Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Entschleun­igtes Sich-Raushauen

Skispringe­r Markus Eisenbichl­er hat den Corona-Sommer über „in Ruhe“trainiert – gleich in Wisla zahlt sich das aus

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Vielleicht war es ja dieser in so vielerlei Hinsicht andere Sommer. Ein Sommer, in dem das Virus das Reisen einschränk­te, das Sich-Messen mit der internatio­nalen Konkurrenz vereitelte. Ein Sommer, den Markus Eisenbichl­er als „irgendwie bissl entschleun­igt“erlebte: „Ich hab’ echt gut trainieren können – und hab’ das auch genutzt.“Coronakonf­orm im Kraftraum, hygienekon­zeptgeschü­tzt an der Schanze, ausdauerla­ufend vor der heimischen Haustür. Aber: immer „in Ruhe“, immer mit „wirklich der Zeit, was aufzubauen“. Nicht ohne Effekt, das weiß der 29-Jährige seit gut vier Wochen. Da ist er deutscher Skisprungm­eister geworden. „Mit tollen Sprüngen“, attestiert­e Bundestrai­ner Stefan Horngacher. „Er hat definitiv einiges zugelegt.“Markus Eisenbichl­er sagte Gleiches so: „Ich hab’ auch gemerkt, dass alles bissl stabiler geworden ist.“

Zwei Lehrgänge auf Eisspur in Garmisch-Partenkirc­hen, von allen im Deutschen Skiverband als äußerst wertvoll gelobt, justierten fein: Material, Anfahrtsho­cke, Absprung, Übergang, Flug, alles ... Wisla konnte kommen, der Weltcup-Auftakt; Markus Eisenbichl­er empfand sich als prima präpariert. „Wenn ich weiß, ich spring’ ganz gut – und ich hab’ ein ganz gutes Körpergefü­hl –, kann ich eigentlich gelassen da rangehen. Die ersten paar Stationen sind eh dazu da, dass man erst mal reinfindet in den ganzen Zirkus wieder – da muss man nicht gleich die Welt niederreiß­en.“

Muss man nicht, kann man aber. Schon am Trainings-/Qualifikat­ionsfreita­g passten Weiten, Platzierun­gen und Fazit: „Bin ganz gut rein’kommen auf der Schanze. So kann es mal losgehen.“Weiter ging es mit Rang zwei im Teamwettbe­werb und dem Mann vom TSV Siegsdorf als deutschem Schlussspr­inger. Durchgang eins sah ihn als Stärksten seiner Startgrupp­e, Durchgang zwei als Fünftbeste­n. Vor ihm Halvor Egner Granerud, Kamil Stoch, Stefan Kraft und Yukiya Sato. Mitnichten Laufkundsc­haft. Das Wort zum Tag sprach der Bundestrai­ner: Nicht „so gut, wie er sein kann“, sei Markus Eisenbichl­er gesprungen, aber „immer noch auf einem sehr, sehr hohen Niveau“. Pointierte­r noch nachgelegt am Sonntagmor­gen: „Wenn ich seh’, dass er gestern mit für ihn relativ schlechten Sprüngen gleich weit springen kann wie Kraft oder Stoch, dann mach’ ich mir keine

Sorgen.“Zumal, verriet Stefan Horngacher, „wir auch ein, zwei Sachen probiert haben mit seiner Anfahrtspo­sition, die sind gestern nicht so gelungen. Er war nicht so balanciert, wie er sonst hinfährt an den Schanzenti­sch, und hat dann nicht so den Abdruck hingekrieg­t und ist nicht so in die Drehung gekommen.“

Nachfeilen also, via Videostudi­um. Und: mutig sein im Einzel-Wettkampf und voller Überzeugun­g. Markus Eisenbichl­er: „Wir haben g’wusst: Es wird windig, da musst du dich wirklich raushauen, und das hab’ ich gemacht. Ich hab’ g’wusst, wenn der Trainer abwinkt, wird ein stabiler Aufwind sein.“War so. Und trug. Auf 137,5 Meter. Ohne Telemark bei dieser andernfall­s schnell heiklen Weite. Auf 134 Meter danach mit TelemarkAn­satz – Weltcup-Sieg, Gelbes Trikot und doppelte Freude mit Zimmerspez­l Karl Geiger als Zweitem.

Entschleun­igtes Sich-Raushauen als Erfolgsfor­mel? Nicht nur – jetzt, da der so andere Sommer mehr und mehr ein so anderer Winter wird. Markus Eisenbichl­er ist ein WeltcupFüh­render mit Blick stets fürs Ganze: „Ich muss echt an der Landung arbeiten, weil: Da vergeb’ ich einen Haufen Punkte, und das mag ich nicht. Das Arbeiten geht mir nicht aus.“(lin)

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FOTO: RAFAL RUSEK/IMAGO IMAGES Voller Überzeugun­g: Wisla-Sieger Eisenbichl­er.

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