Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Behinderte Frau kämpft um mehr Teilhabe
Trotz stark eingeschränkter Mobilität lehnen Behörden Parkerleichterung ab
RAVENSBURG - „Ich will mit meinen 47 Jahren auch noch teilhaben am Leben in Ravensburg“, sagt Wibke Liebhart. Doch das wird der schwerbehinderten Frau vonseiten der Behörden nicht leicht gemacht. Schon seit über einem Jahr kämpft sie um eine Parkberechtigungskarte, weil sie ohne Auto nicht mobil ist. Ohne Erfolg.
Wibke Liebhart war auf dem Weg zu ihrer Arbeit als Berufsschullehrerin, als am 20. November 2007 an einer Kreuzung ein Auto in ihren Wagen krachte. Dabei erlitt sie ein Schädel-Hirn-Trauma, lag im Koma. Seither ist sie gehbehindert. Beim Gehen ist sie stark verlangsamt, unsicher und schwankend. Nur in ihrer Wohnung in Weißenau kann sie sich ohne Rollator bewegen.
Nun ist die 47-Jährige aber gern unter Menschen. Geht gerne in die Bücherei, macht Malkurse, sitzt auch mal ins Café. Ihr Problem: Dafür braucht sie ihr Auto. „Ich bin froh, dass ich inzwischen wieder Auto fahren kann“, sagt sie am Tisch in ihrem gut geheizten Wohnzimmer. Allerdings kommt sie auch mit dem Rollator nicht sehr weit, muss also unbedingt so zentral wie möglich parken. Doch die Gebühren in der Marienplatztiefgarage sind zu hoch für die Frührentnerin. Und eine Berechtigung für einen Behindertenparkplatz bekommt sie nicht.
Denn Wibke Liebhart hat zwar einen Ausweis, der ihr eine Schwerbehinderung von 100 Prozent attestiert. Aber sie gilt – im Behördendeutsch – nicht als „außergewöhnlich gehbehindert“, da sie nicht vom ersten
Schritt an beim Gehen beeinträchtigt ist: „Es heißt halt, dass ich irgendwie schon noch ein bisschen gehen kann.“Und daher keine Berechtigung für einen Behindertenparkplatz erhält.
Gegen diese Entscheidung hat die 47-Jährige vor dem Sozialgericht Konstanz geklagt – und verloren. Weil als „außergewöhnlich gehbehindert“in aller Regel vor allem Menschen gelten, die zwingend auf einen Rollstuhl angewiesen sind, was bei ihr nicht der Fall ist.
Nun kämpft die aus Bayern stammende Frau um eine Light-Variante von „außergewöhnlich gehbehindert“, durch die sie eine Parkerleichterung erlangen könnte. Das heißt: Sie dürfte dann zwar nicht auf einem Schwerbehindertenplatz parken, ihr Auto aber auf öffentlichen Flächen kostenlos abstellen. Die Stadt Ravensburg hat diesen Antrag inzwischen nach Rücksprache mit dem Landratsamt abgelehnt, weil Liebhart die Kriterien dafür nicht erfülle.
400 Meter oberhalb ihrer Wohnung gibt es eine Bushaltestelle. Doch aufgrund ihrer Gleichgewichtsprobleme kann Wibke Liebhart ihren Rollator nicht in einen Bus hieven. Ganz abgesehen davon, dass der Weg bergauf zur Haltestelle für sie kaum zu bewältigen ist.
Gerne hätte die ehemalige Lehrerin mehr Kontakt mit anderen Menschen – ob mit oder ohne Behinderung. Doch dafür müsste sie mobiler sein. Nur das könnte ihr mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Gegen die Ablehnung der Parkerleichterung durch die Stadt Ravensburg will sie daher Widerspruch einlegen.