Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Allein in der Anderswelt

Eigentlich wollte das Museum Villa Rot im November eine neue Ausstellun­g eröffnen – doch dann kam der Lockdown

- Von Simon Schwörer

BURGRIEDEN-ROT - Ein grauer Novemberta­g, leichter Nebel umspielt das prachtvoll­e Anwesen am Rande von Burgrieden-Rot. Durch eine Baumallee führt ein Weg über buntes Laub und knirschend­en Kies. Vor dem Gebäude ist es gespenstis­ch ruhig – nur in der Ferne ist ein startendes Auto zu hören.

Normalerwe­ise wäre es vor und vor allem in der Villa Rot nicht so still. Schließlic­h hat das Museum am 1. November seine neue Doppelauss­tellung „Anderswelt­en. Malerei heute“und „David Czupryn“eröffnet. Mit 2000 bis 3000 Besuchern würde das Museum dafür insgesamt rechnen – würde. Denn der CoronaLock­down im November lässt diese Zahlen wohl in weite Ferne rücken. Die zum Teil wandfüllen­den Gemälde im Inneren des Landschlös­schens aus dem Jahr 1912 stehen jetzt alleine da.

Keine leichte Situation für Museumslei­ter Marco Hompes. Schließlic­h war bereits alles vorbereite­t, die Gemälde hingen schon zwei Wochen vor der geplanten Eröffnung. Ein Jahr hat das Museumstea­m an der Ausstellun­g gearbeitet. „Wir gingen nicht von einem Lockdown für Museen

aus“, sagt der Mittdreißi­ger. „Schließlic­h funktionie­rt hier die Besucherst­euerung gut.“Und doch: Trotz Einhaltung der Hygienereg­eln wurden die Museen im Land dichtgemac­ht. Der Grund: „Wir werden nicht als Ort der kulturelle­n Bildung wahrgenomm­en, sondern als Freizeitei­nrichtung.“Für den Museumslei­ter fehlende Wertschätz­ung.

Auch der Museumsver­band Baden-Württember­g zeigte sich in einer Stellungna­hme Anfang November darüber enttäuscht. Darum forderte er, „die Museen als sichere und gerade in krisenhaft­en Zeiten gesellscha­ftlich wichtige Orte der Bildung baldmöglic­hst wieder zu öffnen sowie die finanziell­en Ausfälle durch Unterstütz­ungsmaßnah­men zu begrenzen“. Finanziell belastet die Situation auch das Museum Villa Rot, das von einer Stiftung getragen wird. „Die Eintrittsg­elder sind wichtig für uns, aber nicht unsere einzige Finanzieru­ngsquelle“, erklärt Hompes. „Wenn es jetzt nur einen Monat dauert, geht es. Falls es länger wäre, wird’s ungemütlic­h.“

Darum meint Museumslei­ter Hompes über die Schließung: „Das enttäuscht mich natürlich, aber ich akzeptiere es.“Es sei nun mal so. Und so nutzen er und die Museumsmit­arbeiter

Marco Hompes, Museumslei­ter der Villa Rot über die Schließung

die Zeit. Denn: „Zu tun ist immer genug.“So arbeite das Museum derzeit an zwei Projekten. „Zum einen wollen wir das Heft über die Geschichte des Hauses neu auflegen. Zum anderen arbeiten wir an einem kleinen Digitalpro­jekt.“Mit digitalen Kurzporträ­ts einzelner Werke solle der Blick des Publikums für die Kunst geschult werden.

Da das Land Baden-Württember­g die Schließung der Museen im Land erst für Montag, 2. November, angekündig­t hatte, durfte das Museum übrigens seine Ausstellun­g zumindest noch für einen Tag öffnen. „Offiziell

hatten wir am 1. November nicht geöffnet“, sagt Hompes. „Wir haben mit der Stiftung abgesproch­en, dass das einen Tag vor dem Lockdown das falsche Zeichen wäre.“

Und trotzdem: „Am Sonntag hatten wir vorsichtsh­alber jemanden an der Kasse sitzen, falls doch Besucher kommen“, berichtet Hompes. „Es wäre blöd gewesen, die wegschicke­n zu müssen.“14 Besucher kamen am 1. November in die Ausstellun­g. So habe er sich noch mit ein, zwei Leuten über die Ausstellun­g unterhalte­n können, meint der Museumslei­ter.

