in der Sache vorwärtszukommen, seien auch die männlichen Politiker gefragt: Sie müssten sich ebenfalls dafür einsetzen und noch mehr Frauen anwerben, fordert Renate Deniffel. Das bedeute allerdings, dass Männer Macht abgeben, sagt Barbara Holzmann. „Das ist nicht immer ganz einfach.“
Und: „Was man bei Frauen merkt, ist dass sie sich den Schritt in die Politik häufig nicht zutrauen“, bedauert Daniela Busse. Umso wichtiger sei es, andere an die Hand zu nehmen. Und selbst ein Vorbild zu sein. Auch Daniela Busse hatte ein Vorbild, das sie motivierte: die Oberallgäuer FDP-Politikerin Gisela Bock.