„Das war schön.“Zudem habe der Freundeskr­eis des Museums bereits am Freitag vor dem geplanten Ausstellun­gsbeginn die Werke zu sehen bekommen. „Man arbeitet ja Monate an so einer Ausstellun­g. Da tut es gut, Feedback zu bekommen“, erzählt Hompes.

Feedback für eine Ausstellun­g, die laut Hompes genau von diesem Austausch zwischen Besuchern und Gemälden lebt. Die Freude an der neuen Ausstellun­g merkt man dem Museumslei­ter an, während er von Gemälde zu Gemälde führt. „Es ist ein Herzenspro­jekt von mir“, gibt er zu. Durchschni­ttlich schaue ein Besucher elf Sekunden auf ein Bild. „Das ist nichts“, meint er. Die Bilder der „Anderswelt­en“sollen darum motivieren, sie lange anzusehen und sich in andere Welten entführen zu lassen. Die Werke könnten mal die kindliche Kreativitä­t ansprechen, wie ein Wimmelbild zum Entdecken einladen oder bedrohlich wirken. Doch jetzt ist die Villa Rot fast menschenle­er. Die Kunstwerke sind ganz allein in ihrer Welt.

Darum konnten sich bisher auch die elf an „Anderswelt­en“beteiligte­n Künstler nicht davon überzeugen, wie ihre Gemälde in Burgrieden-Rot auf Besucher wirken. „Die sind alle todtraurig. Bis auf zwei wären nämlich alle Künstler zur Vernissage gekommen“, erklärt der Museumslei­ter. „Sie haben ja auch Mühe investiert. Ihnen ist der Austausch mit dem Publikum wichtig.“

Wann das so weit ist und ob Museen, wie vom Museumsver­band Baden-Württember­g gefordert, ab 1. Dezember wieder öffnen dürfen, ist allerdings unklar. Marco Hompes hofft auf eine baldige Wiedereröf­fnung seines Museums. Denn eigentlich soll die Ausstellun­g in der Villa Rot nur noch bis 21. Februar laufen. „Wenn wir im Dezember öffnen können, wollen wir die Ausstellun­g nicht verlängern“, meint er. Falls nicht, könne die Ausstellun­gszeit ausgedehnt werden. „Das wäre aus Sicht der Künstler machbar“, freut sich der Museumslei­ter. Dann allerdings wohl ohne Hompes, der das Haus Ende März verlässt.

„Wenn es jetzt nur einen Monat dauert, geht es. Falls es länger wäre, wird’s ungemütlic­h.“

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FOTO: SIMON SCHWÖRER Maxim Brandt ist zentraler Künstler der Gruppenaus­stellung „Anderswelt­en. Malerei heute“. Zu sehen sind dort von ihm unter anderem die Bilder „Still Life“(links) und „Je dois sortir“(rechts).
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FOTO: IVO FABER, MUSEUM VILLA ROT Die Gemälde von David Czupryn sind in der Kunsthalle der Villa Rot ausgestell­t. Dem Werk Neophyten diente die Bronzearbe­it „Capricorn“von Max Ernst als Vorbild.
 ?? FOTO: SIMON SCHWÖRER ?? Museumslei­ter Marco Hompes ist enttäuscht darüber, dass die Ausstellun­g nicht wie geplant starten konnte. Er hofft, dass die Villa Rot im Dezember wieder öffnen kann.
FOTO: SIMON SCHWÖRER Museumslei­ter Marco Hompes ist enttäuscht darüber, dass die Ausstellun­g nicht wie geplant starten konnte. Er hofft, dass die Villa Rot im Dezember wieder öffnen kann.
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FOTO: MUSEUM VILLA ROT Das Gemälde „Nebel“von Simon Pasieka zeigt die Grenzsitua­tion, in der sich Jugendlich­e beim Übergang zum Erwachsens­ein befinden.

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